Protest Dreiecke und Fackeln in Herford: Bürger machen mobil gegen neue ICE-Trasse

Herford. Es regnet in Strömen. Doch das hält viele Menschen nicht davon ab, am frühen Samstagabend auf einen Acker in Elverdissen zu pilgern. Auf der Fläche von Landwirt Bohnenkamp stehen zwischen den jungen Rapspflanzen 100 rote Dreiecke - das Zeichen des Protests von Widuland. Die Initiative hat zur Aktion gegen einen möglichen Trassenverlauf einer ICE-Neubaustrecke geladen. Rund 300 Teilnehmer trotzen den Regengüssen und sind gekommen. Mit Gummistiefeln und Regenjacke, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, stapft Jens Köster durch die Schlammpfützen. Der Vorsitzende der Initiative Widuland entzündet gemeinsam mit anderen Aktiven in der Dämmerung 100 Fackeln, die auf einer Strecke von 600 Metern parallel zur Straße Obenbrink zwischen den Dreiecken stehen. Widuland erzeugt damit für einen kurzen Augenblick ein beeindruckendes und bedrückendes Bild für Elverdissen. Bahn trifft Entscheidung zum möglichen Neubau im Frühjahr Der Fackelzug durchschneidet den Acker, führt nah an einer Wohnsiedlung vorbei, zieht sich auf der anderen Seite der Elverdisser Straße durch eine alte Baumallee, über Grundstücke hinweg. Mit der Visualisierung einer möglichen Neubaustrecke (Schüßler-Variante 5) führt Widuland den anwesenden Bürgern vor Augen, mit welchen Auswirkungen Elverdissen zu rechnen hätte. Klatschnass, aber standfest hören sich die Protestteilnehmer die Worte von Jens Köster an. Der Vorsitzende der Initiative macht deutlich, warum Widuland die Neubaupläne der Bahn kritisiert. Der Klimawandel werde bei der Trassenauswahl fast nicht berücksichtigt, Beton- und Stahleinsatz sowie resultierende CO2-Emmissionen hätten es nicht in die Bewertungskriterien geschafft. Die "offene Planung der Bahn" wirke wie eine Pflichtübung. Erst im Frühjahr will die Bahn bekannt geben, wo die schnellen Züge zukünftig entlang rollen sollen. Widuland fordert hingegen den Ausbau der Bestandsstrecke. Denn, so sagt es Anwohner und Aktivist Walter Reich: "Keiner zweifelt einen Bahnausbau an, um mehr Menschen auf die Schiene zu bringen. Aber wo es Alternativen zum Neubau gibt, müssen diese auch genutzt werden." Vor allem, so Reich, wenn diese auch noch klimafreundlicher sind. Deutschlandtakt soll Bahn zukunftssicher machen Mit Tempo 300 in nur 31 Minuten Fahrzeit von Bielefeld nach Hannover: Das ist der Auftrag des Verkehrsministeriums an die Deutsche Bahn. Und auch wenn sich die Bahn noch nicht in die Karte blicken lässt, auf den bestehenden Gleisen könne dieses Ziel wohl nicht erreicht werden. "Die Bahn favorisiert einen Neubau. 300 Stundenkilometer Höchstgeschwindigkeit sind nur damit zu erreichen", sagt Köster. Dahinter steht der Deutschlandtakt, der die Bahn mit abgestimmten Verbindungen zum Verkehrsmittel der Zukunft machen soll. Die Strecke zwischen Bielefeld und Hannover würde damit um 18 Minuten verkürzt, Bahnreisende sollen von Hamm bis Hannover in weniger als einer Stunde Fahrtzeit sein. Sollte das so kommen, würde eine neue Bahntrasse zwangsläufig durch Elverdissen gebaut werden, so Widuland. Der ausgewählte mögliche Streckenverlauf der Protestaktion zeigt die Schüßler-Variante 5, die nach der Fackelaktion auf dem Acker in der Deele von Walter Reich weiter diskutiert wird. Hierbei zeigen sich auch die Sorgen der Elverdisser. Werden Biotope und Wald geschont? Wie beeinträchtigend wird der Lärm? Wie soll die Trasse die Midal-Gaspipeline nahe der Elverdisser Straße überqueren? Das sind nur einige der Fragen. Widuland bereite zweite Studie zum Klimaschutz vor Walter Reich und Jens Köster sind beeindruckt, auf wie viel Resonanz die Protestaktion am Samstag gestoßen ist. "Das ist gigantisch, wie viele Menschen bei diesem Wetter gekommen sind", sagt der Vorsitzende, der weitere Aktionen ankündigt. Deutschlandweit werde derzeit gegen die möglichen Ausbaupläne der Bahn demonstriert. Da reiht sich Widuland ein. Auch wenn nach Angaben der Initiative die Entscheidung wohl ausschließlich bei der DB Netz AG liegt. Dies werde gerade bei der Trasse Hamburg – Hannover deutlich: Trotz Konsens zwischen DB, Kommunen und Bürgern für einen Ausbau, bringe die DB dort einen Neubau durch die Lüneburger Heide auf den Weg. Das könne auch Elverdissen drohen. Um den Aspekt des Klimaschutzes durch den Ausbau der Bestandsstrecke zu belegen, bereite Widuland derzeit eine zweite Studie vor. Köster: "Wir wollen damit zeigen, dass der Neubau nicht klimafreundlich ist."

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