Diese Herforderin steht Eltern von Sternenkindern zur Seite

Bad Salzuflen/Herford. Manchmal reicht schon ein Treffen, andere betreut sie über Monate. Christiane Menzel aus Herford ist Trauerbegleiterin, ihr Fokus liegt auf den Eltern von Sternenkindern – also Kinder, die vor, während oder kurz nach der Geburt sterben. Wie hilft man Eltern in ihrer Trauer? Und welche Erfahrungen hat sie selbst gemacht? Bevor sie am Montag, 21. November, für einen Vortrag nach Bad Salzuflen kommt, hat Menzel mit der Lippischen Landeszeitung (LZ) über das Thema gesprochen. Wenn das eigene Kind stirbt – es gibt kaum eine schlimmere Erfahrung, oder? Christiane Menzel: Es ist furchtbar, denn in den meisten Fällen gibt es niemanden, den man so liebt wie die eigenen Kinder. Wir gehen grundsätzlich davon aus, dass unsere Kinder uns überleben, und diese natürliche Ordnung gerät damit durcheinander. Wann kommen Eltern mit Ihrem Verlust zu Ihnen? Christiane Menzel: Wenn es bereits passiert ist oder länger zurückliegt. Das liegt aber auch daran, dass es noch kein gutes Netzwerk gibt, das muss sich ändern. Es gibt bereits Bestrebungen, sich mit Ärzten, Kliniken und Betreuungsangeboten besser zu vernetzen. Aber das braucht seine Zeit. Ich bin gerne ab dem Zeitpunkt der Diagnose für die Familie da. Wünschenswert wäre, dass Eltern schon ab diesem Moment die Möglichkeit hätten zu schauen, welche Art von Begleitung oder Unterstützung es gibt. Wie sieht die bei Ihnen aus? Christiane Menzel: Trauer ist sehr individuell. Ganz wichtig ist zunächst, dass jemand da ist, der einem ohne zu bewerten zuhört. Eine neutrale Person kann das oft besser als eine Nahestehende. Das macht es leichter, Dinge zu erzählen und über Gefühle zu sprechen, die vielleicht als schwierig wahrgenommen werden könnten: Schuldgefühle der Eltern oder teils massive Wut, etwa auf medizinisches Personal. Als Trauerbegleiterin stehen Sie den Eltern dann zur Seite. Christiane Menzel: Wir sind keine Therapeuten, aber wir begleiten die Eltern in der Phase der Trauer, solange sie es brauchen. Und wir klären auf, dass jede Emotion, die da ist, auch seine Berechtigung hat und Trauer auch körperliche Auswirkungen haben kann – das wissen viele nicht. Schlecht zu schlafen, keinen Hunger zu haben, sich schlecht konzentrieren zu können, das kommt häufig vor und ist völlig normal. Trauer ist keine Krankheit, sondern der Weg dahin, dass es einem irgendwann wieder besser geht. Abgänge in der Schwangerschaft kommen häufiger vor als man denkt: 11 bis 15 Prozent aller festgestellten Schwangerschaften enden mit einer Fehlgeburt. Macht es für die Eltern in ihrer Trauer einen Unterschied, ob sie ihr Kind ganz früh oder erst später in der Schwangerschaft verlieren? Christiane Menzel: Trauer ist sehr individuell. Es gibt Paare, die ganz gut damit klarkommen, wenn der Abgang sehr früh passiert. Aber gar nicht so selten gibt es auch dann sehr massive Trauer. Manche Eltern haben dann das Gefühl, dass das für die Außenwelt sehr schwer verständlich ist, weil die Schwangerschaft noch gar nicht als solche erkennbar war. Dabei fühlen sich Paare eventuell schon sehr früh sehr eng mit dem Kind verbunden. Hat sich der Umgang mit dem Thema Sternenkinder im Laufe der Zeit verändert? Christiane Menzel: Es hat sich viel verändert, aber es ist auch noch viel Luft nach oben. Ich finde es schön, dass gerade jüngere Menschen heute viel offener über das Thema sprechen, sich auch über soziale Netzwerke austauschen. Seit gut zehn Jahren gibt es eine Bestattungspflicht, sobald der Fötus mehr als 500 Gramm wiegt. Ist er leichter, hat man aber ebenfalls die Möglichkeit einer Bestattung. Zudem kann man die Kinder seit einigen Jahren eintragen lassen und erhält dann etwas Ähnliches wie eine Geburtsurkunde. Das Kind wird damit gewissermaßen zu einer Person. Vielen Eltern hilft das, gerade, weil die Außenwelt dieses Kind vielleicht noch gar nicht als solches wahrgenommen hat. Sie sagen, heute wird offener darüber gesprochen. War das früher nicht so? Christiane Menzel: Früher hieß es oft &bdquo;das ist halt so“ oder &bdquo;da musst du jetzt durch“. Inzwischen sind wir auf dem Weg dahin, jeden, der ein Kind verliert, als Mutter und Vater wahrzunehmen. Das hat man früher gesellschaftlich nicht so gesehen. Zu Ihnen können auch Eltern kommen, die vor langer Zeit ein Kind verloren haben und nie darüber sprechen konnten. Kann man Trauer nachholen? Christiane Menzel: Ich denke, das geht – ob alleine oder mit Begleitung. Mir ist es sehr wichtig, dass das Thema Sternenkinder in der Öffentlichkeit noch stärker wahrgenommen wird. Das würde auch Eltern, denen das vor langer Zeit passiert ist, helfen – sie könnten heute offen darüber sprechen. Bei Ihnen war das auch so. Christiane Menzel: Mein ältestes Geschwisterkind ist während der Schwangerschaft gestorben. Als ich selbst schwanger war, erinnerte sich meine Mutter daran, und sie erzählte mir davon. Ich fand das gut. Nach meiner Ausbildung zur Trauerbegleitung habe ich auch mit meinem Vater darüber gesprochen und fand es sehr berührend, wie er das Ganze erlebt hat. So hat dieses Kind in gewisser Weise auch einen Platz in unserer Familie bekommen. Hilft diese Erfahrung bei Ihrer Tätigkeit? Christiane Menzel: Ich denke, es macht Sinn, dass man die Situation in gewisser Weise nachempfinden kann. Viele Kolleginnen sind selbst Sternenkindermütter. Bei mir ist es so, dass ich das Gefühl kenne, jemanden zu vermissen, den ich nie kennengelernt habe. Ein Sternenkind in der Familie oder im Freundeskreis. Wie verhalte ich mich am besten? Christiane Menzel: Zuhören und zeigen, dass man da ist, ist immer das Wichtigste. Man sollte sich aber auf die Wucht der Gefühle der Betroffenen einstellen und auch darauf, dass sich derjenige gerade in einem Ausnahmezustand befindet und möglicherweise nicht immer vernünftig oder gerecht reagiert. Man darf ruhig sagen, dass man damit gerade schwer umgehen kann, sollte aber immer signalisieren, da zu sein, wenn derjenige das möchte. Wenn sich nahe stehende Personen einfach zurückziehen, das empfinden viele Betroffene als am schlimmsten. Manche Eltern haben bereits Kinder, wenn ein Sternenkind dazukommt. Christiane Menzel: Das passiert gar nicht so selten. Und das ist natürlich sehr schwer, weil man in diesem trauernden Ausnahmezustand ist und sich gleichzeitig um jemanden kümmern muss, der einen extrem stark braucht. Wer möchte, kann sich auch hier Unterstützung durch Selbsthilfegruppen oder Trauerbegleiter suchen. Sollte ich meine Trauer den Kindern gegenüber zeigen? Christiane Menzel: Seine Gefühle zu verstecken, bringt nichts – Kinder merken, dass etwas nicht stimmt. Und für sie ist es auch gar nicht schlimm, zu sehen, dass die Eltern trauern. Denn zum Leben gehören Tod und Trauer dazu, und je selbstverständlicher das für uns wird, desto leichter können wir damit umgehen. Um das Geschehene dem Kind zu erklären, kann ich mich mit dem Alter entsprechenden Büchern eindecken oder mich beim örtlichen Hospizdienst informieren. Oft ist es auch so, dass Kinder mit dem Thema viel besser umgehen können Erwachsene. Kommt man je über den Tod des eigenen Kindes hinweg? Christiane Menzel: Ich glaube, man muss gar nicht darüber hinwegkommen, sondern einen Weg finden, damit gut zu leben. Wir müssen individuell schauen, wie wir den Verstorbenen einen Platz in unserem Leben geben können. Manche Sternenkinderfamilien haben im Wohnzimmer eine Ecke mit Ultraschallbildern und anderen Erinnerungen. Andere tragen das eher in ihrem Herzen und in ihren Erinnerungen. Jeder kann da seinen eigenen Weg finden – und wir als Begleitung können dabei helfen. Persönlich Christiane Menzel ist 54 Jahre alt, verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Mit ihrer Familie lebt sie in Herford an der Stadtgrenze zu Bad Salzuflen. Menzel arbeitet als Fotografin und zertifizierte Trauerbegleiterin und Trauerrednerin. Ein Fokus ihrer Tätigkeit liegt auf Sternenkindern. Für Eltern und Angehörige im Raum Bad Salzuflen, Herford und darüber hinaus würde sie gerne eine Gesprächsgruppe ins Leben rufen. Interessierte können sich per Mail an info@zeit-fuer-trost.de melden. Vortrag am 21. November Menzels Vortrag zum Thema &bdquo;Wenn ich zu den Sternen aufblicke...“ findet am Montag, 21. November, ab 18 Uhr im Rahmen der Veranstaltungsreihe &bdquo;Der Tod und das Kind“ der lutherischen Kirchengemeinde im Zentrum Lichtblicke an der Auferstehungskirche am Gröchteweg statt. Die Teilnahme ist kostenlos.

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