Durchbruch bei der Grundsteuer: Das kommt auf Hausbesitzer in Kirchlengern zu

Kirchlengern. Im Grunde genommen ist es ganz einfach: Alle Grundbesitzerinnen und -besitzer der Gemeinde Kirchlengern werfen Geld in einen Topf. Wie hoch die Summe ist, hängt vom Wert des Grundbesitzes ab. Wer mehr hat, zahlt auch mehr. Von dem Geld finanziert die Gemeinde dann Dinge wie Schulen, Kitas, Büchereien oder Straßen. So zumindest lautet die simple Theorie. Doch die Umsetzung ist deutlich komplizierter. Erst recht, nachdem das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2018 die bisherige Praxis der Grundsteuererhebung für verfassungswidrig erklärt hat. Da jahrzehntealte Grundstückswerte als Bemessungsgrundlage für die Steuer dienten, führte das nach Ansicht des Gerichts aufgrund der unterschiedlichen Wertentwicklung dazu, dass gleichartige Grundstücke unterschiedlich behandelt wurden. Es musste also eine Neubewertung der Grundstücke her. Diese Neubewertung hat ergeben, dass Wohngrundstücke im Verhältnis zu Geschäftsgrundstücken im Schnitt künftig höher eingestuft werden. Hausbesitzer, und damit aufgrund der Umlagemöglichkeit indirekt auch Mieter, müssten in Zukunft in ihrer Gesamtheit also mehr Geld in den Topf werfen, wenn die Gemeinde bei der Grundsteuer am Ende auf dieselbe Summe wie vor der Reform kommen will. Haushaltsentwicklung als Damoklesschwert Dass die Grundsteuer-Einnahmen der Gemeinde ungefähr gleich hoch – im Fachjargon auch aufkommensneutral genannt – bleiben sollten, hatte Kämmerer Hans-Gerhard Busse in diversen Ausschusssitzungen zu dem Thema immer wieder deutlich gemacht. Grund sei die prognostizierte negative Haushaltsentwicklung der kommenden Jahre. Zum Thema: Studie: Immer mehr Kommunen mit hohen Grundsteuer-Hebesätzen Selbst bei aufkommensneutralen beziehungsweise auskömmlichen Hebesätzen würde laut dem Kämmerer bis 2028 ein Fehlbetrag von rund 14 Millionen Euro auflaufen. Sollte die Gemeinde beim aktuellen Hebesatz in Höhe von 501 Prozentpunkten der für Wohn- und Geschäftsgrundstücke maßgeblichen Grundsteuer B bleiben, vergrößere sich das Defizit jährlich um knapp 800.000 Euro, so Busse. Für einen auskömmlichen Hebesatz müsste dieser auf 676 Prozentpunkte angehoben werden. Durch die generelle Höherbewertung der Wohngrundgrundstücke führe eine derartige Anhebung &bdquo;teilweise zu massiven Mehrbelastungen von Hauseigentümern“, machte Bürgermeister Rüdiger Meier (CDU) ebenfalls wiederholt deutlich. Möglichkeit zur Abmilderung der Belastung Zur Erklärung: Die Höhe der zu zahlenden Grundsteuer ergibt sich aus der Multiplikation des Hebesatzes mit dem durch die Finanzämter ermittelten individuellen Messbetrag. Einzelnen Hausbesitzern in Kirchlengern drohe laut Verwaltung so eine Mehrbelastung von mehr als 1.000 Euro pro Jahr. Um diese höhere Belastung für Eigentümer von Wohngrundstücken abzumildern, hat das Land NRW den Kommunen die Möglichkeit eingeräumt, die Grundsteuer B zu differenzieren und unterschiedliche Hebesätze für Wohn- und Gewerbeimmobilien einzuführen. Ob diese Regelung allerdings rechtssicher ist, dazu gibt es unterschiedliche Meinungen. Ein Gutachten des Landes bejaht dies, das des Städtetages NRW kommt zum gegenteiligen Ergebnis. Zum Thema: NRW empfiehlt Kommunen neue Hebesätze für Grundsteuer: Das sind die Vorschläge für OWL Vor diesem Hintergrund mutet es verständlich an, dass sich die Politik in Kirchlengern und auch anderswo lange vor einer Entscheidung gedrückt hat. Zumal im kommenden Jahr zunächst die Bundes- und dann die Kommunalwahl ansteht. Doch bis Ende des Jahres musste eine Entscheidung fallen und daher mussten sich die Parteien nun aus der Deckung wagen. SPD plädiert für Hebesatzdifferenzierung Die SPD plädierte dabei dafür, den von der Landesregierung eingeräumten Weg der Differenzierung bei der Grundsteuer B zu gehen. Dies hätte einen Hebesatz von 537 Prozentpunkten für Wohngrundstücke sowie einen von 1.037 Prozentpunkten für Geschäftsgrundstücke bedeutet. Die Grundsteuer A für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft wäre auf den vom Land errechneten Wert von 363 Punkten angehoben werden und die Gewerbesteuer konstant bei 442 Punkten geblieben. Durch diesen Weg würde Aufkommensneutralität erreicht und gleichzeitig die Belastung der Bürgerinnen und Bürger, insbesondere auch der Mieterinnen und Mieter, so gering wie möglich gehalten, hieß es seitens der SPD zur Begründung. CDU und Grüne äußerten bezüglich der Hebesatzdifferenzierung allerdings mehrfach große Bedenken. &bdquo;Für uns ist die Rechtssicherheit entscheidend und die sehe ich bei zwei unterschiedlichen Rechtsgutachten nicht“, hatte CDU-Fraktionsvorsitzender Torsten Henke bereits im Hauptausschuss gesagt. CDU und Grüne wählen einen Mittelweg Aufgrund der ohnehin schon hohen Belastungen für die Bürger seien CDU und Grüne allerdings auch nicht bereit, den Hebesatz auf den auskömmlichen Wert von 676 Punkten anzuheben. Daher habe man sich für einen Mittelweg entschieden. Der vom Kämmerer bei Beibehaltung des aktuellen Hebesatzes in Höhe von 501 Punkten errechnete Fehlbetrag von knapp 800.000 Euro solle zur Hälfte durch die Erhöhung der Hebesätze und zur anderen Hälfte durch Einsparungen im Haushalt ausgeglichen werden. Der Vorschlag von CDU und Grünen lautete daher, die Grundsteuer B von derzeit 501 auf 588 Prozentpunkte sowie die Grundsteuer A auf 363 Punkte anzuheben und die Gewerbesteuer konstant zu halten. Der Rat entschied sich mit 17 Ja-Stimmen, zwölf Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen (Basis und UWG) mehrheitlich dafür.

Meistgelesen