Wie Drohnen und Social Media im Dachdeckerbetrieb zum Alltag gehören

Kreis Herford. Im Januar 2021 habe er einen sauberen Schnitt gemacht, erzählt Steve Neuber, Chef des Dachdeckerbetriebes TechBau Neuber aus Vlotho. "Ich habe die Winterpause genutzt und mich sozusagen von der Zettelwirtschaft verabschiedet." Als seine Mitarbeiter wieder in den Betrieb kamen, wurden sie sozusagen vor vollendete Tatsachen gestellt. Vorbei war es mit handschriftlichen Auftragsbestätigungen, Bauverträgen und Lieferscheinen aus Papier. "Jedes Team hat seither ein Tablet und jedes Projekt wird lückenlos digital dokumentiert", so Neuber. Der große Vorteil: Es sei alles an einem Ort gespeichert und schnell zu finden. Natürlich hätten seine Mitarbeiter im Zuge des Digitalisierungsschrittes ihre Arbeitsgewohnheiten umstellen müssen. "Jeder Teamleiter bekommt am Ende eines Tages oder auch eines Projektes zum Beispiel Zeit, um die Daten, die dazu gehören, möglichst gewissenhaft einzupflegen - das gehört nun einfach dazu", erzählt Neuber. Auch andere Technik wie eine Drohne, mit der Luftaufnahmen von Dächern gemacht werden, oder ein Handy, mit dem Arbeitsschritte fotografiert und somit dokumentiert werden können, gehören so jetzt selbstverständlich dazu. Die Umstände während der Pandemie haben in vielen Bereichen zur Digitalisierung gezwungen Frauke Schwietert, Geschäftsführerin der Agentur für Arbeit Herford, weiß, was sich mittlerweile auch in Handwerksbetrieben in Sachen Digitalisierung getan hat. "Die Corona-Pandemie hat da vielfach als Beschleuniger gewirkt", so Schwietert. Als Beispiel nennt sie die schnelle Beschaffung notwendiger IT-Ausstattung, die in vielen Betrieben durch die starke Nutzung von Homeoffice unerlässlich wurde. Auch zur Digitalisierung von Geschäftsprozessen seien Unternehmen durch die Umstände einfach gezwungen gewesen. "Und jetzt ist die Technik eben da." Auch dafür hat Steve Neuber ein Praxis-Beispiel: "Wir sind dazu übergegangen, Angebotsbesprechungen mit unseren Kunden per Video-Chat zu machen. Und bei Dach-Überprüfungen müssen wir schon länger nicht mehr raufklettern, sondern setzen eben die Drohne ein und können den Kunden dann mit den Fotos auch ganz genau erklären, wo Risse oder andere Schäden sind, die behoben werden müssen." "Viele Menschen haben die Befürchtung, dass sie durch den Prozess der Digitalisierung über kurz oder lang ihren Job verlieren könnten", weiß Frauke Schwietert. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung beschäftige sich allerdings (IAB) schon länger mit dieser Entwicklung und komme zu einem anderen Ergebnis, so die Agentur-Chefin weiter. "Wir ermitteln schon seit längerem so genannte Substituierbarkeitspotenziale für bestimmte Berufe - das heißt, wir fragen konkret, welche Tätigkeiten innerhalb eines Berufes schon heute von Computern oder Maschinen erledigt werden könnten."Die Arbeit wird sich verändern, der jeweilige Beruf aber nicht zwangsweise verschwinden Ein Beispiel: der Beruf des Kaufmanns oder der Kauffrau für Büromanagement. Sieben Tätigkeiten, die dazugehören sind Buchführung/Buchhaltung, Personalwesen, Terminplanung, Korrespondenz, Büroorganisation/-management, Postbearbeitung sowie Büro- und Verwaltungsarbeiten. Bis auf zwei Bereiche - Personalwesen und Büroorganisation - können schon heute alle anderen durch Maschinen ausgeführt werden. "Das ergibt ein Substituierbarkeitspotenzial von 71 Prozent", so Schwietert. Grundsätzlich seien Fertigungsberufe, Handels- oder Logistikberufe mehr von dieser "Ersetzbarkeit" betroffen als beispielsweise Bauberufe, Gesundheitsberufe oder soziale und kulturelle Dienstleistungsberufe. "Egal, welche Branche, eines lässt sich feststellen: Die Arbeit wird sich zwar künftig verändern, der Beruf aber nicht zwangsläufig durch Digitalisierung verschwinden", so Schwietert. Der Anteil der Beschäftigten mit hohem Substituierbarkeitspotenzial sei allerdings im Kreis Herford mit über 40 Prozent sehr hoch. "Wir haben hier viel verarbeitendes Gewerbe - also Fertigung und Handel. In größeren Städten ist dagegen die Dienstleistungsbranche meist höher und damit auch das Substituierbarkeitspotenzial dadurch niedriger." Eng zusammen mit dem Digitalisierungsprozess hänge das Problem des Fachkräftemangels, betont Schwietert. "Ersetzbar durch Maschinen oder Computer sind oft die Tätigkeiten, die bis dato von ungelernten Kräften oder Hilfsarbeitern ausgeführt wurden. Deshalb gibt es nur zwei Antworten auf den Digitalisierungsprozess: Qualifizierung und Entwicklung der Ausbildung." Der Alltag auf der Baustelle wird in Facebook oder Instagram vorgestellt - auch mit lustigen Videos Das bestätigt auch Steve Neuber. "Ich habe wirklich Probleme, Fachleute zu bekommen. Und ich muss für meinen Betrieb werben, um Auszubildende für mein Handwerk zu begeistern." Dazu gehöre auch viel Aufklärungsarbeit, sagt der Chef von TechBau Neuber. "Die Vorstellungen davon, wie Dachdecker arbeiten, haben oft nicht viel mit der Realität von heute zu tun. Viele denken zuerst an Dreck, schwere körperliche Arbeit und frühes Aufstehen. Aber nicht zuletzt die Digitalisierung hat das Handwerk auf eine neue Ebene gehoben." Man könne sich heute viel Schweiß durch Maschinen ersparen."Es gibt viel cooles auf der Baustelle. Wir drehen lustige Videos, um in Social-Media-Kanälen für unser Unternehmen zu werben, wir machen Fotos vom Alltag und manchmal gehört es auch dazu, auf der Baustelle gemeinsam zu grillen", so Neuber, der auch regelmäßig mit Schulen zusammenarbeitet und gerne Praktikanten für einen Tag oder länger begrüßt. Und von denen höre er im Rückblick immer wieder: "So cool habe ich mir den Beruf gar nicht vorgestellt."

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