Vor acht Jahren in Hiddenhausen: "Ich denke jeden Tag an diesen Mord"

Hiddenhausen. Wenn ein Gewaltverbrechen öffentlich wird, zieht es die Aufmerksamkeit auf sich. Die Menschen wollen wissen, was geschehen ist und sind zugleich bestürzt und ohnmächtig. Doch irgendwann gehen sie wieder zu ihrem Alltag über, die Erinnerung an das Geschehen verblasst mit jedem Jahr, das vergeht. Die Opfer der Verbrechen bleiben dann zurück mit ihrer Trauer, ihrem Schmerz und ihren Fragen. Im August 2012 kam es in Hiddenhausen zum Mord an der damals 72-jährigen Inge R., die eine Pension an der Birkenstraße betrieb. Im Laufe der Ermittlungen der Polizei sollte sich der Berufskraftfahrer Dieter L. als Täter herausstellen, der in der Folge zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Im True-Crime-Podcast "Verbrechen von nebenan" des Radiojournalisten Philipp Fleiter ist kürzlich eine Folge erschienen, die sich mit dem "Hammer-Mord von Hiddenhausen" auseinandersetzt. Zu Wort kommt darin Sonja, die Enkelin der damals getöteten Frau. "Mein Gehirn löscht die Fakten des Falls" Zum einen wird in der Folge das Geschehen vor mehr als acht Jahren noch einmal chronologisch aufgearbeitet. Zum anderen geht es aber in erster Linie um das, was die Familie damals erleben musste und das, was sie noch heute zu erleiden hat. Sonja erklärt die Entscheidung, sich in einem Podcast zu dem Thema zu äußern, auch mit der Möglichkeit einer Aufarbeitung der Geschehnisse: "Mein Gehirn löscht die Fakten des Falls. Ich kann mir das noch so oft durchlesen oder selber dabei gewesen sein. Es bleibt nicht auf meiner Festplatte. Es ist dann einfach immer weg", nennt sie einen der Beweggründe. Die Podcast-Folge schafft mit Eindrücken der Enkelin und ihrer persönlichen Betroffenheit eine Perspektive auf die Ereignisse von damals, die über die sachlichen Fakten des Falls weit hinaus gehen. "Meine Oma war von Herzen Gastgeberin. Das war einfach ihr Ding. Sie war liebevoll, sie war großzügig und ehrlich. Sie war am glücklichsten, wenn ihre Familie glücklich war. Wenn wir zusammen waren: Das hat sie strahlen lassen", beschreibt Sonja ihre Großmutter. "Ich sehe mich auf dem Boden sitzen" Als der Mord passierte, sei sie in Nürnberg gewesen, wo sie zu der Zeit eine Ausbildung absolvierte. Die Nachricht aus der Heimat konnte sie zunächst nicht fassen: "Ich sehe mich auf dem Boden sitzen. Also ich konnte nicht mehr stehen. Ich habe es nicht geglaubt, ich habe einfach nur ,nein' gesagt, immer wieder ,nein' gesagt." Das kaum Fassbare erschüttert zu dem Zeitpunkt auch die Menschen in Hiddenhausen. "Als ich davon hörte, war ich so geschockt, dass ich nicht zur Arbeit gehen konnte... ich habe mich Zuhause eingesperrt", sagte damals eine Nachbarin gegenüber der Neuen Westfälischen. Kurze Zeit später galt Dieter L. als Hauptverdächtiger, der das Verbrechen stets abstritt, aufgrund erdrückender Beweise jedoch als Täter überführt wurde. Der Berufskraftfahrer hatte eine Zeit lang ein Zimmer bei Inge R. und ihrem Ehemann gemietet. In der Podacst-Folge wird auch das Leben und der Abstieg des Mannes beschrieben, der zum Mörder werden sollte. Ihre Oma habe Dieter L.vor ihrem Ehemann noch in Schutz genommen. Denn der Gast war schon vor der Tat mehrfach negativ aufgefallen. Sie habe eine "beschützende Art" gehabt, so die Enkelin. "Für mich hat sich nichts verändert" Nach dem Mord halfen dem damals Tatverdächtigen seine Alternativversionen nicht weiter. Er wird zu lebenslanger Haft verurteilt. Allerdings gesteht er die Tat nie ein, was für die Familie von Inge R. die Situation nicht leichter macht. "Es ist eine gewisse Ungewissheit am Ende. Es sind ein paar Sachen, die ich gerne wüsste und die er für sich behält. Ich finde ungerecht, dass er das darf. Ich würde gerne wissen, ob die noch einen Wortwechsel hatten. Ich würde gerne wissen, ob die sich in die Augen geschaut habe", so Sonja. Ihr Opa sei heute immer noch nicht glücklich. "Aber er hat das Beste draus gemacht", erklärt sie, wie sich die Situation nach mehr als acht Jahren darstellt. Eine weitere Zumutung habe die Familie erleben müssen, als Dieter L. ihnen aus dem Gefängnis heraus einen Brief zukommen ließ. Anstelle einer Entschuldigung habe der jedoch nur Anschuldigungen enthalten. Der Enkeltochter bleibt die Sorge, dass der verurteilte Mörder eines Tages frei kommt. Er sei ein Mensch, der keine Verantwortung für seine Taten übernehme. Sonja bezeichnet sich als fröhlichen Menschen. "Aber ich denke jeden Tag an diesen Mord, an meine Oma." Die Verletzungen sind über die Zeit geblieben: "Es ist acht Jahre her. Für mich hat sich nichts verändert. Ich bin genau so sprachlos, so schockiert, dass uns das passiert ist. Ich weiß von meiner Familie, dass es einem die Luft raubt."

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