Verantwortung über Parteigrenzen hinaus ist ihm am wichtigsten

Oetinghausen. Manchmal fragt man sich, wer die wahren Grünen sind: Diejenigen, die mit hehren Zielen das Weltklima retten wollen? Oder diejenigen, die hinter ihrem Haus Hühner auf der saftig-grünen Wiese laufen lassen, ihnen ein gutes Leben ermöglichen und täglich ein gesundes Ei frühstücken, weil die sie genug von Massentierhaltung haben. Erwin Steffen ist einer von zwei stellvertretenden Bürgermeistern, Ratsmitglied der CDU, Fraktions- und Gemeindeverbandsgeschäftsführer seiner Partei und gehört zur zweiten Kategorie. Wie kam es dazu? “Ich habe mich vor einigen Jahren ganz fürchterlich über die Hühnereier-Skandale geärgert und darüber, dass in den Eiern das Insektizid Fipronil gefunden wurde”, sagt Erwin Steffen. “Dann habe ich mir zwei Hühner gekauft und langsam angefangen, damit ich und meine Frau gesunde Frühstückseier auf den Tisch bekommen.” Seitdem sind eine ganze Menge Hühner dazugekommen, die munter in Steffens Garten in Oetinghausen am Steinbecker Weg gackern. Erwin Steffens Familie ist seit rund 400 Jahren fest in Oetinghausen verwurzelt. Er selbst sitzt für die CDU im Rat und war der erste CDU-Kandidat, der gegen Bürgermeister Ulrich Rolfsmeyer um das Bürgermeisteramt antrat. Das war im Jahr 2004. Rolfsmeyer gewann und regiert seit vier Amtsperioden durch. Jetzt, 16 Jahre später, stellt die CDU Erwin Steffens Nachbarn - Ulrich Hempelmann - auf, der quer übers Feld wohnt. Wie sieht er dessen Chancen? “Ich denke, die SPD wird einiges an Stimmen verlieren. Gleichzeitig hoffe ich, dass diese Stimmen zu unserem Kandidaten wandern.” Verantwortung für alle Bürger der Gemeinde Steffen ist einer der wenigen Menschen in der Gemeinde, die oft über alles Wesentliche informiert sind. Er und Monika Schwannecke sind stellvertretende Bürgermeister. Wie Bürgermeister Rolfsmeyer vor einigen Wochen der Neuen Westfälischen Zeitung sagte, haben die drei einmal pro Monat eine Besprechung unter sechs Augen, in der sie alles Wichtige vertraulich austauschen: “Ich denke, diese Runde ist eines der Erfolgsgeheimnisse von Hiddenhausen. Denn wir sprechen über die Parteigrenzen hinaus über Dinge, die für die Gemeinde wichtig sind.” Mehr möchte er dazu nicht sagen. Er ist diskret. Aber man spürt, dass Verantwortung gegenüber allen Bürgern - egal aus welchem Dorf und von welcher politischen Farbe - für ihn höchste Priorität hat. Die stellvertretenden Bürgermeister sind übrigens nicht gleichzusetzen mit den allgemeinen Bürgermeistervertretern: “Darum gibt es oft Verwirrung, vielleicht können wir das ja mal ein bisschen aufklären?” Können wir. “Der allgemeine Bürgermeistervertreter, Kämmerer Andreas Frenzel, leitete die Verwaltung, wenn der Bürgermeister nicht da oder nicht handlungsfähig ist”, sagt Steffen. “Monika Schwannecke und ich würden Ulrich Rolfsmeyer in so einem Fall als Vorsitzende des Gemeinderats vertreten. Sie ist erste Vertreterin, weil die SPD die größte Fraktion im Rat stellt.” Was sind seiner Ansicht nach die zukünftigen Herausforderungen für die Gemeinde Hiddenhausen? “Gerade wirtschaftlich hängt sicher einiges davon ab, wie sich Corona entwickelt. Wenn unsere Firmen weniger produzieren und verkaufen, bekommt die Gemeinde weniger Gewerbesteuern und hat finanziell weniger Spielraum.” Aber Hiddenhausen sei in wirtschaftlich in einer guten Position: “Große Firmen wie Peter Lacke, Remmers, Heckewerth, Sokratherm und Stiegelmeyer investieren massiv in den Standort. Darüber können wir uns freuen. Denn es schafft auch Arbeitsplätze.” Gesellschaftlich komme es darauf an, vor allem den nachbarschaftlichen Zusammenhalt zu stärken: “Immer weniger Menschen gehen in Vereine oder engagieren sich in politischen Parteien. Die Individualisierung schreitet auch bei uns auf den Dörfern voran”, sagt Steffen. “Ich denke, es wäre gut, gerade auch Menschen, die zum Beispiel durch Jung kauf Alt aus Städten zu uns ziehen, ein bisschen etwas vom Gemeindeleben in den Dörfern näherzubringen, das sie aus Städten vielleicht nicht kennen.” Wer Harmonie sucht, gehört in einen Gesangsverein Und dann erzählt er eine etwas traurige Geschichte: “Ich habe einen Besuch bei einer Familie gemacht. Die ältere Dame des Hauses ging zur Tür, und auf einmal gab es eine relativ laute verbale Auseinandersetzung. Die Dame kam geschockt zu uns zurück.” Was war passiert? “Sie hatte das Postpaket einer jungen Nachbarin entgegengenommen, die aus der Stadt gerade zugezogen war. Und die junge Frau hat sich fürchterlich über die Paketannahme aufgeregt.” Erwin Steffen kennt solche emotionalen Aufwallungen: “Als Bürgermeistervertreter gehen wir ja zu allen möglichen Veranstaltungen, und da lassen die Menschen durchaus schon mal ihren Frust an uns aus.” Deswegen hält er es mit einem Zitat des verstorbenen CDU Politikers Norbert Blüm: “Politik und Parteipolitik ist ein Ringkampf, und wer Harmonie sucht, muss in einen Gesangverein gehen”, sagt Erwin Steffen. Wie sich das in Oetinghausen anfühlt weiß er selbst nur zu gut. “Ich bin hier ja umzingelt”, sagt er. “Rundherum überall SPD-Kandidaten.” Und dann mit einem kleinen Wahlkampf-Seitenhieb auf die roten Mitbewerber: “Früher sagte man: Die Oetinghauser Heide ist so rot, die brennt!” Und dann lacht er. Erwin Steffen war lange in der Freiwilligen Feuerwehr. Am 13. September tritt er bei der Kommunalwahl wieder zum Löschen an.

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