Umweltschutz

Nach mehr als 40 Jahren: Der Vorsitzende des Naturschutzbeirats im Kreis Herford hört auf

Ullrich Richter hat in mehr als 40 Jahren bei vielen Projekten im Kreis Herford mitgesprochen. Rund 7.500 Mal wurde der Beirat nach seiner Meinung gefragt.

Ulrich Richter beendet seine Mitgliedschaft im Naturschutzbeirat des Kreises. Auch er die Bank in seinem Garten nun häufiger nutzen kann -- auch in Zukunft wird der 71-Jährige arbeiten und sich ehrenamtlich engagieren. | © Corina Lass

Corina Lass
24.11.2025 | 24.11.2025, 16:22

Kreis Herford. An die warmen, wertschätzenden Worte, die Ullrich Richter seinem Vorgänger, Udo Busse, mitgegeben hat, kann sich Bernd Gurschinski gut erinnern. Er habe sich gefragt, wie es wohl sein werde, wenn der Vorsitzende des Naturschutzbeirats beim Kreis Herford ihn einmal verabschiede, sagte er und sorgte damit für herzliches Gelächter im Beirat. Denn Gurschinski ist sehr viel jünger als Richter.

Das Gremium sei für ihn einfach mit dem Vorsitzenden verbunden gewesen, sagte Gurschinski. Mit 71 Jahren hatte Richter im Frühjahr angekündigt, aus dem Beirat auszuscheiden. Der Landschaftsbau-Ingenieur prägte das Gremium mehr als 40 Jahre „mit Fachwissen, mit Leidenschaft und mit einem klaren Blick für das, was wirklich zählt“, sagte Gurschinski.

Als er die Amtsleitung Umweltschutz übernommen habe, „hast du mich herzlich aufgenommen und geduldig eingeführt – in die Themen, die Abläufe und die oft komplexen Zusammenhänge“, so Gurschinski. Vor allem bildete Richter aber Vertrauen. Unter seiner Leitung habe der Beirat viele wichtige Themen vorangebracht. „Dabei hat dich immer die offene und konstruktive Zusammenarbeit mit allen Beteiligten ausgezeichnet.“

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Immer nach dem richtigen Weg gesucht

Richter habe nie den einfachen Weg gesucht, sondern immer den richtigen. „Du hast dabei eine Atmosphäre geschaffen, in der sich alle ernst genommen fühlten. Auch wenn die Diskussionen manchmal hitzig waren – am Ende haben wir immer einvernehmliche tragfähige Lösungen gefunden.“

Die Mischung aus Kompetenz, Gelassenheit und die Begeisterung für den Naturschutz – „das wird uns sehr fehlen“. Mit stehendem Applaus bekräftigte der Beirat die Worte des Amtsleiters, während Richter das Wasser in den Augen stand und er – mehr vor sich hin als zu Gurschinski – sagte: „Ja, so war das.“ Er habe es stets als großes Privileg empfunden, diesen, mit höchster Kompetenz von den Verbänden besetzten Beirat, vertreten zu dürfen, so Richter.

Der Diplom-Ingenieur Richter war bei der Stadt Bielefeld zunächst bei der Landschaftsbehörde, hat dann den Fachbereich Gewässerökologie aufgebaut und geleitet. Danach arbeitete er als Leiter der Grünflächenplanung und -unterhaltung. Schließlich gründete er die Friedhofs- und Krematorien-GmbH mit privaten Bestattern als kommunal-private Einrichtung und wurde ihr Geschäftsführer.

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Bauschutt als Uferbefestigung für die Werre

Seit 1984 gehörte er dem Naturschutzbeirat an, seit 1990 als Vorsitzender. Mit rund 7.500 Beteiligungsprojekten hatte er in dieser Zeit zu tun: Vor allem die Großprojekte sind eine Herausforderung, darunter die Verlängerung der B 239n, das Interkommunale Gewerbegebiet in Hiddenhausen und Kirchlengern, Wehr-Rückbauten, die Errichtung von Flächen-PV-Anlagen, die geplante ICE-Trasse.

In den rund 250 Beiratssitzungen konnte Richter stets berichten, was die Beteiligten zum Thema zu sagen hatten. Meist hatte er sich die Situation am Ort schon selbst angesehen. Im NW-Gespräch erinnert er sich noch gut, was ihn anfangs beschäftigte: verrohrte Gewässer, Bauschutt als Uferbestigung der Werre. „Da bin ich zur Höchstform aufgelaufen“, sagt er. Ergebnis: Die Bezirksregierung erließ eine Rückbauverfügung. Das habe die Kreisverwaltung nicht amüsiert.

Heute sind die Diskussionen ruhig und sachlich mit allen Beteiligten, erzählt Richter. Das lag vor allem an ihm selbst: Wenn gegen Personen gehetzt wurde, argumentierte der vierfache Vater sachlich. Persönliche Angriffe waren nicht sein Stil. In Gesprächen mit Unternehmen – beispielsweise über Parkflächen – brachte er eigene Ideen ein, weil er aus Erfahrung wusste: „Man kann auch flächenschonender bauen.“

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„Manche Dinge ließen sich nicht abwenden“

Und auch die Naturschützer, die Vorhaben abgelehnten, damit aber womöglich einen umweltschädlichen Neubau außerhalb des Kreises provoziert hätten, konnte er überzeugen. „Manche Dinge ließen sich nicht abwenden. Dann habe ich versucht, die beste Lösung rauszuholen“, sagt Richter, der von 1999 bis 2014 für die Grünen – ohne Parteibuch – im Kreistag saß und von 2006 bis 2014 ihr Fraktionschef war.

Seine Möglichkeiten nutzte er auch im Hintergrund, handelte etwa eine Etaterhöhung für den Naturschutz bei einer Autofahrt heraus. Zu tun gibt es aber weiterhin genug. Ein Beispiel: Die Weltbiodiversitätskonferenz fordert 30 Prozent der Landfläche als Naturschutzgebiete. Der neue Regionalplan sieht 20 Prozent vor. Im Regierungsbezirk Detmold liegt die Naturschutzfläche bei 8,3 Prozent, im Kreis Herford bei 3,8 Prozent. „Wir sind völlig unterversorgt“, sagt Richter.

Die Regionalplan-Verantwortlichen argumentierten damit, dass sie ja nur Potenzialflächen ausgewiesen haben, die nicht bebaut werden müssten. „Volliger Unsinn“, sagt Richter, „die Flächen sind für andere Nutzungen, etwa den Naturschutz, gesperrt.“ Die Naturschutzverbände klagen dagegen. Der Landschaftsplan müsse schnellstens kommen, vor allem wegen des existenzbedrohlichen Artensterbens, sagt Richter.

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Richter engagiert sich auch weiterhin

Dieser Plan legt Ziele und Maßnahmen zum Schutz und zur Entwicklung von Natur und Landschaft fest. Die Gesetzgeber haben bisher erfolglos auf Freiwilligkeit gesetzt. Die EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur verpflichte sie nun, 20 Prozent der geschädigten Land- und Meeresflächen bis 2030 und alle geschädigten Ökosysteme bis 2040 vollständig wiederherzustellen. „Aber noch immer werden Flächen in der Größe von 15 Fußballfeldern täglich versiegelt.“

Außer dem Vorsitzenden (r.) verlassen vier weitere Mitglieder den Naturschutzbeirats, zudem eine Reihe stellvertretende Mitglieder. Geehrt für 25-jährige Zugehörigkeit zum Gremium wurden Doris Eichholz und Bernd Meier. - © Corina Lass
Außer dem Vorsitzenden (r.) verlassen vier weitere Mitglieder den Naturschutzbeirats, zudem eine Reihe stellvertretende Mitglieder. Geehrt für 25-jährige Zugehörigkeit zum Gremium wurden Doris Eichholz und Bernd Meier. | © Corina Lass

Seit sieben Jahren ist Richter im (Un)-Ruhestand – und bundesweit mit seinem eigenen Planungsbüro tätig. „Nur Rumsitzen wollte ich nicht.“ Die Arbeit verbindet er oft mit Sightseeing in den Orten seiner kommunalen und privaten Auftraggeber, die in der Regel technische Gutachten, Organisation- oder Grünplanungen von ihm wollen. Zudem bleibt er Sprecher der Naturschutzverbände bei der Bezirksregierung.

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