Ehemaliger ESC-Kommentator Peter Urban liest in Herford aus seinen Erinnerungen

Herford. &bdquo;On Air - Auf Sendung“ heißen die im April erschienenen 544 Seiten starken Erinnerungen des Musikjournalisten und Moderators Peter Urban, die er in der ausverkauften Stadtbibliothek in lockerem Plauderton vorstellte. Dem Fernsehpublikum dürfte er vor allem als Stimme des &bdquo;ESC“ (European Song Contest), den er bis 2023 25 Jahre lang kommentierte, bekannt sein, im norddeutschen Raum auch seit Mitte der 1970er Jahre als Moderator von Musiksendungen, die Musik aus dem angloamerikanischen Raum populär machten. Auch wenn am Abend der Lesung beim deutschen Vorentscheid zum ESC darüber entschieden wird, wer Deutschland 2024 bei ESC vertreten wird, hält sich Urban bei dem Thema bedeckt. Er habe den Wettbewerb von Anfang wegen seiner Internationalität geschätzt und immer die Musik ernst genommen. &bdquo;Für mich war das immer eine Art Spiel ohne Grenzen mit Musik, bei dem der Spaß und nicht das Gewinnen im Vordergrund stehen sollte“, sagt er. Ein Erfolgsrezept für den Erfolg gebe es nicht: &bdquo;Wer hätte gedacht, dass 2017 Salvador Sobral mit einem Jazzschlager, also absoluter Spartenmusik, gewinnen würde, oder 2021 mit Maneskin eine Rockband mit Feuershow?“ Die Musik müsse berühren, ein Herz haben. Das zuletzt oft schlechte Abschneiden deutscher Interpretinnen und Interpreten habe für ihn absolut nichts mit der angeblichen Unbeliebtheit Deutschlands in Europa zu tun: &bdquo;Lena gewann den ESC 2010 mitten in der Finanzkrise, als Deutschland mit seinen Spardiktaten europaweit wohl so unbeliebt wie lange nicht war.“ Rasend schnell auf die hohe Bühne Dieser ESC ist dem nicht gerade groß gewachsenen 75-Jährigen noch aus einem anderen Grund in Erinnerung geblieben: &bdquo;Die nationalen Kommentatoren stellen am Ende traditionell Sieger oder Siegerin aus ihrem Land vor. Ich musste also rasend schnell aus der Sprecherkabine zur zwei Meter hohen Bühne. Da es keine Treppe gab, musste ich hochgehoben werden. Ich war dann so außer Atem, dass Lena erst mal die Moderation übernahm und sich erkundigte, wie es mir gehe. Die ist wirklich so spontan wie sie rüberkommt.“ Wieder bei Atem stellte er seine Fragen: &bdquo;Aber diese Interviews sind ungefähr so gehaltvoll wie die mit einem Fußballtrainer unmittelbar nach dem Spiel.“ Prägender waren aber ganz andere musikalische Einflüsse für den Jugendlichen, erst Jazz, dann alles, was aus dem angloamerikanischen Bereich, vor allem aus seinem Sehnsuchtsland England, in seine damalige Heimat Quakenbrück herüberschwappte. Mit der Jazz-Skiffle-Band &bdquo;Quaktown Rhythm Kings“ eroberte er als Pianist die Bühnen Norddeutschlands, traf unter anderem den damaligen Jazz-Drummer und späteren Panik-Rocker Udo Lindenberg noch als Jazz-Schlagzeuger. Beatles-Auftritt in Essen enttäuscht Zum Studium ging’s nach Hamburg, in die für ihn damals &bdquo;englischste aller deutschen Städte“. Am Ende stand sogar ein Doktortitel für eine Arbeit über die Texte angloamerikanischer Rockmusik. Während seiner Englandaufenthalte erlebte er den legendären ersten Auftritt von Jimi Hendrix in London 1966, einen der ersten Auftritte von Elton John und viele mehr. Er erlebt den für ihn enttäuschenden Auftritt der Beatles in Essen 1966, der im Gekreische unterging, und zwei Jahre später die Essener Songtage, wo er die Annäherung der 68er-Ikonen Rainer Langhans aus der Kommune 1 und des Models Uschi Obermaier miterlebt. Frank Zappa beeindruckte ihn dort mit seiner Einschätzung, dass die Deutschen weniger über Musik reden, sondern lieber mehr Musik machen“ sollten. Doch genau das über Musik reden wurde später sein Beruf. Lang ist die Liste der Stars, die er für Fernsehen, Radio und Musikmagazine interviewte. Er lässt Rod Stewart für eine Fernseh-Doku in einer urbanen Brache singen, begleitet Joe Cocker nach einem Stromausfall im Onkel Pö bei Kerzenschein am Flügel, trifft einen Bob Marley, der in süßlich riechendem Nebel in Patwa – von dem Urban nichts versteht, aber trotzdem beeindruckt ist – predigte Er trifft einen Sting, der von seiner Band &bdquo;Police“ nichts mehr wissen will, erfährt von Keith Richards, warum es mit der Solokarriere von Mick Jagger nichts wird, trifft &bdquo;Prince“ und gerät noch heute ins Schwärmen wenn er an Steve Winwood oder den jungen Al Jarreau denkt. Menschen entdecken neue Musikwelten Als Moderator machte er mehrere Hörergenrationen mit den neuen Sounds aus England oder den USA vertraut – und das bis weit nach Westfalen und sogar in die DDR. &bdquo;Da hatte der NDR quasi ein Monopol.“ Aber auch andernorts brachen Menschen auf, um neue Musikwelten zu entdecken. Mit Günter Scheding, Erfinder der Umsonst & Draußen-Festivals, ist ein Weggefährte im Raum, dem wohl auch ein Teil des langen Applauses gilt. Für alle, die von der Stimme Urbans nicht genug bekommen könne, hatte er noch einen Tipp: &bdquo;On Air gibt es auch als Hörbuch.“

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