Highlight im Sommer: So war das Herforder Landluftkonzert

Herford. Standing Ovations für die Nordwestdeutsche Philharmonie, für Solisten und Moderation - das kennt man vom beliebten Landluftkonzert. Es findet seit 2011 als ein kulturelles und gesellschaftliches Highlight des Sommers auf dem Spargel- und Erdbeerhof von Laar statt. Doch ein aus voller Kehle mitsingendes, Fähnchen schwingendes, Hüte werfendes und fast tanzendes Publikum so wie an diesem Fronleichnamsfeiertag - das hatte es noch nicht gegeben. Dazu musste erst das britische Thema "Last Night of the Proms" ins Programm gehoben werden. "Land of Hope and Glory - Land der Hoffnung und des Ruhms“ schmetterte es aus weit über 1.000 Kehlen und die Zuschauer einschließlich Regierungspräsidentin, Landtagsabgeordnetem, Landrat, Bürgermeister und Organisatior Werner Seeger wedelten mit der britischen Flagge, dem Union Jack. Das Stück gilt als inoffizielle Hymne Großbritanniens und als ein Höhepunkt der legendären "Last Night". Mit ihr gehen alljährlich die seit 1895 stattfindenden klassischen Promenadenkonzerte in der Londoner Royal Albert Hall zu Ende. Es ist dann eine Stimmung wie Karneval im Saal, das kostümierte Publikum stört vorsätzlich das Konzert mit Lärm und Zwischenrufen und Musiker und Millionen Fernsehzuschauer in aller Welt erfreuen sich daran. Schattenplätze waren begehrt Die neue Moderatorin des Herforder Events, Julia Ures, hatte die Ostwestfalen und Lipper zu so viel Ausgelassenheit im klassischen Konzert erst ermuntern müssen - schließlich ist man hierzulande eher von der Sorge umgetrieben, im falschen Moment zu klatschen. Ohnehin hatte die Brakelerin mit humorvollen und kenntnisreichen Moderationen schnell die Herzen der Zuschauer erobert - was schließlich auch der beliebte Vorgänger Hartmut Brandtmann erleichtert feststellte. Es waren aber auch wieder traumhafte Bedingungen für einen gelungenen Nachmittag und Abend. Die Sonne schien vom Himmel - da war anfangs Schatten begehrt und viele erfahrene Gäste waren mit Regenschirmen gut gerüstet. Denn obwohl das eigentliche Konzert erst um 18 Uhr startete, strömten die Menschen ab 15 Uhr auf das weitläufige, malerische Hofgelände mit Fachwerkhäusern und einem Teich. In dem blühten die erste Seerosen und die Schwalben tranken im Flug einen Schluck Wasser. Am Nachmittag war gesellige Picknickzeit Der Nachmittag war gesellige Picknickzeit. Die Leute ließen sich an Biertischen und auf Decken und auf der Terrasse des Restaurants nieder, um zu genießen, was die Gastronomen zu bieten hatten. Sei es Erdbeerkuchen, Krustenbraten, Brezeln und Spargelbratwurst nach Art des Hauses von Laer oder Erdbeerbowle der Familie Laffontien. Mancher Freundeskreis hatte sich aber auch einen wohlgefüllten Picknickkorb selbst mitgebracht. Da gab es Salate, Pies, Frikadellen und Allzubritisches wie labberige Gurkensandwiches. Dirk Brune, Sabine Wiehe, Claudia und Jörg Kuhlmann hatten sich mit Union-Jack-Dekoartikel kostümiert und eine Pimm's-Bowle aus Gurken-, Apfel- und Orangenstückchen mit Likör, Zitronenlimonade und Ginger Ale angesetzt. Die gab es auch immer beim Sommerempfang der britischen Offiziere in der Wentworth-Kaserne, bis die britischen Truppen Herford Ende 2015 verlassen haben. "Ich mag das Land und bin oft dagewesen", sagte Jörg Kuhlmann. Natürlich hat er unlängst auch die Krönung von Prinz Charles zum König im Fernsehen mitverfolgt. Ihn wundert nicht, dass die Karten zum Landluftkonzert so schnell vergriffen waren: "Das liegt am Thema." "High Tea" am Biertisch auf dem grünen Hügel Ein ganzes Büfett zum "High Tea" hat der Freundeskreis Wehrmann/Hillbrand/Horst auf einem Biertisch auf dem grünen Hügel am Teich aufgebaut. "Auf uns, auf einen schönen Abend", prosteten sie sich zu. Sie waren schön öfter auf dem Landluftkonzert, doch haben sie das erste Mal "so aufgefahren." Ein Freundeskreis um Ruben Heinemann machte Picknick wie beim Glyndebourne-Festival an einem riesigen alten Landhaus in Südengland, das die Heinemanns zu Pfingsten besucht haben. Die Heinemanns wissen, dass die Briten Hunde lieben. So ist nun auch ihr Retro-Mops "Buddy" dabei und trägt eine Union-Jack-Schleife. Gegen 17 Uhr horchten die Picknicker erstmals auf: Das Orchester spielte sich ein unter Leitung von Dirigent Frank Beermann. Die Solistin Julia Bauer gab eine erste Kostprobe ihres fantastischen Soprans. "Auf die Open-Air-Akustik kann sich das professionelle Orchester einstellen und wir werden hier ja auch verstärkt", sagte Frank Beermann. So überzeugte der Klang tatsächlich auch jenseits der zu Hunderten aufgestellten Klappstühle. Beim Einspielen war es für Beermann noch Hoffnung, dass bei der bewusst gewählten britischen Richtung des Konzerts "Stimmung aufkommt". Doch auch südeuropäisches Temperament war gefragt, denn bei den Proms spielt immer auch die Musik eines Gastlandes eine Rolle - hier besonders Spanien. Erhebende Feuerwerksmusik zum Einstieg Los ging es aber dann mit der Ouvertüre zu Händels erhebender Feuerwerksmusik, die 1749 in London uraufgeführt wurde. Schon da: Gänsehaut bei 25 Grad im Schatten. "Wie schön, dass wir uns gemeinsam auf eine schwungvolle Reise nach Großbritannien begeben", sagte Julia Ures und erinnerte an den Zungenbrecher TH (Tie Aitsch) aus dem Englischunterricht, das sie hier als "traumhafter Hof", und "Thunderous Applause" - donnernder Applaus - deutete. Es steht auch für "Tenorhorn" - das Instrument, mit dem der Soloinstrumentalist Andreas Martin Hofmeir das Publikum dann begeistert hat. Ures begrüßte an dieser Stelle die Ehrengäste und dankte Volksbank, Westfalen-Weser, Herforder Brauerei und der Neuen Westfälischen für die Unterstützung des Konzertes und leitete über zu Bizets wilder Carmen. Ures wusste auch für die Stimme der "wundervollen" Julia Bauer zu schwärmen: "Ein Sopran mit Koloratur-Fähigkeit , das ist eine besondere Beweglichkeit vor allem im hohen Register." Nach dem Publikum in Opernhäusern in Tokyo, USA, Wien, Valencia, Sevilla und vor allem Deutschland hat sie nun auch in Herford überzeugt. Witz und Charme taten ihr übriges. Tenorhorn: "Besser als das Steichergerümpel" Es gab auch Momente im Konzert, in denen man die Stecknadel hätte fallen hören können. Das war in den ruhigen, melancholischen Passagen des Tubakonzerts von Ralph Vaughan Williams der Fall - zum Weinen schön. Doch dann die Ernüchterung: Im dritten, bedrohlichen Satz arbeitete der Komponist Bombenangriffe von Nazideutschland auf London auf. Der Solotubist und Salzburger Musikprofessor Andreas Martin Hofmeir, der auch Gründungsmitglied der außergewöhnlichen Blasmusikgruppe "LaBrassBanda" ist, bewies später bayerischen Humor, als er sein "hochentwickeltes" Instrument in den Himmel lobte - jedenfalls sei es allemal besser als das "Streichergerümpel" im Orchester hinter ihm. Streicher und Kollegen der NWD begeisterten natürlich "ihr" Publikum. Und so tanzte es auch mit, als das Konzert mit der südamerikanischen Zugabe "Tico-Tico" schwungvoll zu Ende ging.

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