Herforder Familie im Selbstversuch: Eine Woche mobil ohne Auto

Herford. Routiniert steigt die Siebenjährige ins Lastenrad. Sie schnallt sich an, setzt den Helm auf und findet es eigentlich ganz gemütlich. Neben ihr wäre Platz für ihren jüngeren Bruder, doch der will heute lieber selbst mit seinem Laufrad fahren. Den Helm hat er schon ganz selbstverständlich auf, als er aus der Haustür tritt. Familie Stock hat sich auf ein Experiment eingelassen. Die vierköpfige Familie lässt für die Aktion &bdquo;Lappen los“ ihre beiden Autos für mehr als eine Woche stehen und erledigt alles mit Rad, Bus oder Bahn. In der NW erzählen sie, was sie beim Mobilitätswechsel bislang erlebt haben. Den Wettbewerb &bdquo;Lappen los“ hat die Stadtverkehr Herford ausgerufen. Die Aktion zielt darauf ab, den Alltag ohne Auto zu erproben und nachhaltige Mobilitätsalternativen kennenzulernen. Annika, Tobias und ihre beiden Kinder, zwei und sieben Jahre alt, sind die Auserwählten. Sie testen, wie Besorgungen und Einkäufe, die Fahrt zur Schule, Kita und zur eigenen Arbeitsstelle, die Wege zum Arzt, Ehrenamt oder zum Freunde treffen ohne Autos funktioniert. Um flexibel mit Bus und Bahn unterwegs zu sein, haben sie Deutschlandtickets gestellt bekommen, dazu ein E-Bike und ein E-Lastenrad. Dafür lassen sie ihre beiden Autos stehen. So der ehrgeizige Plan. Die Realität zeigt dann aber auch, dass vieles nicht so einfach ist. Wenn Bus und Bahn im Spiel sind, wird es komplizierter &bdquo;Innerhalb von Herford sind die alltäglichen Fahrten mit den Rädern gut machbar“, zieht Tobias Stock nach einige Tagen ein erstes Resümee. Doch als er einen Termin in Bielefeld wahrnehmen wollte, kam er dann doch in die Bredouille. &bdquo;Eigentlich wollte ich mit E-Bike zum Herforder Bahnhof und dann von Bielefeld aus weiter zum Termin fahren“, erzählt der 44-Jährige. Da hat er die Rechnung aber ohne die Bahn gemacht: Sein Zug hat enorme Verspätung. Also schnell zurück nach Hause radeln und mit dem Lastenrad nach Bielefeld fahren. Machbar, denkt sich Stock. Der Blick auf den Akkustand lässt die guten Vorsätze platzen – fast leer. &bdquo;Ich war guten Willens, aber ich hätte es nicht mehr rechtzeitig geschafft.“ Und obwohl der Autoschlüssel derzeit &bdquo;eingemottet“ ist, hat er dann doch zum E-Fahrzeug gegriffen. &bdquo;Sonst hätte ich den Termin platzen lassen müssen.“ Lesen Sie auch: Das waren die Erwartung der Familie vor dem Experiment Viel Planung sei bei der Umstellung vom Auto aufs Rad nötig. &bdquo;Wenn man Routinen entwickelt, läuft es bestimmt besser“, räumt Tobias Stock ein. Doch da muss die Familie erst noch hinkommen. Apropos Planung: &bdquo;Wann fährt eigentlich mein Bus“, fragt Annika Stock. Sie sitzt beim Gespräch am Esstisch bereits in ihrem roten DLRG-Trainingsanzug, um zum Ehrenamt zu fahren. &bdquo;Dafür muss ich nach Enger zum Hallenbad“, sagt sie. Das Lastenrad darf nicht mit in Bus und Bahn Ihr Plan: Mit dem E-Rad zum Bahnhof Herford radeln, dort den Bus Richtung Enger nehmen und vom Kleinbahnhof weiter mit dem E-Bike zum Hallenbad düsen. &bdquo;Kommt der Bus pünktlich, schaffe ich das“, sagt die 43-Jährige optimistisch und klemmt ihre Trainingstasche auf den Gepäckträger: &bdquo;Jetzt würde ich zu gerne mit dem Lastenrad fahren.“ Da ist mehr Platz und es fahre sich auch angenehmer, findet sie. Doch das Lastenrad darf nicht mit in den Bus, also muss sie das E-Bike nehmen. Mitten in der Coronazeit ist die Familie nach Herford gezogen. An ihrem vorherigen Wohnort Hannover und auch in Bielefeld, wo beide studiert haben, haben sie sich selbstverständlich mit Rädern fortbewegt. &bdquo;Ich hatte nicht einmal ein Auto, bis ich 26 war“, erzählt Annika Stock. Doch der Alltag rund um Schule, Kita, Arbeit, den beiden Kindern, Sport, Vereinsleben, Freunde und Familie treffen hat den Gedanken der nachhaltigen Fortbewegung etwas nach hinten rücken lassen. Bequemlichkeit siege dann doch oftmals. Zumal sie auf dem Stiftberg wohnen und die Wege mit Rädern ohne elektrischen Antrieb dann nicht so einfach zu meistern seien. Lesen Sie auch: Herforder Familie mit zwei Kindern tauscht Auto gegen Lastenrad, Bus und Zug &bdquo;Aber es ist ein Muss, sich mit diesen Themen zu beschäftigen. Man muss auch über seinen eigenen Schatten springen“, sagt der Familienvater, der den Erfahrungsgewinn, den das Experiment bringt, für wichtig hält. &bdquo;Man braucht einen Plan, Routinen müssen sich entwickeln, dann wird es einfacher und wir können spontan handeln.“ Zustände mancher Radwege sind eine Katastrophe Zwei Fahrzeuge haben Annika und Tobias derzeit. &bdquo;Wir überlegen, auf eines künftig zu verzichten.“ Auch dafür nutzen sie das Experiment. &bdquo;Wir wollen wissen, ob wir mit E-Bikes klar kämen.“ Doch eins weiß Annika Stock schon jetzt nach kurzer Zeit: &bdquo;Ich werde das Lastenrad vermissen.“ Es geht deutlich flotter, damit die Kinder zur Kita und Schule zu bringen und selbst anschließend zur Arbeit zu fahren. &bdquo;Da spare ich mir das Verkehrschaos auf der Mindener Straße.“ Allerdings moniert die Familie den Zustand so mancher Radwege und auch die Verkehrsführung für Radfahrer sei nicht überall sofort verständlich. Einheitlichkeit fehlt. &bdquo;Der Radweg an der Mindener Straße Richtung Stadt ist eine Katastrophe“, findet die Lehrerin, die aber gar nicht so viel meckern will: &bdquo;Die meiste Zeit klappt es und es gibt ja auch tolle Wege zum Radfahren, wie entlang des Walls.“

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