Coronabedingtes Defizit: So steht es um die Finanzen der Stadt

Herford. Die Stadt setzt bis Ende des Jahres weiterhin die Sondernutzungs- und Verwaltungsgebühren für Gastronomen und Händler in der Stadt aus. Auch die Träger des Offenen Ganztags entlastet sie. Dabei gibt es in den städtischen Finanzen noch zahlreichen Unwägbarkeiten. Die Essensversorgung und die Randstundenbetreuung hinterließ in den vergangenen Monaten ein Defizit bei den Trägern des Offen Ganztags: Über lange Zeit sind die Elternbeiträge entfallen, die Träger hatten aber weiterhin Personalkosten. Fast 107.000 Euro stellt die Stadt außerplanmäßig dafür zur Verfügung. Die sozialen Systeme sind voll, die Menschen finden keinen Platz mehr Sozialdezernent Patrick Puls im Stadtrat berichtete von ausgelasteten Sozialsystemen: "Wir hatten Einsparungen im ambulanten Bereich, dafür Mehrkosten im stationären Bereich", sagte er. Jetzt sei der ambulante Bereich voll. Die präventiven Maßnahmen seien wieder angelaufen, auch bei den Trägern. Aber die Situation zeige, wie voll die sozialen Systeme seien. "Wir müssen uns über Erweiterungen Gedanken machen." Die Haushaltsbelastungen durch die Covid-19-Pandemie lag im vergangenen Jahr laut Jahresabschluss bei rund 5,5 Millionen Euro. Zusammen mit den Betriebskostenzuschüssen für die städtische Holding HVV und deren Töchter beläuft sich der coronabedingte Schaden jedoch auf fast 11,5 Millionen Euro. Und auch dieses Jahr reihen sich Mindereinnahmen an Mehrausgaben. Allein 935.000 Euro fehlen, weil die Stadt ihr Personal aus der Verkehrsüberwachung für die Pandemie benötigte und die Mitarbeiter deshalb keine Knöllchen schreiben konnten. Mit mehr als 2,3 Millionen Euro schlägt der Sozialbereich zu Buche, der Schulen, Kindergärten, die Jugendhilfe und die Wohnungsnothilfe umfasst. Mindereinnahmen im Bereich der Gewerbesteuer von 12,5 Millionen Euro Das größtes Defizit liegt derzeit jedoch bei den Gewerbesteuereinnahmen: Mit 12,5 Millionen Euro bezifferte die Verwaltung zum Ende des zweiten Quartals das Minus - gegenüber dem Ansatz von 51 Millionen Euro. Bitten um eine Prognose zur künftigen Entwicklung verglich Bürgermeister Tim Kähler mit dem Blick in die Glaskugel. Ob die derzeitige Situation die tatsächliche Lage der Wirtschaft widerspiegele, wisse niemand. Vorsichtiges Wirtschaften der Unternehmen, Lieferengpässe, Kurzarbeit, die dazu führe, dass die Statistiken nicht die reale Lage abbilden, und ein Insolvenzrecht, das auch noch nicht wieder so angewendet werde, wie vor der Pandemie: Es gebe zu viele Unwägbarkeiten. Fakt sei aber, dass alle Kommunen in Deutschland den sozialen Effekt nacharbeiten müssten. "Und diese finanziellen Belastungen werden die Städte nicht allein tragen können." Zum Stichtag 30. Juni hat die Kämmerei ihre Prognosen zum geplante Jahresfehlbetrag von knapp 9,7 auf knapp 2,9 Millionen Euro reduzieren können. Dies war aber nur möglich, weil sie die Haushaltsbelastungen durch die Pandemie in Höhe von mehr als 15,8 Millionen Euro isolieren kann. Wäre dies nicht der Fall, so würde sich der voraussichtliche Jahresfehlbetrag auf 18,7 Millionen Euro erhöhen. Das coronabedingtes Defizit könnte zwei Generationen belasten Über die isolierten Mehrausgaben hat die Stadt Ende 2024 auch eine richtungsweisende Entscheidung zu treffen: Zahlt sie das coronabedingte Defizit in einem Schwung ab oder tackert sie es über maximal 50 Jahre mit zwei Prozent ab, wie es der Bürgermeister ausdrückte. Letzteres würde die folgenden zwei Generationen belasten. Kähler geht davon aus, dass landes- und bundesweit 2024 noch anderes zu diskutieren sein wird: Neue Gesetze wie die Eingliederung von Menschen mit Behinderungen in die Jugendhilfe seien nicht durchfinanziert. Mit anderen Worten: Am Ende blieben die Kommunen auf den Kosten sitzen. Und deren Schuldenstand steige stetig. Herbert Even (Grüne) rechnete vor, dass sich die knapp 16 Millionen Euro coronabedingten Kosten aus diesem Jahr und die 11 Millionen von 2020 auf 27 Millionen addieren könnten, zu denen möglicherweise noch Betriebskostenzuschüsse für die städtischen Töchter kämen. Und vielleicht noch weitere 15 Millionen Euro im nächsten Jahr. Wenn die Stadt das in einem Schwung abzahle, seien das 20 Prozent ihres Eigenkapitals.

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