Demo mit 200 Menschen: Radfahrer fordern mehr Raum für sich auf Herforder Straßen

Herford. Über 200 Radfahrerinnen und Radfahrer machten sich am späten Montagnachmittag bei hochsommerlichen Temperaturen und unter Begleitung der Polizei zur Fahrrad-Demonstration auf. Es ging wie seit Jahren praktiziert in eine Runde auf fahrradunfreundlichen Hauptstraßen rund um die Herforder Innenstadt. Insbesondere auf der Mindener Straße kam es zeitweise zum Stau im Straßenverkehr. Nicht auf dem eigenen Zweirad dabei war dieses Mal die Mitorganisatorin Irmgard Pehle. Die passionierte Alltags-Radfahrerin ist sowohl als Mitglied der Naturfreunde Herford wie als Kreissprecherin von Bündnis90/Die Grünen engagiert im Kampf um Gleichberechtigung und Sicherheit von Radfahrern im Verkehr. Was es heißt, wenn die Verkehrsführung nicht optimal ist und wenn Autofahrer nicht aufmerksam fahren, hat sie am eigenen Leib erfahren müssen. Im April hat sie ein Autofahrer auf dem Radweg des Kreisverkehrs Engerstraße/Westring angefahren. Sie stürzte und wurde schwer verletzt. Irmgard Pehle im Petrimobil unterwegs Die Ärzte mussten Pehle eine künstliche Hüfte einsetzen. Noch immer kann sie nicht Fahrrad und darf nicht Auto fahren. Doch sie darf sich fahren lassen. Und so hat sie im Petrimobil der Petri-Kirchengemeinde hinter Kerstin Bruns Platz genommen und in dieser modernen Interpretation einer Rikscha die Demonstration angeführt. Ihr Unfall war auch Anregung dafür, in diesem Jahr die Demo in Richtung Westring auszuweiten. Zur Demo eingeladen hatten laut Flyer Aktive aus ADFC, BUND, Grünen, Bürgerinitiative Stiftberg – Verkehrswende jetzt!, Linke, Evangelischem Kirchenkreis, Fla Fla, Friedensfördernder Energiegenossenschaf, Fridays for Future, Naturfreunde, Parents for Future, Recyclingbörse, SPD, Verein am Lambach und VCD KV Minden-Lübbecke-Herford. Los ging es auf dem Rathausplatz und über den Alten Markt. Auf dem Markt wünscht sich Pehle weniger Busse, um es den Radfahrern leichter zu machen. Johannisstraße und Berliner Straße sind Klassiker auf der Demo-Strecke. Hier fehlen geschützte Strecken für Radfahrer. "Auf der Berliner Straße fehlt jegliche Infrastruktur für Radfahrer. Die parallel laufenden Wälle sind nicht einfach zu befahren, weil sie oft zerteilt sind, und sind keine Lösung für alle. Ich meine, man muss auch als Radfahrer schnell von A nach B kommen können", sagt Pehle. Zankapfel Mindener Straße Die Mindener Straße gehört in einem bis Ende des Jahres angesetzten Verkehrsversuch ab Theaterkreuzung stadtauswärts zur Hälfte den Radfahrern. Ihnen sind im Prinzip die beiden äußeren Fahrstreifen der ursprünglich vierspurigen Hauptstraße zugewiesen. In desolatem Zustand sind hier die ursprünglichen, rot gepflasterten Radwege. Das gilt verschärft für auch den Radweg zwischen Berliner Straße und Theater. Hier müssen Radfahrer an besonders huckeligen und gesperrten Stellen nach Rechtslage sogar entweder absteigen oder auf die Straße ausweichen. Dieser Straßenabschnitt ist nicht Teil des Verkehrsversuches. Der Landesbetrieb Straßen-NRW soll aber bereit sein, auch hier Platz für Fahrradfahrer zu schaffen. Irmgard Pehle geht das aber zu langsam voran. Da wo der Verkehrsversuch läuft, klagen Autofahrer immer wieder über Stausituationen und sagen: "Da fährt doch kaum ein Radfahrer, gebt uns die Spuren zurück." Irmgard Pehle denkt naturgemäß anders. Für sie ist die Verkehrsführung auch hier noch nicht für Radler ideal. Zudem gebe es immer wieder Autofahrer, die auf der Fahrradspur wenn auch nicht parken, so doch halten, etwa um zu telefonieren. Pehle: "Es müsste eine durchgehende Spur für Radfahrer mit allem Pipapo sein." Verkehrsführung einer Kreuzung versteht nicht jeder Die Fahrraddemonstranten fuhren die Mindener Straße aber nicht bis zur Umgehungsstraße, sondern bogen in die Waltgeristraße Richtung Hansastraße ab. "Die Nebenstraße ist streckenweise so eng, da ist es nicht einfach für Radfahrer und Autofahrer", meint Pehle. Auf der Kreuzung Goebenstraße/Hansastraße/Sophienstraße hat die Stadt schon fortschrittliche Fahrradspuren aufgemalt, die aber nicht jeder Verkehrsteilnehmer versteht. Pehle wünscht sich hier Aufstellflächen für Fahrräder auf ganzer Breite der Linksabbiegespuren kurz vor der Ampel. Für eine Katastrophe hält sie auch die Situation für Radler rund um den Bahnhof und die Bahnunterführung Richtung Enger/Bünde. Auf dem Radweg vor der Geschäftszeile müsse man sich durch die Leute durchschlängeln. Im Straßenraum als Ausweichmöglichkeit sei es hier auch unübersichtlich: "Da rechnen Autofahrer nicht mit Radlern." Bahnunterführung ist Herausforderung für Radler Wer aus Richtung Herringhausen in Richtung Bahnhof durch die Unterführung fahre, könne hier die Straße oder den rechten Fußweg benutzen. Dann könne er sich überlegen, ob er an der Bahnhofskreuzung über die Ampeln schiebe, oder umständlich die Unterführungen und die wendelförmige Rampe benutze. Pehle wünscht sich, dass die Radfahrer in der Unterführung Fahrradstreifen bekommen, deren Begrenzung nicht von Autos überfahren werden sollte. Bei den Kreisverkehren Diebrocker Straße und Engerstraße am Westring ist von Straßen-NRW geplant, dass Radfahrer und Autofahrer nicht erst unmittelbar am Kreisverkehr zusammentreffen. Die Radfahrer sollen vielmehr schon deutlich vor dem Kreisel auf die Straße geführt werden, damit sie von Autofahrern rechtzeitig gesehen werden. Pehle begrüßt diese Planung und wünscht sich eine schnellere Umsetzung, auch wenn ihr Bäume zum Opfer fallen. Eine bekannte Forderung der Radfahrer sind sichere Fahrradspuren an allen Herforder Hauptverkehrsstraßen einschließlich Innenstadtring. Unter dem Strich wünscht sich Irmgard Pehle, dass Autofahrer Verständnis dafür entwickeln, dass Radfahrer gleichberechtigte Verkehrsteilnehmer sind, denen Raum gegeben werden muss, auch wenn es Autofahrer Zeit kostet. Und: "Es geht um Rücksichtnahme, nicht Rechthaberei." Straßenverkehr schluckt viel Energie Pfarrer Berthold Keunecke von der Emmaus-Gemeinde und Barbara Rodi von der Friedensfördernden Energie-Genossenschaft nahmen Zwischenstopps zum Anlass, um auf die ökologischen Folgen des motorisierten Straßenverkehrs aufmerksam zu machen. Barbara Rodi beklagte den hohen Energieverbrauch des Verkehrs. Von 2010 bis 2020 sei die Zahl der Pkw um 14 Prozent gestiegen, insbesondere große SUV würden gefahren. "Die Zukunft macht mir Angst", sagte Keunecke. "Wir stehen vor der Klimakatastrophe, der Kapitalismus führt uns in eine Sackgasse. Es werden unglaubliche Summe für das Militär ausgegeben, die für die Bewältigung von Zukunftsproblemen gebraucht würden. Aktivitäten wie diese helfen gegen Angst." Lesen Sie hier mehr zum Thema: Rennradfahrer bei Zusammenprall mit Auto in Enger tödlich verletzt

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