Missstände in Seniorenheimen: Mitarbeiter will auspacken und erhält Abmahnung

Kreis Herford. In einem Schreiben an die NW-Redaktion wurden zuletzt zahlreiche Missstände in der Seniorenresidenz Klosterbauerschaft in Kirchlengern angeprangert. Diese sind kein Einzelfall, wie Pflegekräfte sowie Angehörige von Bewohnern in den vergangenen Tagen vermehrt berichtet haben. Sie arbeiten in den Häusern der europaweit agierenden Orpea-Gruppe oder haben dort ihre Verwandten untergebracht – und schildern gegenüber dieser Zeitung ihre Erfahrungen. Damit die Öffentlichkeit oder die Behörden nicht von Mängeln in einer Einrichtung erfahren, ist ein Mitarbeiter in der Seniorenresidenz Lenzinghausen in Spenge offenbar mit einer Abmahnung unter Druck gesetzt worden. Der Angestellte hatte es gewagt, der Heimaufsicht (heute WTG-Behörde) über einen Vorfall zu berichten, der ihm keine Ruhe gelassen habe. Das Gebiss eine Bewohners sei nicht gereinigt worden, der Bewohner soll zudem nach Urin gerochen haben. Kündigung angedroht In dem Schreiben vom April 2020, das vom Einrichtungsleiter unterschrieben ist und der Redaktion vorliegt, heißt es: &bdquo;Grund für diese Abmahnung ist, dass Sie geäußert haben, den unzureichenden Pflegezustand von [...] der WTG-Behörde zu melden. Dies stelle eine &bdquo;schwerwiegende arbeitsvertragliche Pflichtverletzung" dar. Im Wiederholungsfall müsse die Pflegekraft mit der &bdquo;Kündigung des Arbeitsverhältnisses" rechnen, droht der Einrichtungsleiter. Zuvor meldet sich bereits eine Pflegekraft der Seniorenresidenz Hiddenhausen in der Redaktion. Sie erzählt, dass sie aufgrund des Personalmangels ihrer Pflegeaufgabe nicht mehr gerecht werden könne. Sie sei auf ihrer Station teilweise allein für 19 Bewohner verantwortlich. &bdquo;Wenn mal ein Kollege oder eine Kollegin ausfällt, und das kommt nicht selten vor, muss ich alles alleine machen: die Bewohner versorgen, Telefonate annehmen oder einen Corona-Test machen", berichtet die Pflegekraft aus dem Alltag. &bdquo;Mitarbeiter ertragen das nicht mehr" Manchen Bewohnern müsse das Essen angereicht werden. Das funktioniere aufgrund des fehlenden Personals aber nicht immer. &bdquo;Wie soll man alleine das Essen schneiden und anreichen bei 19 Bewohnern? Wie soll eine Person das alles schaffen?", fragt die Pflegekraft. Daneben müsse sie noch Medikamente verabreichen oder Spritzen setzen. Aufgrund der Zustände sei der Krankenstand in ihrer Einrichtung hoch, erzählt sie. &bdquo;Die Mitarbeiter ertragen das nicht mehr". Ein weiterer Tiefpunkt sei vor einigen Tagen wieder einmal erreicht worden. Ein neu aufgenommener Bewohner habe keine Medikamente bekommen. &bdquo;Weil man sie nicht bestellt hat", sagt die Mitarbeiterin. Dabei seien es Tabletten gewesen, die der Bewohner wirklich dringend benötigt habe. &bdquo;Dann muss man sich nicht wundern, wenn der Bewohner desillusioniert durch den Wohnbereich läuft." Haben Angehörige die Heimaufsicht eingeschaltet? Die Pflegekraft erzählt, dass Angehörige vor einigen Wochen die Heimaufsicht des Kreises Herford verständigt hätten. Hintergrund soll gewesen sein, dass Verwandte einen Bewohner vorgefunden hätten, der über Stunden nicht versorgt worden sein soll. Der Besuch der Heimaufsicht würde aber nichts verändern, sagt die Pflegekraft. &bdquo;Das weiß man ja wenn die kommen, dann macht man in der Einrichtung alles schön." Das bestreitet der Kreis Herford. Auf Anfrage teilt die Pressestelle mit, dass Kontrollen nicht angekündigt werden. &bdquo;Eine vorherige Ankündigung widerspräche dem Sinn und Zweck der Überprüfung durch die WTG-Behörde", sagt Kreissprecher Patrick Albrecht. Das sagt die Orpea-Gruppe Die Neue Westfälische hat die Orpea-Gruppe am Montag schriftlich mit den Vorwürfen der Mitarbeiter konfrontiert. &bdquo;Wir sind an einem offenen und konstruktiven Dialog mit unseren Mitarbeitern, unseren Bewohnern und ihren Angehörigen sowie der allgemeinen Öffentlichkeit interessiert", teilt Pressesprecher Bernhard Rössler einen Tag später mit. Aus diesem Grund habe man in den vergangenen Wochen auf Anfragen zeitnah und ausführlich geantwortet. "Und aus diesem Grund ist unser Geschäftsleiter Marco Zafarana auch persönlich in den Austausch mit den Mitarbeitern, den Bewohnern und ihren Angehörigen sowie den verantwortlichen Behörden gegangen", heißt es in der Stellungnahme weiter. Bei der Komplexität des Thema erachte man es "jedoch als nicht zielführend, jetzt und in Zukunft Aussagen von einzelnen Mitarbeitern oder ehemaligen Mitarbeitern zu kommentieren", erklärt Rössler.

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