Herford Krieg, Kosten, Konjunktur: Unternehmen im Kreis Herford fahren auf Sicht

Kreis Herford. Die Stimmungslage hätte beinahe blendend sein können: 6,9 Milliarden Euro Umsatz der Industrieunternehmen im Wittekindskreis, ein Plus von 6,3 Prozent. Steigende Investitionen, mehr Beschäftigung, eine Exportquote auf einer Rekordhöhe. Das sind einige der Kerndaten der zwischen Mitte Januar und Mitte Februar erhobenen Frühjahrskonjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer im Kreis Herford. Mit dem russischen Einmarsch am 24. Februar und dem Krieg in der Ukraine können die von 282 Unternehmen mit knapp 15.000 Beschäftigten gelieferten Daten nicht mehr als Ausblick auf die wirtschaftliche Entwicklung des Jahres 2022 dienen.Doch was kommt jetzt? Die Firmen fahren derzeit auf Sicht. Die Umfrage &bdquo;umreißt die Ausgangslage, aus der wir in diese schwierige Zeit hineingehen“, so Harald Grefe, stellvertretender IHK-Hauptgeschäftsführer bei der Vorstellung der Daten. Gleichzeitig deuten sich überraschende Entwicklungen an – doch die treffen wiederum auf Probleme.Die Lieferketten und die LagerUnwägbarkeiten wie die Energieversorgung und Lieferketten-Probleme auf Grund der anziehenden Weltkonjunktur fanden sich bereits in der Umfrage – allerdings nicht in dem Maße, wie sie jetzt die Unternehmen treffen: Die Energiepreise sind mit dem russischen Einmarsch weiter in die Höhe geschossen, gleiches gilt für die Rohstoffpreise. Dabei, so die IHK-Experten, deuten sich auch weitere Logistik-Probleme jenseits der extrem hohen Spritpreise und steigender Transportkosten an: Viele Lastwagenfahrer polnischer Speditionen kommen aus der Ukraine. Diese Männer haben das Steuer mit Sturmgewehren getauscht und verteidigen derzeit ihr Land. Das schlägt auf den Transport in Deutschland durch, da viele polnische Speditionen im Bundesgebiet unterwegs sind, erklärt Harald Grefe weiter. Es fehlt Fläche Auch die angespannten, teils gerissenen Lieferketten, die auf just-in-time setzten und das Warenlager de facto auf die Strafe verlegten, stehen im Blick der Unternehmen: Natürlich gebe es Überlegungen, wieder Lagerkapazitäten aufzubauen oder zu erweitern oder Produktion zurück zu holen: Das wiederum erfordere aber Flächen, so der stellvertretende IHK-Geschäftsführer. So gebe es nur noch wenige freie Hallen und außerdem müssten dafür auch freie Gewerbeflächen zur Verfügung stehen. Aber auch hier sei das Angebot wie auch bei den freien Logistikflächen gering. Investitionen erwarten die IHK-Experten unter anderem im Bereich der Energieeinsparung. Zu den Punkten, die die Unternehmen bereits vor dem Krieg beschäftigten, gehört weiterhin der Fachkräftemangel. Und bei den Computerexperten gibt es eine überraschende Entwicklung. Wie Tanja Maaß, stellvertretende Vorsitzende des IHK-Dienstleistungsausschusses erklärt, gibt es etwa aus Belarus aber auch aus Russland, bedingt durch die US-Sanktionen auf amerikanische Software und das Verbot ihrer Nutzung, die Abwanderung von Software-Experten nach Westeuropa.Die Lage in der Industrie Unter den knapp 15.000 Beschäftigten der 282 von der IHK befragten Unternehmen sind Industriebetriebe mit knapp 11.000 Beschäftigen klar in der Mehrheit. Das Konjunkturklima, berechnet nach einem Indexwert, hat mit 137 einen neuen Höchststand erreicht, so IHK-Vizepräsident Klaus Bockermann. 95 Prozent der Firmen sehen in der Entwicklung der Rohstoffpreise das größte Risiko. 62 Prozent der Betriebe sprechen von einer guten, nur drei Prozent von einer schlechten Geschäftslage. Auf Grund der Lieferengpässe und steigenden Energiepreise erwarteten aber nur 30 Prozent der Unternehmen eine bessere Geschäftslage, 31 Prozent gehen von steigenden aber 40 Prozent von fallenden Erträgen aus. 55 Prozent der Industriebetriebe planten, mehr Mitarbeiter einzustellen. Allerdings, so Bockermann: &bdquo;Es ist die Frage, ob die Pläne am Arbeitsmarkt - auf Grund des Fachkräftemangels - zu realisieren sind.“ So sieht es im Handel und bei den Dienstleistungen ausDer Bereich Handel und Dienstleistungen – 211 Unternehmen mit rund 4.000 Mitarbeitern wurden befragt. Insgesamt 42 Prozent sprechen von einer aktuell guten Geschäftslage, so Tanja Maaß. Die Ertragslage hat sich entspannt und ist im Saldo positiv. Erfreulich sei, dass die Mehrheit der Händler im Kreis auch in den kommenden 12 Monaten eine bessere Geschäftslage erwarteten. Gleichzeitig sorgten die gestiegenen Risiken dafür, dass die Ertragserwartungen sinken. Auch die Nachfrage nach zusätzlichen Mitarbeitern steige. Aktuell verfügten 31 Prozent der Handelsunternehmen über mindestens eine offene Stelle. Die Geschäftslage der Dienstleiter, zu denen auch das Gastgewerbe oder die Reisebranche zählen, sei stabil, aber vom Vor-Corona-Niveau noch deutlich entfernt. Die Erwartungen an die kommenden zwölf Monate sind verhalten, 24 Prozent erwarten eine bessere, 21 Prozent eine schlechtere Lage.

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