Nach Verfolgungsfahrt mit Polizeischüssen: Sondersitzung des NRW-Innenausschusses

Herford/Kreis Lippe/ Düsseldorf. Das dramatische Ende einer Verfolgungsfahrt mit mehr als 30 Schüssen aus sechs Dienstpistolen der beteiligten Polizeibeamten auf das Fluchtauto eines 19-jährigen Herforders beschäftigt nun auch die Politik in Düsseldorf. Die SPD-Landtagsfraktion hat eine Sondersitzung des Innenausschusses beantragt, um aufzuklären, wie es zu dem Vorfall kommen konnte und weshalb der Einsatz dermaßen eskaliert ist. Die Sitzung ist bereits für kommenden Mittwoch, 21. Juni, um 9 Uhr angesetzt. Innenminister Herbert Reul (CDU) soll darin den aktuellen Stand rund um den lippischen Einsatz berichten. &bdquo;Dass bei einem solchen Einsatz mehr als 30 Schüsse aus sechs verschiedenen Dienstwaffen fallen, ist äußerst ungewöhnlich", sagt die innenpolitische Sprecherin Christina Kampmann (SPD). Weil die Hintergründe "bis heute ungeklärt" seien, müsse sich die Politik nun einschalten: "Das Aufklärungsinteresse in der Öffentlichkeit ist entsprechend groß. Daher muss der Einsatz jetzt umfassend aufgearbeitet werden.“ Die vielen offenen Fragen sind aus Sicht der innenpolitischen Sprecherin auch der Grund dafür, weshalb die SPD-Fraktion zu einem recht frühen Zeitpunkt auf eine politische Auseinandersetzung bestehe, obwohl die polizeilichen Ermittlungen noch im vollen Gange sind. "Vieles scheint sich nicht so darzustellen, wie es am Anfang zunächst dargelegt wurde", sagt Christina Kampmann. Das rufe ein besonderes Augenmerk auf den Plan. Gerade weil der angeschossene Jugendliche wohl bleibende Schäden von dem Polizeieinsatz davon trage, müsse der politische Diskurs direkt beginnen. CDU kritisiert den Schnellschuss der SPD Anders sieht das die Regierung. Die CDU hält eine Sondersitzung etwa drei Wochen nach dem Vorfall für viel zu verfrüht, auch wenn jede Partei grundsätzlich das parlamentarische Recht dazu habe, bestätigt der lippische CDU-Landtagsabgeordnete Klaus Hansen, der als stellvertretendes Mitglied Teil des Innenausschusses ist. "Die Ermittlungen sind ja nicht mal abgeschlossen, wir werden kaum eine Informationsgrundlage haben, auf der wir diskutieren können", sagt Hansen. Bis dahin müsse aus seiner Sicht von Spekulationen, Schuldzuweisungen und Vorverurteilungen Abstand genommen werden. Schließlich täte die Polizei alles, um Bürgerinnen und Bürger zu schützen. Die SPD-Fraktion versuche, mit ihrem Antrag, "unschöne Politik" auf den Rücken derer zu machen, die bei ihren täglichen und teils schwierigen Einsätzen stets um Sicherheit bemüht seien. Schwierig wird es allemal, in der kommenden Woche schon Antworten auf die vielen offenen Fragen zu bekommen. Innenminister Herbert Reul wird nämlich nicht auf die laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Detmold und des Polizeipräsidiums Bielefeld eingehen können, das weiß auch Christina Kampmann (SPD). Dennoch erhoffe sich die Partei, die politische Bedeutung dieses Einsatzes entsprechend hervorzuheben. Alleine die exorbitante Anzahl der abgegebenen Schüsse müsse auf einer politischen Ebene bewertet werden. Die Staatsanwaltschaft in Detmold lässt sich durch den politischen Vormarsch nicht aus der Ruhe bringen. Die Sondersitzung des Innenausschusses habe keinen Einfluss auf das laufende Verfahren, teilt Staatsanwältin Johanna Bretthauer dazu mit. Derzeit gebe es auch keine weiteren Informationen zu neuen Ermittlungserkenntnissen. Die meisten Presseanfragen lässt die Staatsanwältin daher unbeantwortet. Das sagt der Landtagsabgeordnete Christian Dahm aus Herford Dabei sehnt sich insbesondere auch die Politik nach Antworten. "Wir wollen schlicht und einfach Informationen", sagt dazu der SPD-Landtagsabgeordnete aus dem Kreis Herford, Christian Dahm. Vor seiner Abgeordnetentätigkeit hat Dahm selbst jahrelang als Polizist gearbeitet, ist also durchaus vertraut mit internen Abläufen bei Einsätzen der Polizei. Dahm sagt: "Bisher gab es keine Informationen an die Politik." Offenbar habe die Staatsanwaltschaft "weitergehende Erkenntnisse", aber "wie sehen die aus?", fragt Dahm, der an der Sondersitzung des Innenausschusses in der kommenden Woche selbst teilnehmen möchte. Auch soll es dabei um die Verletzungen der Beteiligten gehen. Der 19-jährige Fahrer des Fluchtwagens wurde von mehreren Schüssen getroffen und schwer verletzt. Auch ein Beamter erlitt bei dem Einsatz Verletzungen. Ob diese aus Querschlägern stammen oder er sich anderweitig verletzt habe, wolle man vom zuständigen Minister Herbert Reul (CDU) wissen. Dahm stellt aber auch klar: "Es geht jetzt nicht um Kritik an der Landesregierung oder Kritik an der Polizei. Aber wir möchten als Politik informiert werden über die Vorkommnisse." Der SPD geht es mit ihren Fragen nach eigener Aussage aber auch um zukünftige Einsätze: Was für Lehren können aus dem Vorfall im Kreis Lippe gezogen werden? Eine Lehre könnte sein, dass die dienstlichen Vorgaben zum Einsatz der Bodycams der Beamten nicht ausreichend sein. Zwar müssen die Polizisten in NRW bei bestimmten Einsatzlagen eine Bodycam mitführen. Ob sie diese allerdings einschalten, ist weitgehend ihnen selbst überlassen. Dahm: "Es könnte sinnvoll sein, hier nachzubessern und zum Beispiel bestimmte Einsatzlagen zu definieren, in denen es vorgeschrieben wird, dass die Kameras eingeschaltet werden müssen." Alle Artikel zum Thema finden Sie hier.

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