Zuhörer soll Herforder Betrugsprozess per Handy live übertragen haben

Herford. Der Prozess vor dem Herforder Schöffengericht gestaltete sich schwierig und musste mehrfach unterbrochen werden. Unter anderem wegen einer Straftat, die offenbar während der Verhandlung von einem Zuhörer und Bekannten der Angeklagten verübt worden sein soll. Der Mann soll das Verfahren über fast eine Dreiviertelstunde per Mobiltelefon nach draußen übertragen haben. Die Anklagebank im Saal 309 des Amtsgerichts ist mit vier Personen nebst Anwälten besetzt. Hier sitzt eine Familie. Mutter, Vater und zwei Söhne, die mit ihrem Familienunternehmen im großen Stil Kunden betrogen haben sollen. Auch ein weiterer Angeklagter soll am Betrug beteiligt gewesen sein. Ihre Masche: Sie sollen mehreren Kunden Möbel und Elektroartikel verkauft und die Kaufpreise kassiert, die Waren aber nie geliefert haben. Der Schaden alleine in diesem Verfahren: weit über 100.000 Euro. Haftbefehl gegen Bruder auf der Zuschauerbank vollstreckt Auf der Zuschauerbank sitzen zwei Polizeibeamte. Sie halten Ausschau nach einem weiteren Sohn der Familie. Dieser ist zwar nicht in dem Verfahren angeklagt oder als Zeuge geladen, wird aber aufgrund eines offenen Haftbefehls in anderer Sache gesucht. Als er tatsächlich kurze Zeit später kommt, wird er von den Polizisten mitgenommen. Das soll nicht die letzte Störung bleiben, denn während der Anklageverlesung durch Staatsanwalt Meeth platzen zwei Männer in den Gerichtssaal, um als Besucher an der öffentlichen Verhandlung teilzunehmen. Allerdings warten vor dem Gerichtssaal zahlreiche Zeugen auf ihre Vernehmung. Wie üblich dürfen Zeugen nicht vor ihrer Aussage der Verhandlung beiwohnen, um Beeinflussungen auszuschließen. Wie ein Besucher im Gerichtssaal bemerkt, hat einer der beiden reingeplatzten Männer sein Handy gezückt und überträgt den Prozess mittels Telefonverbindung live – eine Straftat, die der Besucher den Justizbediensteten des Amtsgerichts meldet. Erneut wird die Verhandlung unterbrochen und der Mann mit den Vorwürfen konfrontiert. Dieser leugnet zunächst, rückt dann aber sein Handy doch heraus. Gerichtsverhandlung per Telefonleitung &bdquo;live“ übertragen Eine erste Überprüfung ergibt, dass in dem Gerät tatsächlich eine bestehende Gesprächsverbindung während der laufenden Gerichtsverhandlung bestanden hat – fast 40 Minuten lang. So rückte erneut die Polizei an, stellte das Handy sicher und die Personalien des Mannes fest. Ein Strafverfahren gegen ihn wird noch vor Ort eingeleitet. Das Strafmaß reicht in solchen Fällen von Geldstrafe bis zur Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren. Vorsorglich werden nun auch die Handys anderer Besucher, die weiter am Prozess teilnehmen wollen, eingesammelt. Nach diesen Störungen konnte nun endlich verhandelt werden. Zu Beginn der Beweisaufnahme wurde das Verfahren gegen das 54-jährige Familienoberhaupt und seine 50-jährige Frau eingestellt, da sie zwischenzeitlich in einem anderen Verfahren zu teils empfindlichen Strafen verurteilt worden sind und eine Verurteilung im Herforder Betrugsverfahren nicht mehr ins Gewicht fallen würde. Ebenso wurde das Verfahren gegen einen weiteren Mittäter eingestellt, so dass sich der Prozess nun auf den Hauptangeklagten 22-jährigen Herforder konzentriert. Dieser soll unter anderem über eine große Verkaufsplattform im Internet Handmixer, Akkus oder auch Waschmaschinen im Wert von rund 65.000 Euro angeboten haben. Kunden zahlten – doch geliefert hat der Mann nie. Mit der gleichen Masche soll der Angeklagte im großen Stil aus Lagerhallen des Familienunternehmens, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, heraus Großhändler betrogen haben, in dem er ihnen vor Ort eine kleine Auswahl an Fernsehern oder Sofas präsentierte und angab, diese Waren in großen Mengen zu günstigen Preisen liefern zu können. Im großen Stil Vorkasse kassiert, aber nicht geliefert Auch hier soll er per Vorkasse kassiert, aber nie geliefert haben. Dabei soll die kriminelle Energie hoch gewesen sein. Einem Zeugen, der alleine 308 Fernsehgeräte beim Angeklagten kaufte und nun auf rund 50.000 Euro Schaden sitzt, soll er gar gefälschte Auftrags- und Lieferscheine eines bekannten Unternehmens vorgelegt haben. Während sich der 22-Jährige in einem vorherigen Verfahren gegen ihn noch geständig zeigte, will er sich zu den nun verhandelten Vorwürfen nicht äußern und macht von seinem Schweigerecht gebrauch. Mangels Einlassung kann das Gericht daher keine Einsicht oder Besserung feststellen, so dass er schließlich zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten Haft verurteilt wird – ohne Bewährung. Da der Herforder in Berufung geht, wird das Verfahren vor dem Bielefelder Landgericht in Kürze neu aufgerollt. Es ist damit noch nicht rechtskräftig.

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