Kreiskliniken Herford-Bünde hoffen auf schnelle Umsetzung der Krankenhaus-Reform

Kreis Herford. Das Klinikum Herford steht hinter der Krankenhaus-Reform, wie sie in NRW geplant, dann zwischen Bund und Ländern mit einem zusätzlichen Eckpunktepapier versehen und am 10. Juli bekannt gegeben wurde. Geplant ist demnach eine Abkehr vom System der Fallpauschalen, stattdessen sollen 40 bis 60 Prozent der Krankenhaus-Kosten über Vorhaltepauschalen und ein Pflegebudget gedeckt werden. Zudem sollen nicht mehr alle Häuser alle Leistungen anbieten. Mit anderen Worten: Den Klinken steht ein Konzentrationsprozess bevor. Vorstandssprecher Peter Hutmacher hält die Reform aus gesundheitsgesellschaftspolitischer Sicht für sinnvoll. Denn ohne eine Konzentration mit Leistungsschwerpunkten müssten die Krankenkassenbeiträge wohl stark angehoben werden, wie er meint. Die Kliniken kämen aber auch nach der Reform ihrem Versorgungsauftrag nach und würden zudem von Fachkräften profitieren, die dadurch frei werden, dass nicht mehr überall alle Leistungen angeboten werden. Hutmacher hofft darauf, dass die Strukturreform schneller umgesetzt wird, als vor 20 Jahren die Einführung der Fallpauschalen: Das werde Sicherheit in die Planung bringen, und die brauchten die Krankenhäuser. Wie berichtet, stehen zahlreiche Kliniken unter großem Finanzdruck, den Mühlenkreiskliniken fehlen beispielsweise 26 Millionen Euro. Das Verfahren Bis November 2022 hatten sich alle Krankenhäuser für die Leistungsgruppen, die sie anbieten wollen, mit den qualitativen Strukturen dahinter bewerben müssen. Ein Beispiel: Will eine Klinik Bauchaortenaneurysmen behandeln, benötigt sie drei Gefäßchirurgen sowie die intensivmedizinische und gerätetechnische Struktur dahinter, so Hutmacher. Die Häuser mussten für jede einzelne Leistung belegen, dass sie die qualitativen Anforderungen erfüllen können. In einer zweiten Phase bis Februar 2023 bewerteten die Krankenkassen die Bewerbungen. Die Vorgabe war dabei: Krankenkassen und Kliniken sprechen miteinander und finden einen Konsens (Einvernehmen) oder erklären einen Dissens (Uneinigkeit). Mitte Mai war dieses Verfahren abgeschlossen. Die Kassen gaben dann ein erstes Votum dazu ab, ob sie bestimmte Leistungen an den jeweiligen Krankenhaus-Standorten noch für sinnvoll halten. Bis Ende Mai nahmen sie in Gesprächen mit den Kliniken noch Änderungen vor. Mit ihrem letzten Votum wechselte der Prozess auf die Ebene der Bezirksregierung und des Landes. Die Krankenhäuser teilten zudem mit, ob sie einverstanden sind oder nicht. Für das Lukas-Krankenhaus Bünde und für das evangelische Krankenhaus Enger besteht Hutmacher zufolge ein 100-prozentiger Konsens, für das Klinikum in Herford ein 96-prozentiger. Über vier Prozent der Leistungen besteht demnach dort noch Uneinigkeit. Die letzte Entscheidung zu den umstrittenen Punkten soll noch 2023 fallen. An den Gesprächen mit Vertretern des Landes und der Bezirksregierung werden auch Institutionen wie die Ärztekammern beteiligt. Am Ende ergeht ein Feststellungsbescheid. Worin Einigkeit besteht Hutmacher macht an einem Beispiel deutlich, worin Konsens besteht: In Bünde und Herford gibt es jeweils eine Orthopädie/Unfallchirurgie mit Wirbelsäuleneingriffen. Die Gesamtgruppe Orthopädie/Unfallchirurgie umfasst fünf Leistungsgruppen: Knieprothesen, Hüftprothesen, Revision Hüftprothesen (Revision meint den Ersatz von Prothesen nach deren Verschleiß), Revision Knieprothesen und Wirbelsäuleneingriffe. Einigkeit besteht nun darüber, dass an beiden Standorten die planbaren Operationen in den Bereichen Hüft- und Knieprothesen erhalten bleiben, in Bünde zudem die Revision der Hüft- und Knieprothesen, in Herford die Wirbelsäuleneingriffe. Die Orthopädie/Unfallchirurgie bleibt also an beiden Standorten erhalten - allerdings in beiden Städten mit verschobenem Leistungsspektrum. Der Kliniksprecher hält das für eine gute Lösung, die ihn insbesondere nach der Fusion des Klinikums Herford mit dem Lukas-Krankenhaus Bünde zum 1. Januar nicht mehr beunruhigen muss. "Das sind Konzentrationsprozesse an einzelnen Standorten. Als Kreisklinikum mit zwei Standorten können wir das natürlich so akzeptieren." Mehr Patienten Hinzu kommt, dass mehr Patienten an den jeweiligen Standorten die verbleibenden Leistungen in Anspruch nehmen werden als bisher. Denn nicht mehr an allen Krankenhäusern in der Region werden Hüft- und Knieprothesen operiert. Im Mathilden-Hospital stehen sie beispielsweise auf der Streichliste der Krankenkassen. Ob es tatsächlich soweit kommt, wird aber erst der weitere Prozess bis Ende des Jahres zeigen. Ambulante Operationen Eine Rolle bei der jetzigen Strukturreform spielt auch, dass zunehmend Operationen ambulant durchgeführt werden, zum Beispiel an den Augen. Die Ambulanz hat sich in diesem Bereich in Bünde bereits gut etabliert. Die Kreiskliniken folgten daher auch hier dem Vorschlag der Krankenkassen zur Ambulantisierung, zumal Bünde im Bereich der Orthopädie - in der Hüft- und Knieprothetik - künftig deutlich mehr Leistungen zugesprochen bekommt, wie Hutmacher sagt. Strittige Bereiche der Viszeralchirurgie Uneinig sind sich die Kreiskliniken und die Krankenkassen bei den Bauchspeicheldrüsen- und Speiseröhren-Eingriffen, die derzeit in Bünde und in Herford angeboten werden. Die Kassen wollen diese Leistungen an beiden Standorten streichen. Das Klinikum will sie aber nicht verlieren. "Wir haben in Herford eine große Abteilung Viszeralchirurgie mit diesem Schwerpunkt", sagt Hutmacher. "Wenn wir die Leistungen verlieren würden, hätten wir im ganzen Kreis Herford kein Krankenhaus mehr, das diese Eingriffe macht." Und die Kreiskliniken seien immerhin Universitätsklinik im Bereich Viszeralchirurgie/Thoraxchirurgie. Deshalb schlägt der Vorstandssprecher vor, den Bereich in Herford zu konzentrieren. Umstrittene Fallzahlen Eine weitere Uneinigkeit besteht hinsichtlich der Fallzahlen, zum Beispiel im Bereich der neurologischen Früh-Reha. Sie ist der eigentlichen Reha vorgelagert und beispielsweise nach Schlaganfällen sinnvoll. Die Krankenkassen sehen sie nur noch an vier Standorten OWL-weit vor - mit Fallzahlen in gleicher Höhe für alle vier Kliniken, die aber auch einen 20-prozentigen Spielraum nach oben und unten hätten. Nun habe das Klinikum Herford in dem Bereich aber schon vor Jahren eine sehr komplexe Leistungsstruktur aufgebaut, sagt Hutmacher. Ab August will es deshalb die neurologischen Früh-Reha-Betten von fünf auf zehn aufstocken - und deshalb auch die Fallzahlen nicht begrenzt wissen. "Darüber wird es noch Diskussionen geben", sagt Hutmacher. Herzschrittmacher Klar stellt Hutmacher, dass zwar auf der Streichliste der Kassen am Standort Bünde Herzschrittmacher stehen, dies aber missverständlich sei. Denn es gehe dabei um sehr wenige Operationen mit sehr komplexen Herzschrittmachern im Bereich Kardiale Devices, die künftig in Herford gemacht werden sollen. Einfache Herzschrittmacher würden auch weiterhin in Bünde eingesetzt. Notfallversorgung Bund und Länder müssen Hutmacher zufolge noch Vereinbarungen über die Notfallversorgung treffen. Da gebe es drei Qualitätsstufen: Bünde halte eine Basisversorgung vor (unterste Stufe), Herford erfülle die höchste Stufe. In Zukunft werde es in diesem Bereich weitere Abstufungen geben, sagt Hutmacher. Bereits umgesetzt hat das Klinikum die Ein-Tresen-Lösung: Patienten werden an einem Tresen entweder der Notaufnahme des Klinikums oder der Notfallpraxis der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe zugeordnet. Die Ärzte können sie aber auch jederzeit in den jeweils anderen Bereich überführen. Sinnvoll ist die Ein-Tresen-Lösung vor allem in Fällen, in denen keine echten Notfälle vorliegen, die also in die Notfallpraxis gehören. Vorhaltepauschalen 40 bis 60 Prozent der Kosten für das Vorhalten der Leistungen sollen künftig pauschal und nicht mehr über Fallpauschalen gezahlt werden. Hutmacher zufolge ist noch unklar, wie die Berechnung im Einzelnen aussehen wird, deshalb sehe er die Finanzierung kritischer als den Konzentrationsprozess. Klar scheint zu sein, dass es nicht mehr Geld gibt, als das Fallpauschalen-System derzeit kostet. Hutmacheer plädiert für eine schnelle Umsetzung der Reform. Je länger der Prozess dauere, bis die Finanzierung geklärt sei, desto mehr Krankenhäuser würden zwischenzeitlich in die Insolvenz gehen, sagt er. Damit werde allerdings auch Geld frei - darunter Fördermittel -, das auf die verbliebenen Häuser verteilt werden könne.

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