Mehr als 300 Gebäude zerstört: Die letzten Stunden vor der Besatzung in Herford 1945

Kreis Herford. Die Nachrichten, die Anfang März 1945 Herford erreichen, klingen nach Erfolg. Das Oberkommando der Wehrmacht berichtet, wie deutsche Truppen erfolgreich amerikanische Verbände bei Duisburg bekämpft hätten. Kurz darauf soll es einen ebenfalls erfolgreichen Gegenstoß am Hünxer Wald bei Dinslaken gegeben haben. Die Siegeserzählungen kaschieren aber nur das sich längst abzeichnende Ende des Dritten Reichs. Die Wahrheit: Mit jedem Tag kommen die amerikanischen Verbände näher – deutsche Truppen setzen sich ab, lösen sich auf. Dort wo es keinen Widerstand gibt – sei es durch reguläre Wehrmachtseinheiten oder Heldentod-versessene NS-Anhänger – kommen die Alliierten schnell voran. Die Dörfer werden um- und durchfahren. Tage später überprüfen GIs in ihren Jeeps die Orte. Gibt es Probleme, schießen die Panzer, die die Jeep-Besatzungen in einigem Abstand sichern, auf Widerstandsnester. 300 zerstörte Häuser in der Stadt Bereits Monate vor dem Frühjahr 1945 wurden auch in Herford Volkssturm-Bataillone aufgestellt, die Deutschland retten sollen. Das Aufgebot besteht aus Veteranen des Ersten Weltkriegs, Kriegsversehrten, aber auch Hitlerjungen. Es soll mit Panzerfäusten die Verbände der 9. US-Armee aufhalten. &bdquo;Die Volkssturm-Bataillone gehen auch in sanitärdienstlicher Beziehung gut ausgerüstet ins Feld“, wird den Herforder Bürgern weisgemacht. Nur diejenigen, die den Mut haben, das deutsche Programm der britischen BBC zu hören, wissen um die Aussichtslosigkeit. Doch das Sprechen darüber ist kaum möglich – das Hören der sogenannten Feindsender kann mit dem Tode bestraft werden. Derweil hat sich auch die Versorgungslage zugespitzt. In den Jahren zuvor hat Deutschland die besetzten Gebiete geplündert, Getreide und andere Nahrungsmittel etwa aus Polen herangeschafft. Nun regiert neben der NSDAP der Mangel im Reich. Milch, Kartoffeln oder Fett sind rationiert. Es gibt sie nur auf Bezugsmarken. Wöchentlich stehen jedem erwachsenen Herforder 1.500 Gramm Brot zu. Jugendliche zwischen 6 und 18 Jahren sollen 2.000 Gramm erhalten und es gibt eine Zulage für Schwerstarbeiter. Um zu überleben, einmal satt zu werden, stehlen Menschen. In Lippinghausen und Hiddenhausen, so der Polizeibericht im April 45, werden Getreide und Hühner entwendet. Noch weniger erhalten die rund 3.000 Zwangsarbeiter, die im Stadtgebiet untergebracht sind, und in der Industrie und in der Landwirtschaft schuften. Die Männer und Frauen sind in 19 über das Stadtgebiet verteilte Lager in dreistöckigen Betten mit Strohmatratzen gepfercht. Schwere Schäden nach Luftangriff Einige Straßen in Herford gleichen derweil einer Trümmerlandschaft. Bei einem Luftangriff am 6. November 1944 haben Bomben 300 Häuser zerstört. Anfang April haben die US-Soldaten Duisburg und Hünxe längst hinter sich gelassen. Die Verbände stehen kurz vor Bielefeld. &bdquo;Der Gegner konnte bis an die Ränder des Teutoburger Waldes beiderseits Bielefeld durchstoßen, wurde dann aber durch hohe Panzer- und Menschenverluste zum Stehen gebracht“, fabuliert das Oberkommando der Wehrmacht. Tatsächlich haben noch am 1. April Soldaten aus den drei Herforder Kasernen, verstärkt durch den Volkssturm, der überwiegend Schanzarbeiten übernimmt, die Anhöhe der Autobahn 2 bei Bielefeld bezogen. Die militärische Lage ist den Verteidigern wohl bekannt und kaum einer hat angesichts der anrückenden, technisch und personell überlegenen US-Truppen noch unbedingt vor, sein Leben zu lassen. Deshalb treten die Einheiten schnell wieder den Rückzug an. Bereits am 2. April sind Verbände der 5. US-Panzerdivision problemlos zwischen Halle und Werther unterwegs. Am Nachmittag erreichen sie Eickum. Im Bereich Laar und Diebrock gibt es noch einzelnen Widerstand, der schnell ausgeschaltet wird. Kämmerer übergibt Herford an die US-Truppen Der Hof Lücking in Diebrock wird besetzt. Nun laufen auch die Verhandlungen zur Übergabe der Stadt Herford an. Die deutschen Militärs lassen sich überzeugen. Noch in der Nacht vor der Übergabe der Stadt gibt es aber noch eine massive Explosion: Das Munitionslager am Stuckenberg wird von den abrückenden deutschen Truppen gesprengt, kurz darauf auch die Weserbrücke in Vlotho. Am 4. April fahren drei US-Offiziere zum Rathaus. Stadtkämmerer Heinrich Tiemann übergibt ihnen um 11.15 Uhr die Stadt Herford. Mit der Übergabe übernehmen die US-Truppen die Verwaltung, treffen unter anderem erste Anordnungen, die etwa das Plündern verhindern sollen. Später rücken die Truppen in die Stadt ein – Herford ist besetzt, die Waffen schweigen. Der Krieg geht aber noch weiter – bis zum 8. Mai. Tage danach kommen britische Truppen nach Herford und übernehmen die drei Kasernen. Am 2. Dezember 2015 verlassen dann die letzten Einheiten der britischen Armee Herford. Aus den früheren Besatzungstruppen waren in der Zwischenzeit längst Freunde geworden.

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