Mehr als 40 Minuten bis zum Kreißsaal: Wo das auch Familien in OWL treffen kann

Düsseldorf/Herford. In immer weniger Krankenhäusern werden Frauen bei der Geburt begleitet. Das führt zu deutlich längeren Fahrzeiten. In NRW müssen werdende Mütter in zehn Kreisen mehr als 40 Autominuten bis zur nächsten Geburtsstation in Kauf nehmen. Hebammen sehen dadurch die Versorgung und die Leben von Müttern und Neugeborenen gefährdet. &bdquo;Die Verlagerung der Geburtshilfe in den Rettungsdienst sowie eine vergleichsweise hohe Kaiserschnittrate und viele Frühgeburten zeigen, dass sich dringend etwas ändern muss“, fordert die Vorsitzende des Hebammenverbands NRW, Michelle Rump. Mit dem neuen Krankenhausplan in NRW, der seit April gilt, will das Gesundheitsministerium eine flächendeckende geburtshilfliche Versorgung innerhalb von 40 Autominuten gewährleisten. In zehn Kreisen wird dieses Ziel laut Ministerium jedoch nicht für die gesamte Bevölkerung erreicht. Betroffen sind in OWL die Kreise Höxter, Lippe und Minden-Lübbecke sowie darüber hinaus der Ennepe-Ruhr-Kreis, der Hochsauerlandkreis, der Rhein-Sieg-Kreis, der Märkische Kreis sowie die Kreise Euskirchen, Olpe und Siegen-Wittgenstein. Für die internistische und chirurgische Grundversorgung gilt nach Angaben des Ministeriums hingegen die Maßgabe, dass 90 Prozent der Bevölkerung innerhalb von 20 Autominuten ein Krankenhaus erreicht. Der Hebammenverband kritisiert die Vorgaben als willkürlich: &bdquo;Es gibt keine Untersuchung, warum man einer Frau in den Wehen 40 Minuten zumuten kann, bei einem Patienten mit akuter Blinddarmentzündung aber eine Fahrzeit von maximal 20 Minuten vorsieht“, sagt die Herforderin Michelle Rump. Hebammen: NRW hat in 18 Jahren 55 Geburtsstationen verloren Das Ministerium verweist hier auf eine Einschätzung des Gemeinsamen Bundesausschusses, der eine flächendeckende Versorgung mit Geburtshilfe als gefährdet einstuft, wenn Fahrzeiten von mehr als 40 Minuten notwendig sind. &bdquo;Dabei wird völlig außer Acht gelassen, dass jede Geburt einzigartig ist. Eine Geburt kann sehr lange dauern, aber auch sehr schnell voranschreiten. Zudem besteht immer das Risiko von Komplikationen, die das Leben von Mutter und Kind gefährden können“, erklärt Rump. Hinzu komme, dass immer mehr Frauen keine Hebamme für die Betreuung während der Schwangerschaft finden. &bdquo;Das führt zu großen Unsicherheiten.“ Mehr zum Thema: Klinikum Bethel sucht Familien für einzigartige Studie zur Kindergesundheit Mit der kurzfristigen Schließung der Geburtsstation des Knappschaftskrankenhauses Dortmund Ende März ist die Zahl der Geburtsstationen in NRW nach Angaben des Ministeriums auf 125 Standorte gesunken. Zu einer Antwort auf die Frage, wie viele Kreißsäle in den vergangenen Jahren geschlossen wurden, ist das Ministerium nach eigenen Angaben nicht in der Lage. Aus einem Bericht des Ministeriums von 2014 geht jedoch hervor, dass es vor elf Jahren noch 170 Standorte gab. Der Hebammenverband geht davon aus, dass seit 2007 55 Geburtsstationen geschlossen wurden. Weitere Kreißsaalschließungen für 2025 angekündigt Die Hebammen in NRW rechnen zudem mit weiteren Schließungen, obwohl im Zuge der Klinikreform NRW keine Geburtsstation geschlossen wurde. &bdquo;Da einige Krankenhäuser infolge der Reform aber Angebote in der Gynäkologie streichen mussten, wie zum Beispiel die Versorgung von Brustkrebspatientinnen, sind auch Geburtsstationen in Gefahr“, warnt Rump. &bdquo;Der Betrieb einer Geburtshilfe wird durch andere Abteilungen finanziert, weil die vorgesehenen Fallpauschalen nicht reichen, um die Kosten zu decken.“ Lesen Sie auch: Klinikreform in NRW: Aus für Frühchenversorgung in Herford und Detmold Die Sorgen der Hebammen sind berechtigt, denn nach Angaben des Ministeriums werden in diesem Jahr zwei weitere Geburtsstationen schließen. Das Rheinland Klinikum schließt den Kreißsaal am Standort Dormagen und die Helios Kliniken schließen die Geburtsstation am Standort St. Anna in Duisburg. &bdquo;In ländlichen Regionen sind die Folgen der Kreißsaalschließungen besonders fatal, doch auch in Ballungszentren haben Schließungen Folgen, weil die umliegenden Kliniken das kompensieren müssen. Schon jetzt sind Geburtsstationen aber vielerorts so überfüllt, dass sich eine Hebamme gleichzeitig um mehrere Frauen kümmern muss.“ Studentinnen verlieren ihre Ausbildungsorte Das sinkende Angebot in der Geburtshilfe schränkt nach Angaben Rumps zudem die Klinikwahl ein. &bdquo;Das Angebot konzentriert sich immer stärker auf Maximalversorger. Kreißsäle, die auf interventionsarme Geburten bedacht sind, gibt es hingegen immer weniger, weil sich damit nicht genug Geld verdienen lässt.“ Das bestätigt auch das Ministerium: &bdquo;Die Träger begründen ihre Entscheidungen mit der wirtschaftlichen Situation der geburtshilflichen Abteilungen, aber auch mit Personalmangel oder rückläufigen Geburtenzahlen.“ Insgesamt sei die Geburtshilfe ein Leistungsbereich, in dem Kliniken hohe Vorhaltekosten finanzieren müssten. Lesen Sie auch: Fünf Dinge, die Hebammen nicht machen würden Diese Entwicklung hat nach Angaben Rumps auch Einfluss auf die Ausbildung von Hebammen. &bdquo;Mit der Schließung der Geburtsstation in Dortmund haben 14 Studentinnen ihren Ausbildungsplatz verloren. Insgesamt sinkt die Zahl der Krankenhäuser, in denen Hebammen den praktischen Teil ihres Studiums absolvieren können. Das ist gefährlich, denn der Beruf der Hebamme ist ein Mangelberuf.“ Baumarkt-Parkplatz wird zum Treffpunkt für Geburten .responsive23-vpWVCsrgnWzrJEbD-bar-vertical-geburtshilfe-personal { width: 100%; padding-top: 100%; } @media (max-width: 600px) { .responsive23-vpWVCsrgnWzrJEbD-bar-vertical-geburtshilfe-personal { padding-top: 100%; } } @media (max-width: 360px) { .responsive23-vpWVCsrgnWzrJEbD-bar-vertical-geburtshilfe-personal { padding-top: 142.86%; } } Rump wirft der Politik vor, dass die Gesundheit von Müttern und Kindern nicht als Teil der Grundversorgung gesehen wird. &bdquo;Da sich die Fahrzeiten immer weiter verlängern, verlagert sich die Geburtshilfe zunehmend in den Rettungsdienst und das ist kein sicherer Ort für Geburten, weil das Personal dafür in der Regel nicht ausgebildet ist.“ Politikern rät Rump dazu, sich vorzustellen, ein Kind im Rettungswagen oder im eigenen Auto irgendwo auf einer Landstraße zu gebären. &bdquo;Für viele Frauen ist das ein Moment, den sie nur einmal in ihrem Leben erleben und dann werden sie dabei nicht adäquat versorgt. Das ist verheerend.“ Wie viele Frauen das betrifft, kann das Ministerium nicht beziffern. In der Antwort auf eine Kleine Anfrage der SPD-Landtagsfraktion zur Verlagerung der Geburtshilfe in den Rettungsdienst erklärt das Ministerium, dass die Zahl der Geburten in Rettungswagen in NRW nicht erfasst werden. Lesen Sie auch: Geburt ohne Arzt: Immer mehr Hebammenkreißsäle in NRW In anderen Bundesländern, wie beispielsweise Schleswig-Holstein, führt der Rückgang der Geburtsstationen bereits dazu, dass Frauen ihre Kinder auf extra dafür ausgewiesene Parkplätze von Baumärkten gebären müssen. &bdquo;Schafft es die Familie nicht mehr rechtzeitig ins Krankenhaus, besteht die Möglichkeit, dass sich Familie und Rettungswagen am Baumarkt treffen“, erklärt Rump. Ein Hagebaumarkt in Eckernförde an der Bundesstraße zwischen Flensburg und Kiel hat dafür nach der Schließung der Geburtsstation in Eckernförde einen sogenannten Storchenparkplatz reserviert. &bdquo;Das ist kein sicherer Ort für eine Geburt“, warnt Rump.

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