Wehr-Umbau: Warum die Werre-Renaturierung vor allem vor Hochwasser schützt

Herford. Das Werre-Wehr am Bergertor wird in Kürze umgebaut, die Werre selbst samt Ufer soll renaturiert werden. Doch die Unwetter der vergangenen Wochen mit Hochwasser, Toten, verletzten und traumatisierten Menschen, die zum Teil ihr gesamtes Hab und Gut verloren haben, lässt viele Herforder das Vorhaben erneut diskutieren. Aber was hilft wirklich, wenn Flüsse zu viel Wasser tragen? "Von Naturschutzseite wünschen wir uns, dass beim Umbau des Wehrs der gesamte Werre-Bereich bis hinter der lippischen Grenze und auch unterhalb des Wehrs betrachtet und renaturiert werden", sagt Bernd Meier-Lammering, der Kreisvorsitzende des BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz). Fläche an der Kreisgrenze sei für den Hochwasserschutz geeignet Denn Naturschutz heißt in diesem Fall auch Hochwasserschutz: Flussaufwärts, oberhalb der Kleingärten, gebe es eine städtische Fläche, die nur mit dem Rad zu erreichen ist. Diese Fläche sei gut geeignet, sie der Flussaue zurückzugeben, sagt Meier-Lammering, sie also zu einer Niederung zu machen, die vom wechselnden Hoch- und Niedrigwasser geprägt ist. Der Fluss könnte dort mäandrieren, sich also sein eigenes Bett suchend über die Fläche schlängeln. Der heutige Acker wäre zudem ideal als Retentionsfläche geeignet, meint Meier-Lammering. Retentionsflächen dienen der Überflutung und können große Wassermassen halten. Grundsätzlich ist Meier-Lammering der Meinung, dass die Bebauung nie so nah hätte am Fluss genehmigt werden dürfen, wie das in Herford der Fall ist. Aber immer wieder würden auch mal Gebäude abgerissen. Und die frei werdenden Grundstücke sollten nicht wieder bebaut, sondern stattdessen der Flussaue zurückgegeben werden. Auf deren Bedeutung für den Hochwasserschutz hatten Meier-Lammering und Karsten Otte schon Anfang des Jahres hingewiesen. Ein gutes Beispiel für eine geeignete Fläche liegt am Bolldammbach "Wir müssen überall schauen, wo wir Flächen für natürliche Auen zurückgewinnen können", sagt der BUND-Kreisvorsitzende. "Dieser Gedanke sollte immer im Hintergrund stehen." Meier-Lammering hat ein aktuelles Beispiel aus Enger im Kopf: Am Bolldammbach im Bereich des Kleinbahnhofs liege an der früheren Kleinbahntrasse und neben Aldi und Edeka ein Grundstück, auf dem eine Halle abgerissen worden sei. Die Fläche biete die Chance, den Bach, der an dieser Stelle relativ gerade verläuft und dadurch bei Hochwasser eine hohe Fließgeschwindigkeit bekommt, hineinschlingern zu lassen. "Solche Möglichkeiten gibt es immer mal wieder", sagt Meier-Lammering, "auch in Herford." Die Kommunen müssten dann aber nach einem Abriss die Baugenehmigung für den Wiederaufbau versagen. Kaufland als Beispiel einer verfehlten Baupolitik der Stadt Der Berech der Werrestraße zwischen Hansastraße und B 239 in Herford ist für Meier-Lammering ein Beispiel, in dem die Stadt Baugenehmigungen gar nicht erst hätte erteilen dürfen. Dort liegt die Bebauung zu nah am Wasser, geschützt nur durch einen Deich. Sollte zum Beispiel einmal der Kaufland abgerissen werden, hält er es für nötig, diese Grundstücke wieder zu Auenlandschaften zu machen. Auch unterhalb des Werre-Wehres könnten die "Sünden der Vergangenheit" noch für Probleme sorgen: Erst hätten die Herforder die Werre begradigt, sagt Meier-Lammering. Dadurch habe der Fluss dann eine höhere Fließgeschwindigkeit bekommen, so dass er immer mehr Sedimente aus dem Flussbett mit sich nahm und sich zunehmend vertiefte. Um das zu verhindern, hätten die Herforder das Wehr gebaut und das Flussbett dahinter zum Teil komplett betoniert, zum Teil dicke Steine hinein geworfen, die sie mit Beton verbanden. Eigentlich sollte der Fluss an dieser Stelle mäandrieren, sagt Meier-Lammering, sich mal hierhin, mal dorthin schlängeln, indem er Sedimente mit sich nimmt und ein Stück weiter wieder ablegt. Das Torflinsen-Argument stehe im Widerspruch zur Erfahrung Wichtig wäre für den BUND-Vorsitzenden eine naturnähere Gestaltung, beispielsweise mit großen Felsblöcken, Steinschüttungen oder Baumstämmen, die Lücken lassen und Kleinstlebewesen die Möglichkeiten bieten, sich dazwischen aufzuhalten statt runtergespült zu werden. Fraglich ist für Meier-Lammering die Begründung, mit der gegen die Werre-Absenkung entschieden wurde: Wie berichtet, war argumentiert worden, dass sich feuchte Torflinsen im Boden befinden, die zu Setzungsrissen an den Häusern führen könnten, wenn sie austrocknen. Diese Gefahr konnte auch ein Gutachten nicht ausräumen. Hinter dem Wehr ist der Fluss aber ebenfalls deutlich unter seinem ursprünglichen Niveau eingetieft. "Deshalb wundert mich, dass die Anwohner dort keine Probleme mit der Standfestigkeit ihrer Häuser hatten", sagt der Naturschützer, räumt aber ein, dass ihm die Fachkenntnisse fehlen, diese Frage zu beantworten.

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