Insolvenz in Eigenverwaltung für Brigitte-Küchen

Hiddenhausen. Die rund 330 Beschäftigten haben es am Montagnachmittag in einer Mitarbeiterversammlung von ihrem neuen Chef persönlich erfahren: Der Berliner Investor Steffen Liebich hat mit seiner Kairos Industries AG am vergangenen Donnerstag das angeschlagene Unternehmen Brigitte-Küchen H. Frickemeier Möbelwerk GmbH im Industriegebiet Bustedt gekauft, um es zu sanieren. So hat es Gewerkschaftssekretär Frank Branka von der zuständigen IG Metall aus Mitarbeiterkreisen erfahren. Liebich ist seit vergangenem Freitag Geschäftsführer bei Brigitte. Das Traditionsunternehmen hat außerdem beim Amtsgericht Bielefeld die Einleitung eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung beantragt. Dem Antrag wurde stattgegeben. Ein Insolvenzverwalter wird in diesem Fall nicht bestellt. Das geht aus einer Presseinformation des Unternehmens vom Dienstagnachmittag hervor. Die Geschäftsführung war im Anschluss nicht mehr telefonisch zu erreichen. Mitarbeiter sollen Insolvenzausfallgeld erhalten "Das Verfahren ist äußerst unüblich", meint der Gewerkschafter, der von Liebich als "hartem Sanierer" gehört hat. Den Mitarbeitern sei mitgeteilt worden, dass ihnen Insolvenzausfallgeld bezahlt werde und sie sich keine Sorgen um ihre Löhne machen müssten. Bei Brigitte gilt derzeit ein mit der Gewerkschaft ausgehandelter Sanierungstarifvertrag. Frank Branka wünscht sich, dass sich Geschäftsführung und IG Metall noch in dieser Woche "an einen Tisch setzen". Das Verfahren ermögliche der Gesellschaft, ein Sanierungs- und Zukunftskonzept zu entwickeln, heißt es in der Pressemitteilung. Während des Verfahrens könne der Betrieb normal und in Eigenverantwortung der Geschäftsführung fortgeführt werden. Das Unternehmen sei vor Zwangsvollstreckungsmaßnahmen weitgehend geschützt. "Die Geschäftsführung strebt die Erstellung eines Insolvenzplans und die Umsetzung umfangreicher Sanierungsmaßnahmen an ", heißt es weiter, ohne konkreter zu werden. "Ziel ist langfristiger Fortbestand des Unternehmens" Nach eingehender Prüfung sei man zur Überzeugung gekommen, dass das Verfahren die beste Möglichkeit sei, die Sanierung im Interesse von Lieferanten, Kunden, Mitarbeitern und Gläubigern erfolgreich durchzuführen. Den Ausschlag haben demnach die Entwicklung des Marktes und die Auswirkungen der Corona-Krise gegeben. Ziel sei es, "den nachhaltigen und langfristigen Fortbestand des Unternehmens" zu sichern. Der Geschäftsbetrieb werde regulär fortgesetzt. Man sei weiterhin zahlungsfähig, könne weiter produzieren und den Lieferverpflichtungen gegenüber den Kunden "ohne Einschränkungen" nachkommen. Als vorläufigen Sachwalter für die Gesellschaft hat das Amtsgericht den Bielefelder Rechtsanwalt Frank Kebekus bestellt, teilt das Unternehmen mit. Er überwache im Interesse der Gläubiger das Verfahren und die Erstellung des Sanierungsplans. Die Geschäftsführung lässt sich von der auf Unternehmenssanierung spezialisierten Rechtsanwaltskanzlei Ludwig Wöhren Schwewtschenko (LWS) aus Hamburg vertreten. Kairos Industries sitzt am Kurfürstendamm. Auf der eigenen Homepage bezeichnet man sich als Industrieholding für Sondersituationen und Spezialist unter anderem für die Übernahme und operative Begleitung von deutschen Mittelstandsunternehmen. Kairos sei auf ein langfristiges unternehmerisches Engagement ausgerichtet und investiere nur eigene Finanzmittel. Zu den Sondersituationen zählt man unter anderem strategische Krisen, eine schwierige Nachfolge und vorübergehende Ertragsschwäche und Regelinsolvenzen. Mit schnellem Wachstum übernommen Für 2019 hatte das Traditionsunternehmen Brigitte noch mit wachsenden Umsätzen gerechnet. Ziel waren 60 Millionen Euro. Das Unternehmen war 2018 mit dem überstürzten Versuch in Schieflage geraten, Marktanteile von Alno/Wellmann zu erobern. Dafür wurden 150 Wellmann-Mitarbeiter übernommen. Auch die Umstellung auf neue Standardmaße verlief nicht reibungslos. Der Geschäftsführer musste gehen und Firmenpatriarch Rolf Frickemeier übernahm mit 86 Jahren mit einem Team selbst wieder die Leitung, um eine Restrukturierung einzuleiten.

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