Schüsse auf offener Straße in Herford: Clan-Streitigkeiten bestehen seit Jahren

Herford. Zerstörte Schaufensterscheiben, Schlägereien mit Verletzten und Schüsse am helllichten Tage auf offener Straße in Herford - es war ein gewalttätiges Wochenende in der Hansestadt. Auslöser ist der seit vielen Jahren schwelende Streit zweier verfeindeter Großfamilien, der immer wieder Polizei und Justiz in Atem hält. Soweit bekannt - und hier gibt es unterschiedliche Darstellungen über den Beginn - sollen die Ursachen für die andauernde Auseinandersetzung im Bereich der Drogenkriminalität zu finden sein. Rund 26,5 Kilogramm Marihuana sowie 1,75 Kilogramm Kokain sollen Mitglieder einer der Großfamilie zwischen Mai und Juni 2016 aus den Niederlanden importiert haben. Bei der Übergabe der Drogen, durch eine zur Familie gehörenden Kurierin aus Aachen, schlugen damals Spezialkräfte zu. Das Landgericht Bielefeld verurteilte den Haupttäter zu siebeneinhalb Jahren Haft wegen Drogenhandels, seine Brüder mussten für je fünfeinhalb Jahre ins Gefängnis. Die Aussagen eines weiteren Dealers, der als Kronzeuge gegenüber den Ermittlern auftrat, hatte die Drogenfahnder auf die Spur der jungen Männer geführt. Drogengeschäfte mutmaßlich Auslöser für Streitigkeiten Eine Reaktion auf den empfundenen Verrat führte schließlich zu einer Messerstecherei am Herforder Marktkauf, bei dem zwei junge Männer lebensgefährlich verletzt wurden. Es folgte eine Auseinandersetzung an einem Taxi-Stand am Bahnhof, später Prügeleien nahe des Westrings und auch ein Messerangriff an der Diebrocker Straße. Der gleichen Adresse übrigens, an der sich jetzt die Hinterhof-Prügelei mit anschließenden Schüssen nur wenige Meter entfernt ereignete. Auslöser damals war zunächst ein Verkehrsunfall, bei dem ein 18-jähriger Mann aus Bad Oeynhausen mit seinem Auto von der Diebrocker Straße abgekommen, durch einen Garten gefahren und dann gegen eine Mauer geprallt war. Dort hielten sich zu diesem Zeitpunkt offenbar Mitglieder der rivalisierenden Großfamilie auf und werteten den Unfall als Angriff auf ihr Leben. Sie dachten, der Mann habe sie überfahren wollen. Der junge Mann wurde attackiert und erlitt schwerste Gesichtsverletzungen. Eine weitere Auseinandersetzung am Herforder Bahnhof sorgte 2017 für Aufsehen. Zwei junge Männer waren auf einen Taxifahrer losgegangen, hatten diesen schwer verletzt und sein Fahrzeug beschädigt. Einem Zeugen zufolge gingen die beiden Schläger damals mit Spitzhämmern auf den Taxifahrer los. Immer wieder Gewalttaten und Vandalismus Im März dieses Jahres wurde dann ein 50-Jähriger, der am frühen Morgen auf einem Elektroroller auf dem Gehweg an der Unterführung Niedernstraße und Auf der Freiheit nahe dem Bahnhof unterwegs war, angegriffen und schwer verletzt. Der Angriff soll die Rache dafür gewesen sein, dass eine Person aus dem Umfeld des 50-Jährigen den Audi RS 8 eines Mitglieds der gegnerischen Familie beschädigt haben soll, so die Ermittler. Der zunächst Tatverdächtige - er wurde vom 50-jährigen Verletzten der Tat bezichtigt - konnte kurz darauf von der Polizei festgenommen werden und wanderte in Untersuchungshaft. Mittlerweile kam der 33-Jährige auf freien Fuß, das Landgericht Bielefeld sprach ihn am Montag, 25. September, vom Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung frei. Das Gericht hatte Zweifel, was die Aussage des 50-Jährigen betraf. Ob der absehbare Freispruch der Auslöser für die aktuelle Gewaltserie gegenüber der Familie des 33-Jährigen ist, ist unklar. Fakt ist jedoch, dass kurz nach der Entlassung die Auseinandersetzungen wieder aufflammten und letztlich zu Sachbeschädigungen, Schlägereien und schließlich zu Schüssen auf offener Straße führten. Alle bisher erschienen Artikel zum Thema finden Sie in unsererThemen-Übersicht. Die jüngste Serie an öffentlichkeitswirksamen Auseinandersetzungen in Herford hat nun auch die Politik auf den Plan gerufen. Michael Schönbeck, Vorsitzender der CDU-Kreistagsfraktion, will die jüngsten Vorfälle der rivalisierenden Großfamilien im Kreispolizeibeirat ansprechen und hat sich dazu bereits mit dem innenpolitischen Sprecher der CDU-Landtagsfraktion ausgetauscht. "Ich gehe davon aus, dass Herford im nächsten Innenausschuss Thema sein wird", sagte Schönbeck. In einem TV-Beitrag, bei dem über die Schüsse auf offener Straße berichtet wurde, forderte Schönbeck ein härteres Vorgehen gegen die Großfamilien. Auch Bürgermeister Tim Kähler (SPD) äußerte sich zu den Streitigkeiten: "Die SPD möchte jetzt genau wissen, wie die Lage ist, um dann mit den zuständigen Stellen Lösungen zu finden." Landrat Jürgen Müller wollte auf Nachfrage der NW zum jetzigen Zeitpunkt noch kein Statement zu dem Fall abgeben. Er verwies auf das laufende Ermittlungsverfahren.

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