Löhne

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Wie groß die Gefahr einer Hochwasserkatastrophe in Löhne ist

Gewässerexperte Ralf Isemann kennt sich aus mit dem Thema. Die Werre ist nach seiner Einschätzung weniger problematisch als die kleinen Bäche im Stadtgebiet.

Nach einem Starkregen im Jahr 2016 stand dieser Acker in Halstern unter Wasser. | © Ulf Hanke

Dirk Windmöller
19.07.2021 | 19.07.2021, 02:00

Löhne. Weniger als 200 Kilometer entfernt von der Werrestadt leiden die Menschen unter einer der größten Naturkatastrophen der letzten 100 Jahre. Mehr als 100 Menschen sind gestorben. Ganze Häuser wurden von den Fluten weggespült, Existenzen wurden vernichtet. Vielen Betroffenen ist nur die Kleidung geblieben, die sie getragen haben, als sie aus ihren Wohnungen fliehen mussten. Wir haben mit dem Löhner Gewässerexperten Ralf Isemann darüber gesprochen, ob es auch in Löhne zu solch einer Katastrophe kommen könnte.

"Wenn es in Löhne zu ähnlichen Regenfällen kommt wie in den Krisengebieten, dann sind wir machtlos", sagt er. Allerdings gibt es einen entscheidenden Unterschied zu Städten wie Werdohl oder Hagen. "Die Topographie ist bei uns ganz anders." Die Regionen, die es besonders hart getroffen hat, sind bergig. In Werdohl hat die Löhner Feuerwehr geholfen. Dort fließt die Lenne durch die Stadt, das Stadtzentrum liegt am Ufer des Flusses und teilweise an den umliegenden Hängen. Auch viele Teile von Löhne liegen direkt an der Werre. Allerdings fällt es vom Wittel nicht so steil ab in Richtung Fluss.

Ralf Isemann am Hochwasserrückhaltebecken an der Bergstraße. - © Dirk Windmöller
Ralf Isemann am Hochwasserrückhaltebecken an der Bergstraße. | © Dirk Windmöller

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470 Kubikmeter Wasser in der Sekunde

Um ein Werrehochwasser, das außer Kontrolle gerät, macht sich Isemann auch wegen des riesigen Hochwasserrückhaltebeckens an der Schützenstraße nur wenig Sorgen. "Wenn das Wehr geschlossen ist, dann kann das Wasser bis zum Mühlenwerk (früher Entenhof) aufgestaut werden", sagt Isemann. Das Becken wurde im Jahr 2005 errichtetet. Die Größe der Fläche bezieht sich auf das 100-jährige Hochwasser. Die Berechnungen bezogen sich damals auf eine Wassermenge von 470 Kubikmeter in der Sekunde, die im Ernstfall in das Becken läuft. Für diese Wassermengen sorgt nicht die Werre alleine. "In die Werre münden viele Gewässer. Halb Bielefeld wird über die Werre entwässert. Dazu kommt Lippe und das Else-Wasser aus Bünde", sagt Isemann.

Wenn in den letzten 25 Jahren nicht eine Menge für den Hochwasserschutz getan worden wäre, dann hätte das Becken hinterm Schützenwehr die Wassermassen, von denen das Katastrophengebiet betroffen ist, nicht standgehalten. "Das hätte auch bei uns dazu geführt, dass das untere Werretal in Teilen überflutet worden wäre. Davon wären auch Häuser betroffen gewesen" ,sagt Isemann. An vielen Stellen stromaufwärts und in Bereichen der Gewässer, die in die Werre einmünden, sind ebenfalls Rückhaltebecken entstanden.

"Durch die Maßnahmen reduziert sich die Wassermenge von 470 auf 390 Kubikmeter in der Sekunde." So sei man auch bei extremen Niederschlägen relativ sicher. "Aber man muss auch klar sagen, dass es eine hundertprozentige Sicherheit nicht gibt, dass auch unser Wehr bei einem 200-jährigen Hochwasser ausreicht." Ein wichtiger Schritt in Sachen Hochwasserschutz folgt in den nächsten Jahren. "Die Renaturierung der Werre wird einen erheblichen Effekt haben."

"Als Gefahrenzone völlig unbekannt"

Die größeren Probleme sieht Isemann bei den Bachläufen durch örtlich konzentrierte Starkregenereignisse. "Wir haben auch da durch fünf Rückhaltebecken, Renaturierungen und größere Wasserdurchlässe eine Menge erreicht. Aber es gibt immer noch viel zu tun." Um die Prioritäten richtig festzulegen, wird zurzeit eine Spezialkarte des gesamtem Stadtgebiets erstellt. Auf der Karte sind die Wege des Regenwassers bei Starkregen eingezeichnet. Grundlage für die Karte ist eine aufwendige Computersimulation. Der Computer bringt Regenmenge und die Aufnahmefähigkeit der Bäche in Beziehung. Auf der Karte wird dann mit entsprechenden Farben zu sehen sein, wo der Handlungsbedarf am größten ist.

Die ersten Ergebnisse kennt Isemann schon. Bei einigen Bereichen im Stadtgebiet war schon vorher klar, dass Handlungsbedarf besteht. "Zwei Stellen waren mir als Gefahrenzone völlig unbekannt", sagt er. Ein Problembereich ist laut Simulation der Mittelbach dort, wo er von Kemenas Mühle in Richtung Südbahn fließt. "Bei sehr starkem Regen könnte da im ungünstigsten Fall ein Teil der Siedlung unter Wasser stehen. Bisher hatten wir dort noch nie Probleme", sagt der Gewässerexperte. Ähnlich überrascht war er, dass auch der Haubach im Bereich der Polizei eine Problemzone ist.

"Von der Karte versprechen wir uns eine Menge"

"Von der Karte versprechen wir uns eine ganze Menge, weil sich gezielte Maßnahmen ableiten lassen. Auch jeder einzelne Grundstückseigentümer kann später dort sehen, inwieweit sein Grundstück gefährdet ist." Das könne dem Einzelnen auch helfen, sein Haus mit überschaubaren Arbeiten zu schützen. "Es kann schon viele bringen, ein Kellerloch abzudichten oder einen kleinen Wall zu errichten", sagt er. Das gelte allerdings nur für Starkregen bis zu einer gewissen Intensität. "Das hätte den Menschen in den Katastrophengebieten leider auch nicht geholfen."