Hebammen als Kulturerbe: Verband kämpft weiter für Anerkennung und gerechte Planung

Kreis Herford. Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland laut dem Statistischen Bundesamt 692.989 Kinder geboren. Für die Geburt ist besonders ein Berufsstand von oberster Bedeutung. Nur ein Arzt reicht nicht aus, denn durch das Hebammengesetz kann eine Entbindung nur stattfinden, wenn auch eine Hebamme im Kreißsaal ist. Nur in medizinischen Notfällen darf ein Arzt, auch ohne die Fachkraft, eine Geburt einleiten. Oft werden die speziell ausgebildeten Kräfte aber im Gesundheitssystem vernachlässigt. Eine besondere Ehre kam dem Berufsstand nun bereits Ende vergangenen Jahres zu und hebt somit weltweit den Stellenwert des unverzichtbaren Berufs hervor. Die Unesco, eine Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation, zeichnete das Hebammenwesen als &bdquo;Immaterielles Kulturgut der Menschheit“ aus. Mit dieser Nominierung ehrt die Unesco Traditionen aus den Bereichen Tanz, Theater, Musik, mündliche Überlieferungen, Naturwissen und Handwerkstechniken. &bdquo;Diese Anerkennung unseres Berufsstands erfüllt uns mit großem Glück und Ehrfurcht“, kommentiert Ulrike Geppert-Orthofer, Präsidentin des deutschen Hebammenverbands. Anfang Oktober übergab die Unesco Vertreterinnen des Berufsstandes aus acht verschiedenen Ländern die Urkunden. Auch Michelle Rump, Vorsitzende des Landesverbands der Hebammen NRW, war bei der Übergabe dabei. Eine Woche später übergab sie den Mitgliedern des Kreisverbandes Herford ihre Urkunden. &bdquo;Das Hebammenwesen nimmt einen großen Raum in der Gesellschaft ein“, sagt sie. Mit der Auszeichnung werde auch der Einsatz für die Frauen- und Familiengesundheit ausgezeichnet. Lesen Sie auch: Bereits 15 Geburten im hebammengeleiteten Kreißsaal im Klinikum Andere Finanzierung für Hebammen Rump ist bereits seit 2014 Hebamme und war im Raum Herford aktiv, bevor sie hauptberuflich in den Landesverband der Hebammen NRW wechselte. Vorher war sie als Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin tätig. Als Hebamme hat sie Frauen oft vom Moment des Verdachts auf eine Schwangerschaft bis zum Ende der Stillzeit begleitet. &bdquo;Unser Beruf hat sehr viele schöne Facetten“, sagt sie. Und dabei sei nicht nur der Moment der Geburt besonders herausragend. &bdquo;Auch das erste erfolgreiche Stillen ist jedes Mal ganz besonders. Vor allem dann, wenn der Stillbeginn möglicherweise von Beginn an nicht reibungslos verlief“, sagt Rump und nennt dabei nur ein Beispiel. Seit Januar 2024 ist sie Vorsitzende des Landesverbandes der Hebammen in NRW. Lesen Sie auch: Ein Jahr Geburtshaus in Löhne: Wie die Begleitung der Schwangerschaft abläuft Aber nicht nur durch die Auszeichnung der Unesco wird mehr Wert auf den wichtigen Berufsstand gelegt. Auch im Gesundheitswesen hat sich für Hebammen viel getan. Ab 2025 wird der Berufsstand in das Pflegebudget aufgenommen. Das bedeutet, dass die Beschäftigung von Hebammen in Kreißsälen mit einer stationären Versorgung gleichgestellt wird. Dadurch wird die Finanzierung von Hebammen gesichert, heißt es vom Bundesministerium für Gesundheit. Ausbildung durch Hebammenreform umstrukturiert &bdquo;Wir begrüßen die Aufnahme in das Pflegebudget sehr“, sagt Rump. Es werde dadurch einem Personalmangel in Kreißsälen entgegengewirkt und so auch eine bessere Versorgung von werdenden oder neuen Müttern gesichert. Durch die sogenannte Hebammenreform wurde auch die Ausbildung umstrukturiert. Seit der Reform werden angehende Hebammen in Form eines Studiums ausgebildet. Vor der Reform wurden angehende Hebammen an einer Berufsschule ausgebildet. &bdquo;Das Ausbildungsniveau wurde dadurch nur noch höher“, betont Rump. Die bessere Ausbildung habe auch zur Folge, dass immer mehr sich für die Hebammenwissenschaft, wie der Studiengang heißt, entscheiden. Immer noch Missstände im Umgang mit Hebammen Der Hebammenverband sieht aber noch Verbesserungsbedarf: So sollen bundesweit mehr Hebammenkreißsäle eingeführt werden. Werdende Mütter werden dort ausschließlich von Hebammen betreut. Ein Arzt wird nur in Notfällen dazu gerufen. Mit dem Projekt verfolgt der Deutsche Hebammenverband das Ziel, das Recht auf die freie Wahl des Geburtsortes zu verstärken. &bdquo;In Herford läuft das aber schon sehr gut“, fügt Rump hinzu. Denn dort gibt es bereits einen hebammengeführten Kreißsaal im Klinikum. Ein Weiterer sei im Mathildenhospital bereits in der Planung. Lesen Sie auch: Fünf Dinge, die Hebammen nicht machen würden &bdquo;Mit Sorge blicken wir aber auf die Krankenhausplanung“, sagt Rump. Diese fokussiere sich noch zu wenig auf den Kreißsaal. In der Planung der Leistungsgruppen sei nur ein Gynäkologe oder eine Gynäkologin vorgesehen, der oder die 24 Stunden am Tag vor Ort ist. Eine Hebamme aber werde darin nicht erwähnt, durch das Hebammengesetz aber kann eine Geburt ohne Hebamme nicht eingeleitet werden. Das Ergebnis: Werdende Mütter müssen oft in das nächste Krankenhaus fahren. &bdquo;Den Müttern wird ein Fahrtweg von 40 Minuten zugemutet. Bei vollen Straßen oder winterlichen Straßenverhältnissen kann das auch mal bis zu einer Stunde dauern. Das ist für uns ein Skandal“ betont Rump. &bdquo;Das System braucht eine Umstellung.“ Noch sei es vor allem auf die Heilung Kranker ausgelegt. &bdquo;Wir müssen aber auch den gesunden Prozess der Geburt im Auge behalten“, fordert sie.

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