Radwege und Klimaschutz: Das plant der Bürgermeisterkandidat der Grünen für Herford

Herr Vendramin, was qualifiziert Sie aus Ihrer Sicht besonders für das Amt des Bürgermeisters? Warum sollten die Wählerinnen und Wähler ausgerechnet Ihnen ihre Stimme geben? Claudio Vendramin: Ich habe in mehr als einem Jahrzehnt viel Erfahrung in der Ratsarbeit gesammelt, ich bin mit Verwaltungsarbeit vertraut – und traue mir die Aufgabe, Bürgermeister zu sein, zu! Mit festem Willen möchte ich gemeinsam mit den Bürgern die Zukunft unserer Stadt aktiv gestalten. Es ist aber eher davon auszugehen - gemessen am Ergebnis der letzten Kommunalwahl, bei der die Grünen 9 Prozent erreicht haben -, dass kein grüner Bürgermeister auf dem Chefsessel des Rathauses in der Werrestadt Platz nehmen wird. Warum treten Sie dennoch an? Um die wichtigen Ziele unserer Partei bekannter zu machen. Denn: Hat man keinen Kandidaten, wird man nicht zu Diskussionsrunden und Ähnlichem eingeladen. Und: Herbert Even, der inzwischen verstorben ist, hatte schon beim letzten Mal gesagt, dass ich nun dran sei. Ich setzte mich gerne für Herford ein. Also angenommen, Sie und Ihre Partei erhalten die absolute Mehrheit. Was würden Sie als Erstes umsetzen? Ganz klar: Ich würde das Klima in unserer Stadt verbessern. 1,5 Grad Klimaerwärmung - und dabei wird es nicht wohl bleiben. Die Folgen des Klimawandels sind auch in Herford zu spüren. Schon jetzt ist es so, dass bis zu 1.200 Häuser in Herford unter Wasser stehen, wenn es in Bielefeld massiv regnet. Das Wasser kommt dann über die Aa zu uns. Wenn wir nicht reagieren, wird das Klima zu einer existenziellen Last für die Zukunft. Ich würde im Falle einer absoluten Mehrheit auf ein Bündel an Maßnahmen setzen: Wehre ertüchtigen, Bäume erhalten, für Trinkwasser in der Fußgängerzone sorgen und Herford insgesamt klimaresilient machen. Lesen Sie auch: Platz zu Ehren von Herforder Grünen-Politiker: Gesunde Bäume sollen gefällt werden Bleiben wir beim Thema. Klimaschutz und Klimaresilienz in der Stadt - welche Maßnahmen ließen sich hier aus Ihrer Sicht relativ schnell umsetzen? Da bei uns eine Energieautarkie nicht über Windräder allein funktionieren wird, sollten Photovoltaik-Anlagen auf allen neuen städtischen Gebäuden installiert werden, die Bestandsimmobilien sollten nachgerüstet werden. Außerdem sollten wir nachhaltiger bauen. Apropos nachhaltiger bauen: Sie sind Geschäftsführer eines Re-Use Betriebes und im Vorstand des bundesweiten Vereins Re-Use Deutschland. Sie bringen daher jahrzehntelange Erfahrung in Sachen Kreislaufwirtschaft mit. Wie wollen Sie diese Expertise als Bürgermeister ganz konkret nutzen? Wir müssen recycelbare Baustoffe einsetzen. Die neue Geschwister-Scholl-Schule auf dem Bildungscampus soll voraussichtlich mit Holz errichtet werden. Das ist sinnvoll! Wir dürfen nicht nur über energetische Sanierung und Dämmung sprechen, sondern müssen den Fokus auf wiederverwertbare Materialien legen, die auch gut verträglich sind. In vielen Gebäuden wird heute Linoleumkleber genutzt. Was viele nicht wissen: Er enthält sogenannte Ewigkeitsstoffe (PFAS), die frühestens in 100.000 Jahren abgebaut werden, giftig und krebserregend sind. Bauordnungen müssten zukünftig vorgeben, dass solche Stoffe bei neuen Gebäuden nicht mehr eingesetzt werden dürften – zum Schutz der Umwelt, aber auch der Bürger. Herford kämpft wie viele Städte mit Wohnungsnot. Wie wollen Sie diese vielschichtigen Herausforderungen als Bürgermeister angehen? Da gibt es mehrere Ansatzpunkte. Wir müssen Wohnungen im Bestand schaffen. In der Innenstadt gibt es einige Gebäude, die nicht bewohnt sind. Man muss da mit den Vermietern ins Gespräch kommen, damit die Preise runtergehen. In Altbauten muss investiert werden, sonst zieht niemand dort ein – eben auch kein Geschäft. Zudem muss sich die Stadt auch um Neubauten kümmern – beispielsweise im Bahnhofsviertel oder an den Kasernen, wo das teilweise bereits geschieht. Neubaugebiete auf dem freien Feld lehnen wir wegen der Flächenversiegelung allerdings ab. ÖPNV und bessere Infrastruktur für Fahrradfahrer haben Sie in Ihrem Wahlprogramm als wichtige politische Themen benannt. Was soll sich konkret unter Ihrer Regie verändern? Wir brauchen vor allem eine ausreichende Infrastruktur und eine, die Radfahren ungefährlich macht. In Amsterdam ist das beispielsweise der Fall, obwohl viel auf den Straßen los ist. Auf das Verkehrsmittel, dem man entsprechenden Raum gibt, werden mehr Menschen umsteigen. Investiert man in Straßen, fördert das den Autoverkehr, gibt man das Geld für Fahrradwege aus, steigert das die Zahl der Radler. Ich selber fahre meist mit dem Rad zur Arbeit. Ok, die Strecke ist auch überschaubar kurz. In Herford selber fahre ich nicht mit dem ÖPNV, überregional aber immer. Lesen Sie auch: Wie Herbert Even bei den Herforder Grünen fehlt - und wie es dennoch weitergeht Die Stadt hat bereits einiges für Radfahrer getan. Da sind beispielsweise die Fahrradboxen, die aber oft leer stehen und schon den Standort wechseln mussten. Wir hier eher Aktionismus betrieben? Gäbe es andere Dinge, die Sie stärker vorantreiben würden? Nein, das ist absolut richtig. Man muss hier auch einfach ausprobieren, um voranzukommen, und entsprechend verschiedene Angebote machen. Man muss den Leuten Zeit lassen, sich an die neuen Angebote zu gewöhnen. Außerdem: Die Stellboxen können verschoben werden, wenn sie an einer Stelle nicht gut angenommen werden. Man muss Plätze für Räder schaffen. Wo ein Auto parkt, da hätten zehn Räder Platz. Nicht alle setzten aufs Rad Was ist mit dem E-Scooter-Trend? Muss die Politik hier mehr Fokus drauf legen, weil immer mehr junge Leute damit unterwegs sind? Das kann ich nicht so genau sagen. Gerade mit E-Bikes hat das Radfahren stark - vor allem auch bei Älteren - zugenommen. Wichtig bei dem E-Scooter wäre aber, dass die Roller nicht auf Gehwegen liegen und eine Gefahr für Menschen, vor allem für die mit Handicap, darstellen. Sie werben für &bdquo;echte Bürgerbeteiligung – nicht erst dann, wenn alles entschieden ist“. Können Sie konkrete Beispiele nennen, wie Bürgerbeteiligung aussehen kann? In ganz vielen Dingen, mit denen sich Politik befasst, sind Bürger direkt betroffen. Wir müssen Politik für sie erfahrbar machen, dafür müssen sie mitwirken können. Ich denke da zum einen an Bürgerversammlungen - und zwar bevor etwas entschieden ist. Außerdem müssen wir uns überlegen, wie wir noch mehr Bürger erreichen können, damit Argumente ausgetauscht werden können. Social Media ist sicher eine weitere Möglichkeit neben Tageszeitungen und Amtsblättern. Entscheidungen müssen so breit wie möglich kommuniziert werden. Wir müssen junge Leute ansprechen, in Schulen gehen, aber auch Bürgersprechstunden anbieten. Ich finde auch, dass das Abschalten des Rats-TV ein Fehler war. Auch wenn nur 60 bis 80 Bürger die Sitzung live verfolgen, sind das weit mehr als in den Ratsaal passen. Ebenfalls interessant: Besseres Klima in der Herforder City: Grüne Dachoase soll die Temperatur im Sommer senken Letzte Frage: Kommunalpolitik bringt oft Stress und schwierige Entscheidungen mit sich. Wie gehen Sie mit Drucksituationen, in die Sie als Bürgermeister sicher immer wieder geraten, um? Wichtig ist es in solchen Situationen, ruhig zu bleiben und vor allem auch einen Ausgleich zu haben. Ich bin Musiker und spiele zur Entspannung Trompete und Tuba, arbeite auch gerne im Garten. Nach solch einer Entspannungsphase kann ich dann bei der Arbeit wieder voll durchstarten. 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Herford

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