Eine der ältesten in Herford: Kita mit dunkler Vergangenheit wird 85 Jahre alt

Herford. Die Kita Maiwiese verfügte zur Eröffnung vor 85 Jahren über einen beheizten Sandkasten. Den Luxus, der heute vor dem Hintergrund von Energieknappheit und Sparmaßnahmen wie aus der Zeit gefallen scheint, gibt es schon lange nicht mehr. Doch es ist nicht dieses Kuriosum, das die frühen Jahre der heute städtischen Einrichtung an der heutigen Damaschkestraße 5 ausmacht. Der 1937 eröffnete Kindergarten war ein Vorzeigeprojekt der Nationalsozialisten mitten in einem Herforder Arbeiterviertel mit vielen Ausprägungen der menschenverachtenden Ideologie. "Froh, dass wir anders leben können, als damals" Kita-Leiterin Malgosia Lademann-Böhmer will diese Wurzeln nicht verschweigen. Im Gegenteil. Sie hat den dunklen Teil der Kita-Geschichte zusammen mit Stadtarchivar Christoph Laue aufgearbeitet und sieht ihn als Mahnung: "Wenn man von Tradition spricht, muss man wissen, was man meint. Wir sind froh, dass wir heute frei und anders leben können als damals. Wir müssen die Kinder so erziehen, dass sie die Freiheit schätzen." Während damals die Ausgrenzung von behinderten Kindern und Kindern missliebiger Eltern an der Tagesordnung war, setzt man heute auf Integration und Inklusion. Man brauchte die Mütter in der Produktion "In der Nazizeit sah man eigentlich den Platz der Kinder bei der Mutter zu Hause", berichtet Christoph Laue, der vor zehn Jahren an der Zellentrakt-Ausstellung &bdquo;Herford gehört(e) dem Führer - Die Nazifizierung des Alltags im Raum Herford 1933 – 1939“ mitgewirkt hat. "Man brauchte aber gerade die Mütter aus dem Arbeiterviertel in der Produktion." So richtete die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV) Kindergärten ein. Die Kita Maiwiese wurde am 27. September 1937 mit großem Propagandaaufwand und Nazi-Pomp eröffnet. Der NSDAP-Kreisleiter Ernst Nolting nannte als "Hochziel" die "Schaffung der rassisch reinen und erbgesunden deutschen Familie". Damals Ausgrenzung, heute Inklusion Eine Gruppe für als "schwer erziehbar" geltende Kinder wurde Mitte Juli 1938 schon wieder aufgelöst. Man wollte für "erblich belastete" Kinder kein Geld ausgeben. Ausgegrenzt wurden damit Kinder mit Behinderungen verschiedener Ausprägung. 1945 war zunächst einmal Schluss mit dem Kindergarten Maiwiese. Die britischen Besatzer nutzten das Gebäude als Funkstation. 1951 gaben sie es zurück, sodass es für die Kita 1952 in städtischer Regie einen Neustart geben konnte. Es folgten Innovationen wie den Bau einer Krabbelstube (1963), einen Modellversuch zur Frage, ob Kinder früher zur Schule gehen sollten, die Zusammenarbeit von Kindergarten und Grundschule ab 1977, die Förderung und Integration von Kindern mit Behinderung (ab 1987) und mit Hochbegabung (ab 1987). 2006 wurde die Kita grundsaniert und die Einrichtung in einen früheren Supermarkt ausquartiert. 2009 wurde die Kita erstmals als Familienzentrum zertifiziert. 2013 wurde eine Ü-3-Gruppe in der Grundschule Mindener Straße eröffnet, die 2021 in der Zweigstelle Eichenstraße mit einer U-3- und einer Ü-3-Gruppe aufging. Kinder bemerken turbulente Zeiten Die Corona-Pandemie führte 2020 zu einem eingeschränkten Betreuungsangebot. Es gibt in der Kita Projekte zum Schutz vor sexualisierter Gewalt und zur Förderung des Forscherdrangs der Kinder. "Wir leben in turbulenten Zeiten und auch die Kinder schauen Nachrichten und sehen, dass die Pflanzen im Garten vertrocknen", weiß Malgosia Lademann-Böhmer. Die Maiwiese hat heute mit Außenstelle 116 Plätze für Kinder in vier Ü3- und drei U-3-Gruppen, die von einem 36-köpfigen Team betreut werden. Festprogramm mit Schwerpunkt Musik Die Gründung der Kita Maiwiese vor 85 Jahren soll am Samstag, 17. September, ab 11.30 Uhr mit einem großen Fest für Kinder, Familien, Freunden, Nachbarn, Ehemaligen, Kolleginnen und Kollegen begangen werden. Bürgermeister Kähler, Landrat Müller und der Landtagsabgeordnete Christian Dahm werden für ein Grußwort erwartet. Schwerpunkt des Festprogramms soll die Musik sein. Der Philharmonie-Schlagzeuger Aron Leijendeckers ist bei einer spielerischen Mitmach-Aktion mit Instrumenten für Kinder und Erwachsene dabei. Es gibt ein von den Maiwieseneltern zusammengestelltes internationales Buffet, frische Waffeln, gebacken vom Förderverein und einen Eiswagen von Kurz Eisbar.

Meistgelesen