Brandanschlag auf Stevia-Bar in Herford: Der Stand der Ermittlungen nach einem Jahr

Herford. Es ist der frühe Vormittag des 7. Juli 2024, 11 Uhr. Die Glocken der Herforder Kirchen läuten, die Sonne scheint, ein schöner Sommertag steht bevor. Dann kracht es zweimal gewaltig – bumm, bumm! Der Ursprung der beiden Explosionen: die Stevia-Bar in der Steinstraße. Wenig später läuft einer der größten Feuerwehr- und Polizeieinsätze der Hansestadt an. Was wir ein Jahr nach dem Brandanschlag wissen – und was nicht. Kurz bevor damals das Chaos in der Innenstadt losbricht, hat sich die Herforder Petri-Gemeinde auf dem Wilhelmsplatz versammelt, feiert einen Open-Air-Gottesdienst. Die Veranstaltung wird gefilmt, das Video ist immer noch auf Instagram zu finden. Plötzlich wird die Predigt von Pfarrer Bodo durch zwei Detonationen übertönt. Wenige Hundert Meter Luftlinie entfernt steht der beliebte Gastrobetrieb in der Radewig in Flammen. Langsam schraubt sich eine Qualmsäule in den Himmel, Rauch breitet sich in großen Teilen der City aus. Martinshörner sind aus allen Richtungen zu vernehmen. In unmittelbarer Umgebung der Stevia-Bar, die zu dem Zeitpunkt schon seit einigen Tagen geschlossen ist, riecht es nach Benzin. Eine gewaltige Druckwelle rauscht durch die Kanalisation. Gullydeckel – das zeigen Aufnahmen einer Überwachungskamera an der Steinstraße – werden aus ihren Verankerungen gerissen, krachen aufs Pflaster. In angrenzenden Gebäuden laufen sogar die Toiletten über, einige Scheiben bersten. Mehr zum Thema: Explosion der Herforder Stevia-Bar: Wo steckt der mutmaßliche Brandstifter? Schwerbewaffnete Polizisten kommen wegen Terrorverdachts nach Herford Gemeldet wird der Feuerwehr zunächst ein Feuer der Stufe 3: &bdquo;Explosion in Gebäude!“ Etwas später wird Vollalarm ausgelöst. Einige Häuser in der Nähe werden evakuiert. In der Innenstadt wimmelt es von Einsatz- und Rettungskräften. Jetzt lösen auch die Warnapps Nina und Katwarn aus, Bürger sollen Fenster und Türen wegen des heftigen Brandrauchs geschlossen halten. Während Feuerwehrleute noch das Feuer in der Steinstraße bekämpfen, laufen schon die ersten Ermittlungen zu dem Vorfall. Weil zunächst unklar ist, was hinter den heftigen Explosionen steckt – Stichwort &bdquo;Terroranschlag“ – rücken schwer bewaffnete Polizisten und eine Einsatzhundertschaft nach Herford. Ein Polizei-Heli kreist über der Stadt. Doch schon rasch wird dieses Szenario ausgeschlossen – ebenso wie eine möglicherweise politisch motivierte Tat. Die starken Sicherheitsmaßnahmen werden trotzdem zunächst aufrechterhalten. Große Teile der City werden abgeriegelt. Bis zum Sonntagnachmittag halten zudem vermummte Beamte mit Schutzwesten am Bahnhof die Stellung, rücken dann aber ab. Parallel erscheinen Brandexperten der Kripo an der mittlerweile gelöschten, aber einsturzgefährdeten Stevia-Bar. Betreten können sie das Gebäude noch nicht. Stevia-Bar, Homberg, ein Bordell: Die schlimmsten Feuer der vergangenen Jahre in Herford Verdächtige taucht nach Stevia-Bar-Explosion ab Wie durch ein Wunder wird niemand durch die Explosionen und deren Folgen verletzt. &bdquo;Wenn Leute von den Gullydeckeln getroffen worden wären, hätte das schwere oder tödliche Verletzungen zur Folge haben können“, sagt Herfords stellvertretender Feuerwehrchef Axel Freitag. Nach ersten Zeugenaussagen rückt schnell ein Mann ins Visier der Ermittler, der hinter den Explosionen stecken könnte: der damals 29-jährige Prosper Ohagwa. Er war 2015 aus Nigeria nach Deutschland gekommen, hatte in der Stevia-Bar zunächst als Barkeeper gearbeitet, später als Reinigungskraft. Nach NW-Informationen soll er bereits wegen anderer Delikte in Erscheinung getreten sein. Laut bisherigen Erkenntnissen habe Ohagwa am Brandort zunächst reichlich Benzin verschüttet, das Ganze dann entzündet. Danach verliert sich seine Spur. Noch am Tattag, gut zwölf Stunden nach der Explosion, stürmt ein Spezialeinsatzkommando die Wohnung des Verdächtigen. Doch Prosper Ohagwa bleibt verschwunden. Wenig später wird die Mordkommission (MK) &bdquo;Zucker“ unter Federführung des Bielefelder Polizeipräsidiums eingerichtet. Denn in dem Gebäude in der Radewig befindet sich nicht nur die abgebrannte Kneipe, sondern auch eine Wohnung, in der sich zum Tatzeitpunkt Menschen aufgehalten haben könnten. Die Beamten gehen schnell davon aus, dass sich der Gesuchte ins Ausland abgesetzt hat. Ein internationaler Haftbefehl wird beantragt. Lesen Sie auch: Großbrand in Herford: &bdquo;Hinweise auf terroristischen Anschlag liegen derzeit nicht vor“ Der aktuelle Stand der Ermittlungen zur Explosion in Herford &bdquo;Und der besteht immer noch. Es hat bislang noch keine Hinweise gegeben, die zur Ergreifung des Verdächtigen geführt haben. Er soll im Nachhinein auch nicht mehr gesehen worden sein“, erklärt die Bielefelder Polizeisprecherin Sarah Siedschlag jetzt im Gespräch mit der NW. Die Ermittlungen der MK &bdquo;Zucker“ würden nach wie vor laufen. &bdquo;Und Hinweise zum Gesuchten oder zu anderen verdächtigen Beobachtungen, die vor einem Jahr in der Nähe des Tatorts gemacht wurden, nehmen wir natürlich weiterhin entgegen“, so Siedschlag. Von der ebenfalls eingebundenen Bielefelder Staatsanwaltschaft heißt es, dass &bdquo;von einer Tatbeteiligung anderer Personen“ derzeit nicht auszugehen sei. Zu einem möglichen Motiv für die Brandstiftung macht die Polizeisprecherin keine konkreten Angaben: &bdquo;Das ist Bestandteil der Ermittlungen.“ Gleiches gilt für den möglichen Inhalt eines Tresors, den Beamte bei einer Begehung der Brandruine finden. Die Spuren des Brandanschlags im Herzen der Hansestadt vor genau zwölf Monaten – es wird von einem Schaden von mehr als einer halben Million Euro ausgegangen – sind mittlerweile beseitigt, die Stevia-Bar ist abgerissen. Was bleibt, sind immer noch viele Fragen. Ob sie jemals beantwortet werden? 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Herford

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