Leben statt Leerstand: Jung kauft Alt sorgt in Hiddenhausen für Wohnraum

Hiddenhausen. Die Prognose las sich vernichtend: Bis 2030 sollte die Bevölkerung der Gemeinde Hiddenhausen deutlich schrumpfen. Eine massive Überalterung drohte, immer mehr Gebäude würden leer stehen. Solch ein Szenario haben Experten nicht nur Hiddenhausen prophezeit - deutschlandweit kämpften und kämpfen ländliche Kommunen mit diesen Parametern. Doch die Gemeinde hat es geschafft, mit einer speziellen Förderung die Einwohnerzahl stabil zu halten. Vor 15 Jahren haben der einstige Bürgermeister Ulrich Rolfsmeyer und sein Team das Projekt "Jung kauft Alt" ins Leben gerufen. Und die Bilanz kann sich sehen lassen. Alexander Graf kennt das Förderprogramm von Anfang an. 2007 war er noch als Sachbearbeiter dabei, heute ist Graf Leiter des Amtes für Gemeindeentwicklung und kennt die Zahlen um "Jung kauft Alt" ganz genau. Die Bilanz ist durchweg positiv: Für 745 Gebäude hat die Gemeinde das Förderprogramm seit Projektstart am 1. Juli 2007 bewilligt. "1.388 Erwachsene und 939 Kinder leben in diesen Häusern. 230 Neugeborene wurden während dem Förderzeitpunkt geboren", sagt Graf, nicht ohne einen gewissen Stolz in der Stimme. Denn das Ziel ist aufgegangen. "Wir haben Zuzug generiert und die Menschen vor Ort gehalten." Mehr Einwohner bedeuten auch mehr Gelder von Land und Bund Hiddenhausen hat die Trendwende geschafft. Mit "Jung kauft Alt" hat die Kommune dem demografischen Wandel einiges entgegen gesetzt. Doch was bedeutet das für die Gemeinde? Einerseits, so erklärt es Graf, gebe es durch die stabil gehaltene Einwohnerzahl mehr Förderungen von Bund und Land - Stichwort Schlüsselzuweisungen. Es kann also mehr Geld in Projekte fließen. Andererseits profitiere das Leben in den sechs Dörfern der Gemeinde. Getreu dem Motto "kurze Beine, kurze Wege" gebe es überall Kindertagesstätten, jedes Dorf hat einen eigenen Grundschulstandort, der offene Ganztag wurde ausgebaut, es gibt Infrastruktur. Das wiederum ist nicht nur für die jungen Familien attraktiv, sondern für alle hier lebende Bürger. Eben Leben statt Leerstand. Das Projekt ist so beliebt, dass die Gemeinde die Fördersumme stets angehoben hat. 2007 hat der Rat 20.000 Euro in den Haushalt eingestellt. "Damit haben wir begonnen, wir hatten ja noch keinerlei Erfahrung", sagt Graf. "Jung kauft Alt" schlug sofort ein, ein Jahr später wurden die finanziellen Mittel bereits auf 52.000 Euro angehoben. Und es stieg weiter, von 2014 bis 2018 stellte Hiddenhausen schon 270.000 Euro pro Jahr zur Verfügung. Dann der nächste Anstieg, der nicht ausbleiben durfte, um "sowohl die bereits bewilligten Anträge zu fördern, aber auch Neuzugänge aufzunehmen", sagt Graf. Der Rat hat grünes Licht gegeben und seit 2019 die Summe auf nunmehr 300.000 Euro aufgestockt. Es gibt keine Altersgrenze Für das Projekt hat die Gemeinde verstärkt junge Familien mit Kindern im Blick, um die Kommune jung und lebhaft zu halten. Doch eine Altersgrenze gebe es nicht. Theoretisch kann sich jede Person auf die Förderung bewerben. Graf: "Eine Altersgrenze haben wir bewusst nicht vorgegeben." Doch die Statistik zeigt, dass sich vornehmend die Hauptzielgruppe angesprochen fühlt. Zu 55 Prozent haben Familien mit Kindern die Förderung in Anspruch genommen (Stichtag 30. Juni). 23 Prozent sind junge Paare (noch) ohne Nachwuchs, 11 Prozent Singles, 2 Prozent Alleinstehende mit Kindern. Nur 9 Prozent der Geförderten sind ältere Pärchen ohne Kinder. Als Vermittler zwischen Verkäufer und Käufer tritt die Gemeinde im Übrigen nicht auf. Graf: "Wir sind keine Makler und führen auch keine Listen." Die Gemeinde komme quasi erst bei Phase zwei ins Spiel, formuliert es der Amtsleiter. Also erst, wenn sich Käufer und Verkäufer einig geworden sind. Allerdings fördert Hiddenhausen auch Altbaugutachten. Graf: "Damit man nicht die Katze im Sack kauft." Zuzug von der See bis nach Bayern Sechs Jahre lang läuft die Förderung bei "Jung kauft Alt", der maximale Betrag belaufe sich auf 9.000 Euro. Das entspricht einem Rechenbeispiel von einer Familie (600 Euro) mit drei Kindern (je Kind 300 Euro). Die Häuser müssen mindestens 25 Jahre alt sein, der Erstwohnsitz muss in Hiddenhausen sein und die Antragsteller müssen selbst das Gebäude bewohnen. Profitiert haben nicht nur bereits in der Gemeinde verankerte Menschen, 13 Prozent der Antragsteller stammen aus einem Gebiet außerhalb des Kreises Herford. Darunter fallen Bürger aus Bielefeld, Bad Salzuflen oder Bad Oeynhausen. Aber "wir haben auch Antragsteller aus dem hohen Norden bis nach Bayern", sagt Graf zufrieden. Vor allem mit Blick auf die Nachfrage. Die ist auch nach all den Jahren noch kontinuierlich hoch, so der Amtsleiter: "Was wir erreichen wollten, haben wir erreicht." Dabei gehe es auch darum, den Wert von bereits bestehenden Immobilien zu schützen. Denn auf Neubaugebiete am Rande der Ortsteile verzichte Hiddenhausen seit der Projekteinführung. "Das heißt nicht, dass hier nicht auch gebaut wird", sagt Graf. Doch bei Neubauten werde auf Lücken innerhalb der bestehenden Quartiere gesetzt. Denn: "Jedes Haus das nicht gebaut wird, ist gut für den Klimaschutz."

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