Neubau oder Altbestand? Das ist Hiddenhausen beim Bauen wichtig

Hiddenhausen. Wohnraum fehlt überall in Deutschland. Vor allem in Ballungsgebieten. Doch auch kleine, ländliche Gemeinden wie Hiddenhausen sind längst keine Inseln der Glückseligkeit mehr. Mehr Häuser und Wohnungen müssen her. Allerdings ohne die Flächen zu sehr zu versiegeln. Eine Gratwanderung. "Unsere Philosophie ist, nicht in die Außenbereiche zu gehen, sondern die integrierten Standorte zu nutzen", sagt Alexander Graf, Leiter der Gemeindeentwicklung. Beim Blick auf die Karte von Hiddenhausen werden die Grenzen dabei schnell klar. "Wir haben nicht viele Neubaugebiete, aber das heißt nicht, dass wir gar keine haben." Graf zeigt zwei Bereiche in Schweicheln-Bermbeck unweit des Bahnhofs, die für Neubau vorgesehen sind. An der Herforder Straße gegenüber dem Edeka-Center will die PVS Projektgesellschaft drei Mehrfamilienhäuser bauen. Hier soll Senioren ein barrierefreies und vor allem bezahlbares Wohnen ermöglicht werden. Das Projekt passt in die Zeit. "Wir brauchen mehr Wohneinheiten, vor allem kleinere. Die fehlen am Markt, der Bedarf dafür ist da", sagt Graf und verweist auch auf die steigenden Energiepreise, die ihr übriges tun. Weg vom frei stehenden Einfamilienhaus Nur einen Steinwurf davon entfernt - am Alten Kirchweg - soll ein weiteres Neubaugebiet entstehen. Graf: "Hier fließen dann Kriterien zum Klimaschutz und soziale Aspekte mit rein." Im Bebauungsplan soll festgehalten werden, dass hier etwa nicht nur Einfamilienhäuser entstehen dürfen. Sondern auch Doppel- und Reihenhäuser aber auch öffentlich geförderte Mietwohnungen, so Graf: "Diese Kriterien haben wir bisher noch nie aufgeführt." Was alles möglich ist, hat Stadtplaner Dirk Tischmann vom Büro Tischmann Loh aus Rheda-Wiedenbrück im jüngsten Gemeindeentwicklungsausschuss aufgezeigt. Baugebiete müssen für Generationen gedacht sein. Tischmann appelliert, gemischte Nutzungsmöglichkeiten zu schaffen und von reinen Wohngebieten abzusehen. Auch sei es unerlässlich, auch die Grünflächen mit zu bedenken. Das sei nicht nur im Zuge der Starkregenereignisse wichtig, sondern trägt auch zur Wohnqualität bei. Ebenso die Standortfrage. "Gibt es eine gute ÖPNV-Anbindung? Das sollte die erste Frage sein, die man sich als Planer stellt. Nicht, gibt es genug Stellplätze", sagt Tischmann. Der Stadtplaner macht in seinem Vortrag aber auch deutlich, dass nicht jedes Konzept überall funktioniert. Individuelles Denken ist gefragt. Zurück zum Neubaugebiet an der Bahn. Vor mehr als 15 Jahren wäre eine Mischung der Gebäudearten fast undenkbar gewesen. Wer was auf sich hielt, baute frei stehend und groß. Doch aus Klimaschutzgründen sei das nicht optimal. Auch dass der Standort direkt oberhalb des Bahnhofs Schweicheln liegt und damit äußerst attraktiv ist, wäre einst undenkbar gewesen. "Früher wollte man lieber nicht an der Bahn leben", so Graf. Zu laut, zu unattraktiv. Heute punktet die Nähe zum ÖPNV. Jedes Haus, das nicht gebaut wird, ist das beste Haus Auch die neue Technik etwa bei Solarmodulen spiele neben den Gebäudearten und der Anbindung an den Nahverkehr eine immer größere Rolle beim Bau. "Der Klimaschutz hat Einfluss auf die künftige Baulandplanung", so der Leiter. So können Dank neuer Technik Gebäude jetzt ganz anders ausgerichtet werden - die Südausrichtung bei PV-Anlagen ist zum Beispiel überholt. Und da die Sommer immer heißer und länger werden, wird auch der Bau der Terrassen neu gedacht. "In den 60er- und 70er-Jahren war eine Süd- oder Südwestausrichtung selbstverständlich." Heute überlegen Bauherren Richtung Norden zu bauen, um im Garten nicht zu überhitzen. Für die Klimapolitik ist jedes Haus, das nicht gebaut wird, das beste Haus. Seit nunmehr 15 Jahren setzt die Gemeinde daher auf das Projekt "Jung kauft Alt" und hat damit einen Nerv getroffen und mit dem Erfolg viele Nachahmer geschaffen. Es ist ein Förderprogramm, das die Gemeinde auch in Zukunft lebendig halten soll, indem junge Familien gezielt beim Erwerb alter Immobilien unterstützt werden. "Damit stärken wir den Bestand und bestehende Quartiere", so Graf. Das passt zur Bauphilosophie der Gemeinde. Interessant sei das Programm auch im Zuge der Landflucht. Die Corona-Pandemie hat dazu beigetragen, dass es die Menschen verstärkt aus den Städten zurück aufs Land zieht. Nach Angaben von Graf spielt auch das Alter dabei eine Rolle: "Es ist eine Generationensache." Viele, die auf dem Land aufgewachsen sind, zum Studieren oder für die Ausbildung in die Städte gezogen sind, kommen wieder zurück. Das sei auch in Hiddenhausen verstärkt wahrnehmbar.

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