Angst vor der Insolvenzwelle - sie könnte bald kommen

Kreis Herford. Der Sommer ist endlich da. Der Inzidenzwert liegt im Kreis Herford Herford seit Tagen unter 20. Die Laune ist bei vielen Menschen spürbar besser als noch vor vier Wochen. Auf den ersten Blick ist auch die Wirtschaft in der Region gut durch die Krise gekommen. Dieses Bild kann jedoch trügerisch sein. "Man merkt in der Wirtschaft an jeder Stelle die Angst", sagt Dirk Markus, Mitglied der Geschäftsführung bei der Firma Creditreform Minden-Herford. Das Unternehmen beschäftigt sich mit Wirtschaftsinformationen, Bonitätsauskünften und Forderungsmanament von Unternehmen. Zahlreiche Kunden aus der heimischen Wirtschaft arbeiten mit Creditreform zusammen. So hat das Unternehmen mit Sitz an der Krellstraße in Löhne eine gute Übersicht über die Lage die Wirtschaft. Allerdings ist es für Fachleute seit dem Ausbruch der Pandemie deutlich schwieriger Entwicklungen zu prognostizieren. "Ein guter Indikator für die allgemeine Lage ist die Zahl der Insolvenzen", sagt Geschäftsführer Dominik Dorff. Unternehmen sind in der Regel gesetzlich verpflichtet, Insolvenz anzumelden, wenn sie zahlungsunfähig sind. "Das wird ein böses Erwachen geben" Zu Beginn der Pandemie wurde diese Pflicht ausgesetzt. "Das führt dazu, dass wir jetzt sehr wenig Insolvenzen haben. Sie bilden aber nicht den realen Zustand der Wirtschaft ab. Es müssten eigentlich viel mehr Unternehmen Insolvenz anmelden", sagt Dirk Markus. Er fürchtet, dass die eigentliche Welle in den nächsten Monaten kommt. "Das wird für manche ein böses Erwachen geben", sagt Markus. Die Experten von Creditreform finden diese Entwicklung problematisch. "Sicher ist es gut, dass durch staatliche Hilfen Unternehmen gerettet werden. Es werden aber auch Zombie-Unternehmen mit durchgeschleppt, die schon seit Monaten nicht mehr lebensfähig sind", sagt Markus. Insolvenzen haben nach Einschätzung der Fachleute oft auch einen reinigenden Effekt. "Wenn ein Unternehmen keine Überlebenschance hat, dann sollte man es nicht künstlich am Leben erhalten", sagt Markus. Da sei der Schaden oft größer als der Nutzen.Insolvenzen seien das kaufmännische Instrument für eine natürliche Marktbereinigung. "Wenn ein Unternehmen in eine solche Schieflage gerät, dann muss es das Geschäftsmodell überdenken und verändern oder gehen", bringt Markus seine Einschätzung auf den Punkt. Unfair gegenüber den Mitarbeitern Es besteht die Gefahr, dass in einer solchen Situation andere Unternehmen unverschuldet mit in den Abgrund gerissen werden. "Wenn man als Lieferant bei einem Kunden häufiger Zahlungsverzögerungen erlebt, dann sollte man vorsichtig werden und mit den Kunden sprechen", rät Dorff. Unfair sei die Verschleppung einer Insolvenz auch gegenüber den Mitarbeitern. "Viele Mitarbeiter haben keinen Einblick in die tatsächliche Situation. Sie sind der Firma gegenüber loyal, denken es geht ihr gut und dann kommt der Knall", sagt Dorff. Wichtig sei, auch den Mitarbeitern gegenüber möglichst transparent zu sein. "Wenn man Vertrauen in den gemeinsamen Weg hat, fühlt man sich wohl und ist viel motivierter", sagt er. Creditreform rechnet in der zweiten Jahreshälfte, wenn die Anzeigepflicht von Insolvenzen nicht mehr ausgesetzt ist, mit einer Zunahme von 20 Prozent. "Wir haben Kontakt mit mehreren tausend Unternehmen, von denen hören wir entsprechende Einschätzungen, die zum Gesamtbild führen. Dazu kommt, dass die Banken viele Kredite gestundet haben. Da braut sich was zusammen", fürchtet Markus. Wenn die Insolvenzwelle zu rollen beginnt, dann sind die kleinen Unternehmen gesamtwirtschaftlich kein großes Problem, auch wenn für Unternehmen und Mitarbeiter eine Welt zusammenbricht. "Alle stellen sich die bange Frage, welchen großen Laden es erwischt. Als Inkasso-Unternehmen wissen wir ja, wer die Rechnungen nicht zahlt", sagt Markus. Er nennt keine Branche und natürlich erst recht keinen Namen. Aber: "Irgendwann trifft es einen Großen." Das sei sei sicher. "Die Region wird nicht verschont bleiben" Natürlich biete die Differenzierung der Wirtschaft immer einen Schutz. "Komplett verschont bleiben wird die Region aber nicht. Die Industrie entwickelt sich zwar gut, aber Dienstleistung und Handel könnten in größerem Maß als bei anderen Krisen betroffen sein", sagt Dorff. Offen für alle Branchen sei, wie sich der Export entwickele. "Viele Staaten in Europa kämpfen mit einem deutlichen Rückgang der Wirtschaftsleistung. Vom entsprechenden Nachfragerückgang wird auch die heimische Wirtschaft nicht unberührt bleiben", sagt Markus. Ein großer Vorteil in der Krise sei der gut aufgestellte Mittelstand in OWL, der traditionell über gute Eigenkapitalreserven verfüge. Man müsse sich aber wahrscheinlich von Gesetzmäßigkeiten verabschieden, die bei der letzten Krise noch als sicher galten. "OWL war immer eine Sonderregion und ist durch viele Krisen besser durchgekommen als andere Regionen. Ob OWL diese Bank bleibt? Keine Ahnung", sagt Markus. Klar sei, dass auch auf die Region weitreichendere Veränderungen zukommen würden, als in vielen Jahren zuvor. "Corona verstärkt auch hier die Dinge, die ohnehin gekommen wären", sagt Dorff.

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