Öffentliche Finanzen

Haushaltsplan: Der Kreis Herford schont die Städte und Gemeinden

Eine Mehrheit aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP beschließt den Haushalt des Wittekindkreises. Der Hebesatz der Kreisumlage, die die Kommunen zahlen müssen, wird gesenkt statt erhöht.

Der Herforder Kreistag hat im Kreishaus den Doppelhaushalt für die Jahre 2024 und 2025 verabschiedet. | © Frank-Michael Kiel-Steinkamp

Frank-Michael Kiel-Steinkamp
20.12.2023 | 20.12.2023, 17:01

Herford. Als Landrat Jürgen Müller (SPD) und der neue Kreiskämmerer Ralf Stölting Ende Oktober den Entwurf zum Doppelhaushalt des Kreises Herford für die Jahre 2024/25 vorstellten, gab es einen Aufschrei von Kämmerern in Städten und Gemeinden. Sie beklagten eine unzumutbare weitere Belastung der ohnehin über die Maßen gebeutelten Kommunen - und das auch noch für zwei Jahre.

Denn der Plan des Kreises war gewesen, den Hebesatz der Allgemeinen Kreisumlage, die die Kommunen an den Kreis für seine Dienstleistungen bezahlen müssen, von 39,27 Prozent im Jahr 2023 auf 39,90 Prozent in den Jahren 2024 und 2025 zu erhöhen.

Nun hat aber am Freitag im Kreistag eine Mehrheit aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP mit einer weiteren Stimme der Freien Wähler den Haushalt mit Änderungen beschlossen, die SPD, Grüne und FDP zuvor gemeinsam eingebracht hatten. Dazu gehört auch die Senkung des Hebesatzes der Kreisumlage um einen Prozentpunkt auf 38,90 Prozent.

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Laut dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Tiekötter ist es der einzige Kreis in NRW, der seine Städte und Kommunen derart entlastet. Dagegen stimmten CDU und AfD. Die Kreisumlage ist mit 40 Prozent die größte Ertragsquelle des Kreises. Der Kreis kalkuliert laut Haushaltsplan mit Aufwendungen von rund 450 Millionen Euro im Jahr 2024 und rund 470 Millionen Euro in 2025. Für 2023 beläuft sich die Kalkulation auf rund 400 Millionen Euro.

Landschaftsverband erhöht seine Umlage wohl nicht so stark

Landrat und Kreiskämmerer hatten Ende Oktober mit der Benennung von Kostentreibern begründet, warum der Kreis mehr Geld braucht. Ihr Aufschrei blieb nun dennoch aus. Das liegt daran, dass der Landschaftsausschuss des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) ebenfalls am Freitag beschlossen hat, den Hebesatz seiner Landschaftsumlage für 2024 um 0,2 Prozentpunkte weniger zu erhöhen, als vorher angekündigt. Die Zustimmung der letztlich entscheidenden Landschaftsversammlung gilt als sicher. „Das hilft dem Kreis“, sagt Jürgen Müller. Für die Leistungen des LWL muss der Kreis seinerseits nämlich eine Umlage als einen seiner größten Ausgabeposten bezahlen.

Den Beschluss aus Münster teilt auch Eckhard Gläsker von der LWL-Fraktion aus FDP und Freien Wählern in einer Pressemitteilung mit. Mit dem Geld finanziere der LWL in erster Linie soziale Aufgaben, besonders im Bereich der Behindertenhilfe. „Wir haben beim LWL ein Konsolidierungsprogramm auf den Weg gebracht, das in vielen Punkten auch schmerzlich ist“, heißt es weiter. Der LWL betreibt auch Krankenhäuser und Museen wie das Freilichtmuseum Detmold. Der Kreis Herford müsse nun voraussichtlich eine Million Euro weniger an den LWL bezahlen.

Stelle eines Kümmerers für Genehmigungsverfahren

In den Kreishaushalt eingearbeitet wurden auch Forderungen von Rot-Grün-Gelb nach einem Kümmerer für Bürger in Genehmigungsverfahren und Kontrolltätigkeiten des Kreises, nach der beschleunigten Umsetzung von Klimaschutzkonzept und Klimafolgenanpassungskonzept des Kreises, nach der Entwicklung einer ganzheitlichen Ernährungsstrategie insbesondere für Kinder und Jugendliche, nach der schnelleren Schaffung von sozialem Wohnraum, nach Erleichterungen für die Bildung von Wohneigentum sowie nach einem Beratungsangebot für die oft angefeindeten queeren Menschen.

Die „Partei“ will Spenge verkaufen

Vertreterinnen und Vertreter der Fraktionen hatten zunächst die Stunde genutzt, um ihre Anträge oder ihr Abstimmungsverhalten zu begründen, Seitenhiebe auf andere Fraktionen zu verteilen, die Kreisverwaltung zu loben oder zu kritisieren und ihre Sicht auf die aktuelle Lage im Land und in der Welt darzulegen. So beklagte Jürgen Döring von den Freien Wählern, dass Haushaltsberatungen wegen der knappen Kassen in Land und Bund wenig Spaß bereitet hätten.

Stephen Paul von der FDP sieht angesichts unterfinanzierter und wachsender Aufgaben etwa bei Flüchtlingsunterbringung und Kinderbetreuung den Fortbestand der kommunalen Selbstverwaltung gerade in NRW auf dem Spiel. Für den Kreis Herford lobte er das Vertrauen in die Verwaltungsspitze. Christina Meyer von der „Partei“ in der Fraktion „Die Fraktion“ versuchte witzig zu sein, als sie den Verkauf Spenges zur Stopfung von Haushaltslöchern anregte und eine Mitgift forderte, falls Bad Oeynhausen - wie offenbar gewünscht - zum Kreis Herford dazustoße.

Herbert Weber von der AfD bemängelte abermals, dass in der Haushaltsführung wie auch andernsorts die ausgebuchten Kosten der Corona-Pandemie und der Flüchtlinge aus der Ukraine nicht berücksichtigt seien. Er hält den Haushalt für „auf Kante genäht“ und rechnet mit einem Nachtragshaushalt in 2025.

Mieter sollen für günstigen Wohnraum qualifiziert werden

Angelika Fleischer erläuterte die Haushaltsbegleitanträge, die die Grünen sich auf die Fahnen geschrieben haben. Dazu gehörten die „Schaffung und Aktivierung bezahlbaren Wohnraums“. Viele Haus- und Wohnungsbesitzer hätten Hemmungen, günstigen Wohnraum anzubieten, wegen der Befürchtung, man „handele sich mehr Sorgen ein als Profit“. In Zusammenarbeit mit externen Partnern sollen Mieterinnen und Mieter „qualifiziert“ werden, um Miethemmnisse abzubauen.

CDU fordert Umsetzung von Beschlüssen zur Digitalisierung ein

Michael Schönbeck von der CDU dankte einerseits den Beschäftigten der Kreisverwaltung für ihre geleistete Arbeit und die Unterstützung seiner Fraktion. Andererseits monierte er mangelnden Fortschritt in der beschlossenen Digitalisierung der Verwaltung, namentlich in der Bearbeitung von Bauanträgen. Zwar gebe es die digitale Bauakte, sie werde aber „nicht gelebt“. Die CDU hatte in ihrem jetzt gescheiterten Antrag unter anderem gefordert, die Digitalisierung von Verwaltungsabläufen weiter zu beschleunigen, indem eine Stabsstelle in der Verwaltung und ein eigener Ausschuss geschaffen werden. Mit Digitalisierung werde Verwaltungshandeln auch preiswerter, so dass die Kreisumlage problemlos gesenkt werden könne. So sehe er aber keinen Spielraum, sie zu senken. Er teilte aus gegen die Politik einer „führungslosen und überforderten“ Bundesregierung.

SPD-Fraktionschef stichelt mit Zerwürfnis in der CDU

Wolfgang Tiekötter ging Schönbecks Ausführungen mit der Ausstellung eines Schulzeugnisses an: „Fleißarbeit, Am Thema vorbei, Note ungenügend (6), nicht versetzt, Klasse wiederholen.“ Er stichelte gegen die CDU mit dem Zerwürfnis zwischen dem vom CDU-Kreisgeschäftsführer Jörg Haferkorn geführten CDU-Stadtverband und der CDU-Fraktion in Herford. Sowohl Haferkorn als auch der Kreisvorsitzende Joachim Ebmeyer seien aus eigenen Reihen aufgefordert worden, zurückzutreten. Für SPD, Grüne, FDP und den „erstklassigen“ Landrat Jürgen Müller gelte in Zeiten einer gefährdeten finanziellen Tragfähigkeit des Systems in Bund und Land: „Wir können Krise“. Als einen Schwerpunkt hob er die Gründung einer eigenen Verkehrsgesellschaft zur Stärkung des ÖPNV im Kreis Herford hervor.

Der Haushalt mit den Ergänzungen sei sozial gerecht, ökologisch und innovativ und beweise, dass die SPD-Kreistagsfraktion es in den vergangenen Jahren immer wieder geschafft habe, mit dem Landrat Mehrheiten zu suchen. Das sei auch die Aufgabe eines Fraktionsvorsitzenden und keine Machtdemonstration, sagte er - wohl im Hinblick auf die in der „Neuen Westfälischen“ dargestellten schweren Vorwürfe im Bezug auf die Stellenbesetzung der neuen Pflegedirektion im Verwaltungsrat des Herforder Klinikums. Die geschah gegen die Empfehlung des Vorstandssprechers Peter Hutmacher. Der kündigte - auf diese Art brüskiert - an, seinen Vertrag nicht mehr verlängern zu wollen. Mitarbeiter des Klinikums sammelten daraufhin über 1.000 Unterschriften für seinen Verbleib an der Spitze des Hauses. Tiekötter zieht sich aus dem Verwaltungsrat zurück, der, so ein weiterer Beschluss der Kreistags, demnächst öffentlich tagen wird.