Wirtschaftsexperten aus Löhne sehen noch kein Ende der Krise

Löhne. Die Zahl der Insolvenzen ist in diesem Jahr deutlich gestiegen. Darunter sind auch bekannte Unternehmen aus der Region. Die Firma Dresselhaus (Verbindungselemente und Befestigungstechnik) in Herford, die Brüder Schlau Gruppe (Hammer Markt) in Porta Westfalica, die RWK & Kuhlmann-Küchen in Löhne: Das sind nur ein paar der Unternehmen, die in den letzten Monaten in Schieflage geraten sind. Wir haben mit Experten von Creditreform, einem Dienstleister für Risiko- und Forderungsmanagement, und der IHK über die aktuelle Lage gesprochen. &bdquo;Es hat seit Jahren nicht so viele Arbeitsplatzverluste gegeben“, sagt Dominik Dorff, Geschäftsführer von Creditreform Minden-Herford. Das Unternehmen hat Kunden aus allen Wirtschaftszweigen und so eine gute Gesamtübersicht über die aktuelle Situation. Die deutsche Wirtschaft stehe aktuell wegen zahlreicher Faktoren unter starkem Druck. Nach großen Ankündigungen von Bundeskanzler Merz sei bisher nur wenig geschehen. &bdquo;Die Unternehmen fragen sich, wann der Investitionsbooster endlich kommt“, sagt Dorff. Dazu kommen die erhöhten Einfuhrzölle für Produkte in die USA. Gerade hat die US-Regierung verkündet, dass Zölle für Küchen auf 25 Prozent steigen sollen und nicht wie ursprünglich verhandelt auf 15 Prozent. &bdquo;Bei den Unternehmen herrscht große Unsicherheit“, sagt Creditreform-Mitarbeiter Lars Schäfer. Bürokratieabbau bleibt das große Thema Bei Erwähnung dieses Begriffs setzt bei vielen Firmenchefs Schnappatmung ein: &bdquo;Bürokratieabbau“. Seit Jahrzehnten versprochen, passiert ist das Gegenteil. &bdquo;Bürokratieabbau ist das große Thema. Komplizierte Ausschreibungen und Reportings werden in Gesprächen mit Unternehmen immer wieder als Probleme genannt“, sagt Dominik Dorff. In Deutschland zähle immer nur der Goldstandard, statt nach pragmatischen Lösungen zu suchen. &bdquo;Da baut sich Frust auf“. Lesen Sie auch: RWK & Kuhlmann-Küchen hat die Produktion in Löhne geschlossen Die Unsicherheit wirke sich nicht nur auf die mittelfristigen Businesspläne aus. &bdquo;Die Planbarkeit ist dahin. Das wirkt sich auf die Unternehmensnachfolge ebenso aus wie auf die Gründung von neuen Unternehmen“, sagt der Creditreform-Geschäftsführer. Bis vor wenigen Jahren habe es jährlich rund 200.000 Gründungen gegeben. &bdquo;Jetzt liegen wir bei etwa 160.000“. Natürlich könne man diese Zahl auch positiv sehen. &bdquo;Diese 160.000 Unternehmer glauben trotz aller Probleme an den Standort.“ Wie angespannt die Lage bei den Unternehmen sei, zeige sich nicht nur beim Arbeitsplatzabbau. &bdquo;Warenkreditversicherungen werden immer häufiger genutzt“, sagt Lars Schäfer. Mit dieser Art von Versicherung werden Forderungsausfälle von Unternehmen bezahlt, wenn ihre Kunden die Rechnungen nicht bezahlen können. Die Banken würden bei der Vergabe von Krediten an Unternehmen zögern. &bdquo;Auch das ist ein Signal, dass man noch nicht über den Berg ist“, sagt Dominik Dorff. Die Reformen greifen frühestens nächstes Jahr Die Diagnose der Fachleute, dass es weder in diesem Jahr noch 2026 zu einem wirklichen Aufschwung kommt, überrascht nicht. Selbst wenn die Bundesregierung die richtigen Weichen stelle, werde es noch zwei bis drei Jahre dauern, bis sich die Wirtschaft wieder aus dem Tal herausgearbeitet habe. Auch interessant: &bdquo;Herford hinkt hinterher“ – Wirtschaft im Kreis schwächelt im Vergleich zu OWL Die Industrie- und Handelskammer OWL bestätigt die Entwicklung. &bdquo;Auch in Ostwestfalen und im Kreis Herford beobachten wir seit einiger Zeit eine wieder steigende Zahl an Unternehmensinsolvenzen“, sagt Arne Potthoff, Referatsleiter Industrie, Wirtschaftspolitik, Energie bei der IHK, auf NW-Anfrage. Im Kreis Herford habe es im Jahr 2024 insgesamt 112 gemeldete Unternehmensinsolvenzen gegeben. Potthoff: &bdquo;Das waren 23 Prozent mehr als im Vorjahr mit 91 Insolvenzen. Das erste Quartal dieses Jahres zeigt im Kreis Herford gegenüber dem Vorjahresquartal aber nur eine minimale Verschlechterung (1. Quartal: 24 Unternehmensinsolvenzen, Vorjahr: 23).“ Die Finanzprobleme betreffen nicht einzelne, bestimmte Wirtschaftszweige. Die Situation sei ostwestfalenweit branchenübergreifend – Unternehmen aus Industrie, Handel und Dienstleistungsgewerbe hätten Anträge auf Insolvenz stellen müssen. Eine Pleitewelle ist bisher ausgeblieben &bdquo;Im Kreis Herford ist allerdings eine auffälligere Zunahme im verarbeitenden Gewerbe zu beobachten. Die Industrie ist von der aktuellen Wirtschaftskrise deutlicher betroffen, da sie stärker vom internationalen Geschäft abhängig ist und die Wettbewerbsfähigkeit unter Energiepreisen, Arbeitskosten, Wechselkursen und Zöllen sowie anderen Handelsbarrieren besonders leidet“, erklärt der Mitarbeiter der IHK OWL. Das dritte Jahr in Folge ohne wirtschaftliches Wachstum in Deutschland und die schwierigen internationalen Rahmenbedingungen haben ihre negativen Auswirkungen. Potthoff ordnet ein: &bdquo;Die ostwestfälische Konjunktur steht weiterhin unter Druck. Die Zunahme der Unternehmensinsolvenzen ist aus Sicht der Industrie- und Handelskammer eine Konsequenz aus den multiplen Problemlagen. &bdquo;Eine Pleitewelle sehen wir in Ostwestfalen und im Kreis Herford jedoch nicht, aber ähnlich wie am Arbeitsmarkt aktuell eine eher negative Entwicklung“, fasst Potthoff zusammen.

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