Wie sich ein Schlaganfall-Opfer zurück ins Leben kämpft

Herford. Normal - was ist das schon? Für Julia Hillwig war es normal, dass sie jahrelang ihr Geld als gelernte Krankenschwester in der geschlossenen Psychiatrie einer Bad Salzufler Klinik verdiente, nebenbei als grazile Ballerina oder schrille Punkerin für Aufsehen sorgte, Punk-Radiosendungen moderierte, als 182 Zentimeter großes Modell unter dem Künstlernamen Cora Stern vor der Kamera stand und später im Studio selber auf den Auslöser drückte. Ein mehrfacher Schlaganfall vor zwei Jahren war für sie nicht normal. Jetzt kämpft sich die 42-Jährige zurück, macht in der Herforder Rock-Akademie eine Umschulung als Veranstaltungs-Kauffrau und soll dabei sein, wenn der Kultur-Verein im Sommer sein 20-jähriges Bestehen feiert. &bdquo;Zurück ins Leben“, wie Julia Hillwig sagt. Zwei bis zweieinhalb Jahre dauert die Ausbildung. &bdquo;Bis dahin sollte die Corona-Pandemie überstanden sein. Ich will hoffen, dass es dann wieder bergauf geht“, sagt die gebürtige Rintelnerin. Bergab ging es bei Julia Hillwig wegen eines eingewachsenen Zehs als Folge der Ballett-Tänzerei. Anfang März 2020 ließ sie sich operieren. Der Eingriff misslang, der Zeh hatte sich entzündet. Nach sechs oft schlaflosen Wochen und massivem Gewichtsverlust wechselte sie den Arzt. Der neue Mediziner überwies die Patientin ins Klinikum Minden, wo der Zeh amputiert und Schmerzen mit Morphium gestillt wurden. Wochen der Genesung sollten folgen, bis sich an einem Augusttag die Situation komplett veränderte. Die Diagnose: mehrere Schlaganfälle. &bdquo;Ich war zuhause und konnte mich plötzlich nicht mehr bewegen. Es ging nichts mehr. Von jetzt auf gleich“, sagt Julia Hillwig. Schlaganfall als Ursache kam ihr nicht in den Sinn. Stattdessen verkroch sie sich ins Bett. Drei Tage später kam eine Nichte zu Besuch. &bdquo;Die ist Altenpflegerin, hat das sofort erkannt und den Notarzt alarmiert“, erinnert sich die Mutter eines Sohnes. Die Diagnose: mehrere Schlaganfälle. Intensivstation, drei Wochen im Krankenhaus Lemgo und zehn Wochen Reha in Bad Oeynhausen schlossen sich an. Folgen der Schlaganfälle sind immer noch zu spüren. &bdquo;Ausgestanden ist das nie. Ich habe Probleme und kann den rechten Arm nur eingeschränkt bewegen, bei der Sprache holpert es“, sagt Julia Hillwig, die sich aus diesen Gründen beruflich neu orientieren musste. Und die vor Jahren in Bückeburg &bdquo;in einer Anlaufstelle für Künstler, Verrückte und Freaks“ Carl Dewe kennengelernt hatte. Der Kontakt zum Kopf der Rock-Akademie erwies sich als verlässlich. Zum 1. August vergangenen Jahres begann die Umschulung bei dem eingetragenen Verein in Herford. Die Kosten trägt die Rentenversicherung. Partner von Dewe und der Rock-Akademe ist Michael Schulte. Der Herforder ist Konzert-Veranstalter. Carlo Dewe: &bdquo;In diesem Zusammenhang kann Julia Veranstaltungen planen und Konzepte schreiben. Bei uns in der Akademie muss das Tonstudio hergerichtet werden.“ Das ist für die Rock-Akademie großartig Michael Schulte: &bdquo;Julia macht Veranstaltungs-Management sowie Event-Gestaltung und hat ein Fotostudio. Das ist für die Rock-Akademie großartig. Damit kommen wir dem Vereinszweck nach und können Künstler und Musiker unterstützen. Wir könnten aber auch Fotos, Poster oder Booklets mitgestalten.“ Der nimmermüde und immerjunge Carlo Dewe hat unterdessen schon konkrete Vorstellungen für 2022: &bdquo;Die Rock-Akademie besteht im April seit 20 Jahren. Das würden wir gerne mit Kultureinrichtungen der Stadt Herford wie der Musikschule und dem Marta-Museum im Sommer feiern. Das ist zwar noch nicht terminiert, Anfang Februar steht aber ein gemeinsames Gespräch zu dieser Feier an. Das macht aber nur dann Sinn, wenn wir genügend Sponsoren finden.“ Mit im Boot bei diesen Planungen soll - voll normal - Umschülerin Julia Hillwig sitzen.

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