"Keine Frau macht sich einen Abbruch leicht": Wo es im Kreis Herford Hilfe gibt

Kreis Herford. Eine Schwangerschaft löst nicht immer Glück und Freude aus. Es gibt mitunter schwierige Lebenssituationen, die eine Entscheidung für oder gegen ein Kind nicht einfach machen. Auch können medizinische Gründe und Sexualdelikte dazu führen, dass die Schwangerschaft abgebrochen wird. "Es ist allein die Entscheidung der Frau", sagt Kerstin Stute. Die Sozialpädagogin arbeitet seit zwölf Jahren in der Beratungsstelle der Diakonie in Herford. 200 bis 250 Schwangerschaftskonfliktberatungen führen die Mitarbeitenden hier im Jahr durch. Ein Schwangerschaftsabbruch ist in Deutschland als Straftat definiert. Der Paragraf 218 steht direkt unter Mord und Totschlag. Der Gesetzgeber hält hier aber Ausnahmen bereit. "Der Paragraf 218 steht im Strafgesetzbuch, gleichzeitig gab es den Kompromiss, dass der Abbruch straffrei durchgeführt werden kann, wenn die Frau sich vorher in einer anerkannten Beratungsstelle beraten lässt", erklärt Stute. Die Gründe für einen Abbruch sind ebenso vielfältig, wie die Frauen, die darüber nachdenken. "Keine Frau macht sich diese Entscheidung leicht", sagt Katrin Ramöller, Diplom-Psychologin am Klinikum Herford. Das bestätigt Kerstin Stute. Die Leiterin der Beratungsstelle für Schwangerschaft, Familie und Sexualität im Diakonischen Werk Herford gGmbH führt mit den Frauen vorab ein Gespräch, klärt sie auf und berät: "Die Frau steht dabei immer im Mittelpunkt." "Es gibt keine perfekte Entscheidung" Die Beratung ist vor einem Abbruch verpflichtend. Im Kreis Herford gibt es zwei Anlaufstellen: die Diakonie in Herford und Pro Familia in Bünde. Die Beratung ist kostenlos und soll die Frau weder in die eine noch andere Richtung drängen. In diesem geschützten Raum kann die Frau über ihre Situation sprechen, warum sie überlegt, das Kind nicht auszutragen. Es bleibt Zeit, die Lebensperspektive mit und ohne ein Kind in den Blick zu nehmen. "Die Gespräche sind vertraulich", sagt Stute, die ihre Haltung als Beraterin als neutral bezeichnet. "Wir sind quasi die Schweiz. Das ist wichtig und öffnet den Raum für die Frau und ihre Gedanken." Denn oftmals haben alle anderen Menschen um die Schwangere herum genaue Vorstellungen. "Egal ob beste Freundin, Mutter oder Partner - jeder hat eine Idee, wie es weitergehen soll." Doch die Entscheidung liege allein bei der Frau - "und die ist für keine Schwangere leicht", weiß Stute aus ihren zahlreichen Beratungsgesprächen. "Wir nehmen die Frau so an, wie sie ist. Es gibt keine perfekte Entscheidung, es ist immer auch eine Entscheidung gegen etwas." Die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland ist im Jahr 2022 gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts wurden rund 104.000 Fälle gemeldet, das ist ein Plus von 9,9 Prozent. Eine klare Ursache für die starke Zunahme lässt sich laut Bundesamt nicht erkennen. 2014 bis 2021 lag die Zahl der gemeldeten Fälle zwischen 99.000 und 101.000. Die Beratungsstelle der Diakonie in Herford führt im Schnitt 200 bis 250 Gespräche im Jahr durch. Bis Mitte März diesen Jahres lag die Zahl der beratenen Frauen schon bei 60. "Es wird mehr", sagt Stute. Nur drei Prozent der Frauen, die 2022 abgetrieben haben, waren unter 18 Jahre alt Dass die meisten Frauen, die über einen Abbruch nachdenken, Teenager seien, ist ein Klischee. "Die meisten Ratsuchenden sind zwischen 27 und 34 Jahre alt und haben schon Kinder. Für sie ist die Familienplanung oft abgeschlossen", sagt Stute. "Es ist kein Thema für nur eine Gruppe", weiß auch Ramöller. "Es kann jede Frau treffen." Stute ergänzt: "Wo Sexualität gelebt wird, kommt es zu ungewollten Schwangerschaften." Schützen würde allein die Abstinenz. In der bundesweiten Statistik aus dem Jahr 2022 waren nur rund 3 Prozent der Frauen unter 18 Jahre alt, die einen Abbruch durchführen ließen, 41 Prozent hatten noch kein Kind zur Welt gebracht. Ob sich die Frauen nach dem Beratungsgespräch in der Diakonie für oder gegen die Weiterführung der Schwangerschaft entscheiden, kann Stute nicht nachhalten. Das Team berät ergebnisoffen und die Frau erhält in jedem Fall die erforderliche Bescheinigung für den Arzt. Nur mit diesem Schreiben und innerhalb von zwölf Wochen nach der Empfängnis ist der Abbruch in Deutschland straffrei. Nicht in jeder gynäkologischen Praxis oder Klinik werden die Eingriffe durchgeführt. Auf einer Liste, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, stehen sechs Anlaufstellen. Diese händigen Stute und ihre Mitarbeiterinnen den schwangeren Frauen aus. Nur eine Ärztin aus dem Kreis Herford (Löhne) ist darauf gelistet, eine Praxis in Bad Oeynhausen sowie vier Bielefelder Adressen, darunter auch das Städtische Klinikum Mitte. Das Klinikum Herford taucht nicht auf. - Bislang. Drei Tage müssen vergehen, erst dann darf der Abbruch vorgenommen werden "Es ist eine individuell-ethische Frage, ob ein Arzt einen Abbruch durchführen möchte oder nicht", sagt Vorstandssprecher des Klinikums Herford, Peter Hutmacher. Unter dem langjährigen Leiter der Frauenklinik, Thomas Heuser, sind keine Abbrüche ohne eine kriminologische (nach einer Vergewaltigung) oder medizinische (das Leben der Frau ist gefährdet) Indikation im Klinikum durchgeführt worden. Das sei unter neuer Leitung von Manfred Hilscher nun anders. "Wir werden die Eingriffe für Frauen aus dem Kreis Herford anbieten und halten uns dabei strikt an die Richtlinien", so Hutmacher. Man stelle sich der Aufgabe und stehe ganz an der Seite der Frau, betont der jetzige Leiter der Frauenklinik: "Wir haben Ärzte, die die Eingriffe durchführen können", sagt Hilscher. Auch die evangelische Kirche verfolgt den Leitgedanken - mit der Frau zu agieren und nicht gegen sie. Dass das Beratungsgespräch Pflicht ist, sieht Kerstin Stute daher als durchaus bereichernd an. Notfalltermine halte die Diakonie immer frei. "Für viele Frauen ist es bedeutend, dass alles so schnell wie möglich ablaufe und keine Zeit verloren geht." In jedem Fall darf der Abbruch erst drei Tage nach der Beratung durchgeführt werden. Das soll übereilte Entscheidungen vermeiden. Ebenso wichtig wie das Gespräch sei auch die Möglichkeit, in der Nähe einen Abbruch durchführen lassen zu können. "Die Versorgungslage der Frauen liegt uns am Herzen", sagt Stute. Und auch für Ramöller vom Klinikum ist ein Angebot vor Ort unerlässlich. Daher sei es gut, dass das Klinikum jetzt einen neuen Weg einschlägt. Keine Frau soll gezwungen sein, im Verborgenen zu handeln.

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