Sollen Polizisten ihre Bodycams immer eingeschaltet haben? Nein, sagt die Polizeigewerkschaft

Herford/Bad Salzuflen. Auf viele Fragen des aus dem Ruder gelaufenen Polizeieinsatzes in Bad Salzuflen, bei dem nach einer Verfolgungsfahrt ein 19-jähriger Herforder angeschossen und schwer verletzt worden ist, gibt es nach wie vor keine Antworten. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hat ihre eigene Meinung zu dem Einsatz und stellt zugleich Forderungen für die Zukunft auf. Problem 1: Zu junge Beamte Die Altersstruktur vieler Polizeibehörden habe sich in den vergangenen Jahren nach Ansicht der GdP "stark verändert". Der Grund: Jahrelang seien zu wenige neue Polizisten eingestellt worden. Das habe heute zur Folge, dass es oftmals nur ältere Beamte gebe - oder ganz junge, die direkt nach ihrem Studienabschluss, also ohne größere Erfahrungen im Polizeidienst, auf die Polizeibehörden verteilt würden. "Das ,mittlere Dienstalter, und damit eine ausgewogene Mischung fehlt oftmals", heißt es in einer Stellungnahme der GdP, die der NW vorliegt. In den Tagen nach dem Einsatz war wiederholt darauf hingewiesen worden, dass es vorwiegend junge Beamte gewesen seien, die an der knapp 20 Kilometer langen Verfolgungsfahrt von Herford nach Bad Salzuflen beteiligt waren. Sechs junge Polizisten waren es dann auch, die 34 Schüsse auf den 19-Jährigen abgegeben haben. Diese "Fragen der Verhältnismäßigkeit aller polizeilichen Eingriffsmaßnahmen" gelte es zu überprüfen, schreibt die Gewerkschaft. Problem 2: Die abgegebenen Schüsse Nachdem es der Polizei in der Nacht zum 3. Juni gelungen war, den Fluchtwagen in eine Sackgasse zu verfolgen, soll der 19-Jährige noch einmal beschleunigt und auf mindestens zwei Beamte zugefahren sein. In der Folge haben sechs Polizisten insgesamt 34 Schüsse auf den jungen Herforder abgegeben. Dieser wurde lebensgefährlich verletzt und mit einem Rettungshubschrauber in die Medizinische Hochschule Hannover geflogen. Aktuell sieht es so aus, als wenn er querschnittsgelähmt bleiben könnte. Die Schusswaffenausbildung für Polizisten beinhalte "in einem ausgewogenen Verhältnis sowohl Übungsszenarien zum Schießen als auch zum Nicht-Schießen für die Studierenden", so die GdP. Alle Polizisten seien "intensiv auf Einsatzsituationen mit Schusswaffengebräuchen vorbereitet", sagt Patrick Schlüter, Vorsitzender der GdP in OWL. Und weiter: "Die Anzahl der am Ereignisort abgegebenen Schüsse erscheint hoch. An Spekulationen darüber, welche Ursache diesem Umstand zugrunde liegt, werden wir uns nicht beteiligen. Es stehen noch unzählige Ermittlungsergebnisse aus. Prognosen oder Einschätzungen, welche Auswirkungen diese auf die Polizei haben könnten, ebenso wie Vorverurteilungen verbieten sich somit." Patrick Schlüter: &bdquo;Wir müssen die Ergebnisse der Ermittlungen abwarten, erst dann kann seriös bewertet werden, ob überhaupt und falls ja, welche Rückschlüsse aus dem Einsatzverlauf zu ziehen sind." Problem 3: Ausgeschaltete Bodycams Warum hatten die Polizisten die Bodycams nicht eingeschaltet? Diese Frage wird seit dem Einsatz diskutiert. Gäbe es Videoaufnahmen von der Verfolgungsfahrt und dem abschließenden Einsatz in Bad Salzuflen, würden die Ermittlungen wohl einfacher verlaufen. So ist die Mordkommission am Polizeipräsidium Bielefeld, die mit der Aufklärung beschäftigt ist, in weiten Teilen auf Zeugenaussagen angewiesen. Und zumindest die Polizisten, die die Schüsse abgegeben haben, haben sich nach Angaben von NRW-Innenminister Herbert Reul bislang nicht geäußert. Klar ist, dass es keine Vorschrift gibt, die die Beamten verpflichtet, ihre Bodycams einzuschalten. Eine solche Pflicht lehnt die GdP eigenen Worten zufolge auch ab. Ein Grund aus Sicht der Gewerkschaft: Es gebe "keine konkrete Integration" der Kameras "in die Einsatzkonzeption der Polizei NRW". Konkret heißt es von der GdP dazu: "Wer eine Einschaltverpflichtung will und fordert, muss dafür zunächst eine ausreichende Rechtsgrundlage schaffen. Unter den aktuellen rechtlichen Voraussetzungen ist dies nicht umsetzbar."

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