Hohe CO2-Belastung Bau einer neuen ICE-Trasse zwischen Hannover und Bielefeld macht laut Studie keinen Sinn

Herford. Der von der Deutschen Bahn geplante Neubau der ICE-Trasse zwischen Bielefeld und Hannover ist weder ökologisch noch ökonomisch zu rechtfertigen. Zu diesem Ergebnis kommt eine umfangreiche Studie, die die Bürgerinitiative Widuland jetzt im Herforder Denkwerk vorgestellt hat. Verfasser des achtzigseitigen Werks im Auftrag der Bürgerinitiative ist der Informatiker Klaus Radermacher von der KRBE GmbH, der sich vor allem mit der ganzheitlichen Bilanzierung von Verkehrssystemen beschäftigt. Man wolle mit der Studie einen neuen Impuls setzen und einen blinden Fleck bei der Diskussion über die ICE-Trasse schließen, sagte Jens Köster, Vorsitzender der Widuland-Initiative. Die Betrachtung des CO2-Ausstoßes beim Bau sei ein zentrales Kriterium, das von der Bahn nicht berücksichtigt werde. Die bisherige Diskussion habe gezeigt, dass durch die Fokussierung auf den 31-Minuten-Deutschlandtakt als Minimum viele Alternativen ausgeschlossen und eine faktenbasierte, transparente Bewertung schwierig sei. "Daher haben wir die Studie in Auftrag gegeben. Wir wollten wissen, wie hoch der CO2-Fußabdruck für die Infrastruktur ist und was das insgesamt bedeutet", sagte Köster. Die Studie solle ein Startpunkt sein. Je mehr Informationen zur Verfügung stünden, desto besser werde die Entscheidung, so der Vorsitzende. Materialbedarf Wo die neue ICE-Trasse verlaufen soll, steht noch nicht fest, da es mehrere Varianten gibt. Die Studie hat für die Berechnungen die Schüßler-Variante 5 herangezogen, die unter anderem durch Elverdissen, Bad Salzuflen und Vlotho führen soll. Unter anderem wurde der Materialbedarf für die Bahn-Infrastruktur an Stahl-, Beton- und Aushubmengen zwischen dieser Hochgeschwindigkeitsstrecke (HGS) mit zahlreichen Brücken und Tunneln, und der von der Bürgerinitiative Widuland vorgeschlagenen Alternative (Ausbau und Ertüchtigung der Bestandsstrecke) in Kohlendioxid (CO2) umgerechnet und verglichen. So fallen bei der Produktion von einer Tonne Stahl zwei Tonnen CO2 an, bei einer Tonne Kupfer sind es 6,6 Tonnen, bei der Produktion von einer Tonne Aluminium sogar 10 Tonnen C02. "Diese Emissionen an CO2 sind viel zu groß, um sie ignorieren zu können", betonte Klaus Radermacher. Das passiere jedoch dauernd bei der politischen und gesellschaftlichen Diskussion. Rund 172.000 Tonnen Stahl würden für den Bau der Strecke nach Variante 5 benötigt, das entspricht 17,2 Eiffeltürmen. Für die Widuland-Alternative würden laut der Studie lediglich 37.711 Tonnen Stahl verbaut. Ähnlich sieht es bei Beton aus. Hier veranschlagt die Studie bei der Variante 5 einen Verbrauch von 2,1 Millionen Kubikmeter Beton, der Ausbau der Bestandsstrecke kommt mit 250.000 Kubikmeter Beton aus. Da der endgültige Verlauf der Trasse noch nicht feststeht, zog Radermacher für die Berechnung des Materialbedarfs die Mittelwerte aus anderen Untersuchungen über vergleichbare Projekte hinzu. Insgesamt verbrauche der rund 78 Kilometer (plus 4,6 Kilometer wegen Mehrgleisigkeit) lange Neubau der Trasse zwischen Bielefeld und Hannover mit 1.083.170 Tonnen rund sechsmal so viel CO2 wie der nur 45 Kilometer lange Ausbau der Bestandsstrecke, die einen Ausstoß von 177.488 Tonnen mit sich bringen würde. Bezogen auf die Strecke zwischen Bielefeld und Hamm falle der Unterschied mit knapp 1,3 Millionen Tonnen CO2 noch deutlicher aus. Kosten-Nutzen-Verhältnis Die Studie bezweifelt zudem stark, ob der erwartete Nutzen, sprich eine deutliche Erhöhung der Fahrgastzahlen, und die Kosten für den Neubau und den Betrieb der ICE-Trasse in einem gesunden Verhältnis stehen. Ein zentraler Punkt bei der Berechnung des Verhältnisses zwischen Kosten und Nutzen seien die Fahrgastzahlen der Bahn. Da diese geheim seien, müsse die Studie sich laut Radermacher auf Prognosen verlassen. Hier gebe es allerdings große Unterschiede zwischen Prognosen und Realität. So seien nach dem Bau der HGS zwischen Berlin und München laut Deutscher Bahn eine Million Reisende vom Flugzeug auf die Bahn umgestiegen. Tatsächlich sei die Anzahl der Flugpassagiere laut Statistischem Bundesamt aber über fünf Jahre gleich geblieben. Für eine Amortisierung der aktuellen Baukosten für die Strecke Hannover-Bielefeld in Höhe von 8,4 Milliarden Euro seien bei einer veranschlagten Nutzungsdauer von 50 Jahren zusätzlich 16,8 Millionen Fahrgäste pro Jahr nötig. Bei vergleichbaren Projekten der Bahn wie dem Bau von Stuttgart 21 oder der ICE-Trasse von Ulm nach Stuttgart habe es Kostensteigerungen zwischen 50 und 100 Prozent gegeben. Dass es bei den derzeit veranschlagten 8,4 Milliarden Euro bleibe, sei daher sehr unrealistisch. Initiative Deutschlandtakt kritisiert Studie Kritik an der Studie kam noch vor der Veröffentlichung von der Initiative Deutschlandtakt. Mit den Zahlen zur CO2-Belastung, die heute für die Produktion von Beton und Stahl genannt werden, werde regelrecht Schindluder betrieben, sagte Rainer Engel, der die Interessen des Fahrgastverbandes Pro Bahn und der Initiative Deutschlandtakt vertritt. "Es sind Zahlen von vorgestern, die gegen Projekte der Zukunft eingesetzt werden", so Engel. Die Umstellung auf erneuerbare Energien für die Produktion von Stahl und Beton sei in vollem Gange. Die Entwicklung von Baustoffen schreite ebenfalls voran. "Bis Stahl und Beton gebraucht werden, vergehen noch zehn Jahre und dann wird nichts mehr wie früher sein." Engel warf der Bürgerinitiative Widuland vor, mit Halbwahrheiten Angst zu verbreiten. Zudem rechne die Studie nicht ein, was in Herford, Hiddenhausen-Schweicheln, Löhne und Minden an Beton notwendig sei, um die vielen ICE durchzuschleusen. Hier seien massive Umbauten bis hin zum Abriss notwendig, um die Strecke zukunftsfähig zu machen. Die Argumente von Widuland richteten sich direkt gegen die Verkehrswende und den Klimaschutz und gegen die Interessen von Ostwestfalen-Lippe als Wirtschaftsstandort. Es gehe bei einer Neubaustrecke von Bielefeld nach Hannover um viel mehr als um zehn Minuten Fahrzeitgewinn. "Eine Neubaustrecke hat auch positive Folgewirkungen, aber davor verschließen sogar Bundestagsabgeordnete der Region Augen und Ohren."

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