Hohe Gefährdungslage in Herford: Synagoge mehrere Wochen geschlossen

Herford/Düsseldorf. Die Synagoge der jüdischen Gemeinde Herford-Detmold war für mehrere Wochen geschlossen – aus Angst. Angst vor antisemitischen Übergriffen. Angst vor fehlendem Schutz. Angst vor der eigenen Sichtbarkeit. Der Zustand der sicherheitstechnischen Einrichtungen sei &bdquo;nicht mehr tragbar“, warnte Gemeindevorsitzender Matitjahu Kellig im Gespräch mit der NW. Und obwohl die Lage bekannt ist, reagiert das Land NRW behäbig. Die vorübergehende Schließung, sei vor dem &bdquo;Hintergrund einer angespannten weltpolitischen Lage und in Sorge um das Wohlergehen der Gemeindemitglieder getroffen worden. Kellig hat Mitte Juni daraus Konsequenzen gezogen, diese aber darüber hinaus auch damit begründet, dass seit Jahren als notwendig angeratene zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen bis dahin nicht umgesetzt worden seien. Es sei eine Situation erreicht gewesen, die er weder weiter ertragen wolle, noch verantworten könne. Tatsächlich ist die Lage problematisch: Das Zugangstor zur Synagoge sei seit Monaten defekt, ein rollbarer Bauzaun dient als provisorische Barriere. Ein Zustand, den jeder Spaziergänger an der Komturstraße bestätigen kann. Auch die weitere Sicherheitstechnik sei veraltet, heißt es aus der Gemeinde. Die Polizei bewacht die Synagoge rund um die Uhr. Doch einen technischen Basisschutz – wie er bundesweit als Mindeststandard für jüdische Einrichtungen gilt – gibt es offenbar in Herford nicht. Politiker setzen sich für Synagoge ein Seit vier Jahren dringt Kelling auf eine Verbesserung der Sicherheit an der Synagoge, führte Gespräche mit dem Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW (BLB), dem Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung (MHKBD) sowie der Kreispolizei Herford. Auch die heimischen SPD-Landtagsabgeordneten Christian Dahm und Bürgermeister Tim Kähler haben sich mittlerweile eingeschaltet und eigene Schreiben aufgesetzt. Darin appellieren sie unter anderem an Ministerpräsident Hendrik Wüst und Medienminister Nathanael Liminski. &bdquo;Die Gemeinde lebt mit einem Gefühl der ständigen Unsicherheit“, heißt es in einem Schreiben von Bürgermeister Tim Kähler. Und weiter: &bdquo;Trotz wiederholter Bitten und Hinweise sind die Schutzvorkehrungen nach wie vor unzureichend.“ Kähler erinnert an die historische Verantwortung: &bdquo;Es darf nicht sein, dass Jüdinnen und Juden sich in ihren Gotteshäusern oder auf dem Weg dorthin fürchten müssen.“ Er fordert nicht nur materielle Hilfe und bauliche Maßnahmen, sondern auch ein klares politisches Signal der Solidarität. Lesen Sie auch: Sicherheit nicht mehr gewährleistet: Herforder Synagoge wird geschlossen Das sagen Innenministerium und Polizei Das NRW-Innenministerium erklärte auf Anfrage dieser Redaktion, es liege &bdquo;keine konkrete Gefährdungslage“ für die Herforder Synagoge vor, auch wenn eine &bdquo;abstrakt hohe Bedrohung“ landesweit bestehe. &bdquo;Die Kreispolizeibehörde Herford gewährleistet dennoch einen durchgehenden Schutz der Einrichtung“, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme. Weitere Angaben zur Technik oder zum Zustand des Tors lehnt man mit Verweis auf &bdquo;einsatztaktische Gründe“ ab. Für Kellig ist die Sicherheitslage nicht länger tragbar. Die Polizei hingegen betont, die Entscheidung zur Schließung sei nicht auf ihre Einschätzung zurückzuführen. Allerdings steigen bundesweit die antisemitischen Übergriffe auf Rekordniveau. Fälle von Antisemitismus steigen weiter an Laut dem Bundesverband RIAS wurden 2023 insgesamt 8.627 antisemitische Vorfälle registriert – ein Anstieg von 77 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Im Schnitt fast 24 Vorfälle täglich. &bdquo;Für Jüdinnen und Juden bleibt der Antisemitismus in Deutschland ein alltagsprägendes Phänomen“, heißt es im Bericht. Christiam Dahm benennt Zahlen für das laufende Jahr. Darin heißt es, dass antisemitischer Vorfälle &bdquo;im laufenden Jahr um über 40 Prozent“ angestiegen seien. Der Zustand in Herford sei &bdquo;untragbar“. Am Geld dürfte es nicht mangeln: &bdquo;Zwar begrüße ich ausdrücklich, dass in den vergangenen Jahren erhebliche zusätzliche Mittel für Sicherheitsmaßnahmen bereitgestellt wurden. Dennoch besteht in der konkreten Umsetzung vor Ort offenbar erheblicher Abstimmungs- und Nachbesserungsbedarf innerhalb der verantwortlichen Behörden“, wird Dahm deutlich. Plötzlich kommt Bewegung in die Sache Nachdem Politik und NW sich eingeschaltet haben, konnten sich Land und Gemeinde auf ein Konzept einigen. Die Grundlage für neue Sicherheitsmaßnahmen sei eine Einschätzung der hiesigen Polizei. &bdquo;Da aus der Höhe der konkreten Investitionsbedarfe Rückschlüsse auf die Art und Qualität der jeweiligen baulich-technischen Sicherungsmaßnahmen gezogen werden können, unterliegen diese Informationen dem staatlichen Geheimschutz“, schreibt das Bauministerium auf NW-Anfrage.

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