Herford. Er überlebte zwar den Holocaust, war danach aber ein gebrochener Mann. Die Rede ist von August Schröder (1912 – 1962). Weil er nicht für die Rüstungsmaschinerie des Dritten Reichs arbeiten wollte, kam er in KZ-Haft. Seit dem vergangenen Wochenende erinnert ein Stolperstein an sein Schicksal.
Bereits deutlich mehr als 100 dieser stillen Mahnmale sind mittlerweile in Herford zu finden. Goldene Messingquader – zumeist in Gehwegen eingelassen – werfen ein Schlaglicht auf die Menschen, die von den Nationalsozialisten vor rund 90 Jahren verfolgt, deportiert und zumeist ermordet worden sind.
Ein Stein leuchtet nun auch an der Diebrocker Straße, in Höhe der Hausnummer 49. Das Besondere daran: Erstmals ist ein Stolperstein auf besonderen Wunsch einer Hinterbliebenen verlegt worden.
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Enkelin erforschte Schröders Schicksal
Rund 30 Menschen haben sich am vergangenen Samstagmittag auf dem Bürgersteig – nur einen Steinwurf von der Radewiger Grundschule entfernt – versammelt. Dort stand einst das Wohnhaus, in dem August Schröder zuletzt gelebt hatte, bevor er 1941 von den NS-Schergen inhaftiert wurde. Unter den Anwesenden ist auch seine Enkelin Melanie Schröder. Die 36-Jährige hatte den Anstoß für den Stolperstein für ihren Großvater gegeben, war für die Verlegung des Mini-Mahnmals eigens aus Berlin angereist.
Eher zufällig war sie auf die tragische Geschichte ihres Opas aufmerksam geworden. „Ich war über eine Ahnenseite im Internet darauf gestoßen. Ein knappes Jahr habe ich in verschiedenen Archiven weitergeforscht, dann kam sein ganzes Schicksal zutage“, erklärt die gebürtige Lemgoerin im Gespräch mit der NW.
So hatte August Schröder 1941 die Arbeit in dem damals auf Rüstungsbetrieb umgestellten Unternehmen „Steuber & Lohmann“ (später Sulo) verweigert. In der Folge war er als „arbeitsunwillig“ und „asozial“ stigmatisiert in verschiedenen Konzentrationslagern inhaftiert worden – in Neuengamme, Dachau, Auschwitz, Flossenbürg. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs kehrte er dann nach Herford zurück.
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Darum wurde August Schröder nie entschädigt
Aus seiner Wiedergutmachungsakte geht jedoch hervor, dass er nach der Haft stark körperlich beeinträchtigt und auf dem linken Auge so gut wie blind war. Laut den Unterlagen wurde er aus seiner Notlage dann mehrmals straffällig, unter anderem wegen Essensdiebstählen. Durch darauf folgende Haftstrafen wurden ihm die Bürgerrechte aberkannt, weshalb er nie eine Entschädigung vom Amt für Wiedergutmachung für seine KZ-Haft bekommen hat. „Der Antrag auf Anerkennung als politisch Verfolgter wird abgelehnt“ heißt es kurz und knapp in einem entsprechenden offiziellen Schriftstück vom 27. November 1952.
Fakt ist auch: August Schröder gründete in Herford eine neue Familie, verlor mehrfach seinen Wohnsitz und lebte teilweise in Notunterkünften. Er entwickelte Verfolgungsgedanken, wurde psychisch krank. Aus seiner Krankenakte geht hervor, dass er Angst hatte, wieder ins KZ gebracht zu werden, oder dass er und seine Familie zu Hause vergast würden. Er starb schließlich 1962 in der psychiatrischen Heilanstalt Gütersloh mit nur 49 Jahren.
„Mein Großvater hat nie eine Entschädigung für das Leid bekommen, das ihm angetan wurde. Daher war es mein Wunsch, dass jetzt zumindest ein Stolperstein an ihn erinnert“, so Melanie Schröder. Die Berlinerin nahm daher Kontakt zum Kuratorium „Erinnern Forschen Gedenken“ aus Herford auf, das alles Weitere in die Wege leitete – bis hin zur Verlegung des Mini-Mahnmals an der Diebrocker Straße.
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