Löhne. „Noch dreißig Sekunden noch zwanzig zehn " – der Countdown im Studio von Çira TV läuft. Schnell werden letzte Regieanweisungen via Mikrofon gegeben, alle Kameraeinstellungen genauestens überprüft. Bei den prominenten Gästen wächst die Nervosität mit jeder Sekunde, die bis zur Live-Übertragung bleibt. Und dann ist es soweit: Die fünf Löhner Bürgermeister-Kandidaten Bernd Poggemöller (SPD), Borzoo Afshar (CDU), Silke Glander-Wehmeier (Bündnis 90/Grüne), Hermann Ottensmeier (LBA) und Ulrich Adler (Die Linke) stellen sich 90 Minuten lang den Fragen von Moderator Yilmaz Kaba.
Dankbar hatte das Quintett die Einladung zu der lockeren Talkrunde in den Räumen der Ulenburg, die seit sechs Jahren in Besitz der jesidischen Glaubensgemeinschaft ist, angenommen. Denn in Corona-Zeiten ist die Zahl der Wahlkampfveranstaltungen deutlich gesunken. „Sie werden gleich von Millionen Zuschauern auf der ganzen Welt gesehen", versprach Yilmaz Kaba den Kandidaten, die vermutlich nicht mit einem so großen und internationalen Publikum gerechnet hatten.
Vier Themenblöcke für die Diskussion

Zum Auftauen und Beschnuppern gab es eine kleine Gesprächsrunde vorab, mit Wasser, Tee und Kaffee. Seyhmus Günay von der ezidischen Glaubensgemeinschaft freute sich sichtlich darüber, dass alle fünf Bewerber um das Bürgermeisteramt zur Live-Sendung erschienen waren. „Es war der Wunsch vieler Eziden in Ostwestfalen-Lippe, eine Sendung zum Thema Kommunalwahl zu machen. Und Löhne bot sich da natürlich an, schließlich hat der Sender hier seinen Sitz", erklärte Günay.
Punkt 20 Uhr begann dann die Live-Übertragung. Yilmaz Kaba hatte sich für vier Themenblöcke entschieden: eine kurze Vorstellungsrunde, Vorhaben für die Stadt Löhne, Ziele für die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund sowie für die Zusammenarbeit mit der jesidischen Stiftung und schließlich der Aufruf zur Wahl am 13. September.
Eigene Akzente der Kandidaten
Bei den politischen Zielen gab es viele Gemeinsamkeiten bei den Kandidaten, jedoch schaffte es jeder, eigene Akzente zu setzen. Silke Glander-Wehmeier will im Fall eines Wahlsiegs die Fraktionen zusammenbringen, um gemeinsam wichtige Entscheidungen für die Stadt Löhne voran zu bringen. Natürlich steht der Klimaschutz für die Grünen ganz oben auf der Prioritätenliste: „Wir müssen handeln. Kleine Dinge vor Ort können Großes bewirken", betonte die Fraktionsvorsitzende. Weiterhin wehre sich ihre Partei gegen jede Form von Rassismus: „Wir dulden es nicht, dass Hass und Gewalt in Löhne herrschen."
Der amtierende Bürgermeister Bernd Poggemöller setzte vor allem auf das Thema Bildung und neue pädagogische Konzepte, auf Investitionen in die Infrastruktur, beispielsweise auf den Neubau und die Sanierung der Feuerwehr-Gerätehäuser, auf ein zukunftsfähiges Mobilitätskonzept und eine Belebung der Innenstadt.
"Wir sind lange genug in der Opposition, das reicht"
„Die LBA sieht sich als Anwalt des Bürgers", betonte Hermann Ottensmeier. Sicherheit und Bekämpfung der Kriminalität seien für ihn und seine Fraktion wichtige Themen. Weiterhin sei es wichtig, Schwerpunkte zu setzen anstatt „alles zu versprechen". „Sparsamkeit sollte eine Rolle spielen", spielte der LBA-Frontmann auf die „Schuldenlast" der Stadt an.
CDU-Kandidat Borzoo Afshar ging gleich in die Offensive: „Wir sind lange genug in der Opposition, das reicht." Er sei ein Unternehmer, kein „Verwaltungsmensch". „Ich fange nichts an, wenn ich nicht weiß, ob ich auch das Geld dafür habe." Digitalisierung, ein gut funktionierender Öffentlicher Personennahverkehr sowie eine gute Vernetzung sehe er als wichtige Themen. „Wir müssen miteinander kommunizieren und agieren." Weiterhin wünsche er sich einen „funktionierenden Stadtkern" sowie die Stärkung der Vereine in Löhne.
Kulturförderung hat sich Ulrich Adler von den Linken ebenso auf die Fahnen geschrieben wie Klimaschutz und den Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs.
"Viele Löhner werden mit anpacken"
Bei der Frage nach Integration und der zukünftigen Zusammenarbeit mit dem jesidischen Zentrum in der Ulenburg waren sich alle Kandidaten einig, dass beide Seiten etwas dafür tun müssen. Silke Glander-Wehmeier zeigte sich enttäuscht darüber, dass das einstige Versprechen von Ibrahim Kus, Park und Schloss auch weiterhin für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen, nicht gehalten worden sei. „Natürlich muss etwas in die Pflege und Sanierung gesteckt werden. Aber ich bin mir sicher: Wenn Sie bekannt geben, dass Sie das Gelände wieder öffnen wollen, werden sich viele Löhner dazu bereit erklären, mit anzupacken", betonte die Grünen-Chefin.
Auch Bernd Poggemöller bedauerte die Entwicklung in den vergangenen Jahren: „Der Park ist etwas ganz Besonderes, was wir hier haben, ist einmalig. Aber er ist in einem schlechten Zustand." Borzoo Afshar, der Mitte der 1980er Jahre mit seinen Eltern nach Deutschland kam und somit einen Migrationshintergrund hat, hält die Sprache für den Schlüssel zu einer erfolgreichen Integration: „Meine Schwester und ich haben als Kinder von sieben Uhr morgens bis sieben Uhr abends hinter verschlossenen Türen Deutsch gelernt. Wer hier in Deutschland leben und arbeiten möchte, wer die Regeln verstehen will, der muss die Sprache beherrschen." Sein Lebensmotto laute: „Gut reden, gut denken, gut handeln".
Am Ende der Sendung rief Bernd Poggemöller alle Löhner Bürger auf, ihre Stimme abzugeben: „Im vergangenen Jahr bei der Europawahl hatten wir eine Wahlbeteiligung von etwa 50 Prozent. Ich wünsche mir mehr. Wir müssen unsere Demokratie stärken – wählen Sie!"
- Zum Sender
- Çira TV, weltweit erster Sender der jesidischen Glaubensgemeinschaft, strahlt via Satellit in HD aus und ist auch über das Internet über einen Livestream zu sehen. Sitz des Senders ist in Löhne.
- Das deutschsprachige Format Çira Fokus wird zwei Mal im Monat jeweils donnerstags ausgestrahlt.