Nach Poggenpohl-Insolvenz: Neustart baut auf Nachhaltigkeit

Herford. Der Gang ist unscheinbar. Weiße, karge Wände, heller Boden. Hier geht es eigentlich in Richtung Produktion. Von Küchen weit und breit keine Spur. Doch hinter einer Doppeltür verbergen sich die neusten Schmuckstücke aus dem Hause Poggenpohl. Geschäftsführer Ralf Marohn öffnet die "Black Box" und das erste, was dem Besucher entgegen weht, ist der Geruch von Holz. Der einstige Schulungsraum ist zur Ausstellungsfläche geworden. Zum ersten Mal zeigt der Luxus-Küchenhersteller aus Herford bereits im Sommer einen Teil seiner Neuheiten. Eine Premiere ist auch die audiounterstützte Führung. Wie in einer Kunstausstellung. Das Unternehmen ist damit offiziell zurück nach der Insolvenz - und will zeigen, was es kann. 2020 war ein turbulentes Jahr für Poggenpohl. Mitten im Corona-Lockdown am 24. April hatte die Geschäftsführung des seit 2017 zur Münchner Adcuram-Gruppe gehörenden weltbekannten Küchenmöbelherstellers die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragt. Erst hatte die Lux Group Holding mit Sitz in London den Zuschlag bekommen, kurze Zeit später ging Poggenpohl dann aber in chinesische Hand über. Der Konzern Jamoo, der sich mit Badmöbeln einen Namen gemacht hat, ist als Investor eingestiegen. Zwei Unternehmen, ein Geschäftsführer Als Geschäftsführer wurde zum 1. September Ralf Marohn eingesetzt. Kein Unbekannter. Der Unternehmen bringt er eine Menge Erfahrung aus der Küchenbranche mit und er leitet neben Poggenpohl auch das Löhner Küchenunternehmen RWK-Kuhlmann. Er ging direkt in die Vollen. "Vergangenen Herbst konnten wir noch nicht zeigen, wo wir hin wollen. Das holen wir jetzt nach", sagt Marohn. Der erste Überblick über die Neuheiten sei eine Vorankündigung für die Hausmesse. "Da kommt noch mehr", kündigt er an. Wie ein roter Faden zieht sich das Thema Nachhaltigkeit durch die neue Ausstellung. "Wir haben überall Naturmaterialien verarbeitet", sagt der Geschäftsführer. Zu sehen ist das etwa an einer Arbeitsplatte aus weißer Glaskeramik, die "wie geschichtete Eisschollen im arktischen Meer wirkt". Dafür wird ein Granulat aus recycelten Scherben zu einer robusten, kristallin wirkenden Struktur verschmolzen, die bei jeder Platte ein einzigartiges Bild ergibt. "Die gibt es auch in einem Grünton", sagt Marohn und zeigt auf die Küche, die durch die "kuratierte Farbpalette" die Vielfalt der Natur widerspiegeln soll. Die Neuheiten tragen den Titel "Interpretation einer modernen Opulenz". Das passt besonders zu der Kücheninsel mit einer Arbeitsplatte aus Rosso Lepanto. Die lang gestreckte Steinplatte scheint über den Schränken fast zu schweben. Die massiven Blöcke sind zu einem gigantischen Quader verschmolzen. "Man sieht keine Fugen", sagt Marohn. Auch rauen Lavastein verwendet das Unternehmen, das in Brennprozessen und mechanischen Bearbeitungsschritten geglättet wird und nun wie ein Handschmeichler wirkt. Nach der Insolvenz musste das Vertrauen zurückgewonnen werden Innerhalb weniger Monate habe das Team intensiv an der Präsentation gearbeitet. Die Produktabteilung aber auch das Marketing seien vergrößert worden. Laut Marohn hat Poggenpohl mehr als 30 neue Mitarbeiter eingestellt. "Wir haben gute Leute gefunden. Das zeigt, dass die Marke Poggenpohl Strahlkraft besitzt", sagt der Geschäftsführer, der mit einem Augenzwinkern hinterherwirft, dass Herford schließlich kein Hotspot wie Berlin, Hamburg oder München sei. Die Strahlkraft zeige sich auch in einem anderen Bereich. "Nach der Insolvenz mussten wir das Vertrauen unserer Kunden erst einmal zurückgewinnen", sagt Marohn. Kunden heißt im Poggenpohl-Sinn Händler, die die Küchen ausstellen und an den Endverbraucher vertreiben. Einige hatten durch die unsichere Situation bereits Ware von Wettbewerbern ins Programm aufgenommen. Der intensive Austausch habe sich gelohnt. "Alle Händler haben sich für uns entschieden", sagt Marohn mit einem gewissen Stolz in der Stimme. "Durch diesen Erfolg konnten wir auch so schnell wieder Tritt fassen." Die Nachhaltigkeit kommt nicht nur bei den Küchen zum Ausdruck. Etwa 1 Millionen Euro seien ins Gebäude investiert worden. Laut Marohn sei das Unternehmen CO2-neutral. "Wir haben unseren Fuhrpark umgestellt, erzeugen erneuerbare Energie und heizen mit unseren Sägespänen." Ausgeglichen werde die CO2-Neutralität durch ein Wasserkraftwerk-Projekt in Indien. Zwölf E-Ladestationen stehen für Mitarbeiter und Kunden bereit - kostenlos. Auch den Ressourcenmangel Holz nimmt Poggenpohl wahr Trotz des Investors aus China bleibt die Ware made in Germany. "Die Produktion bleibt in Deutschland", betont Marohn. Verschifft werden die Luxusküchen aber durch die ganze Welt. USA, China und Großbritannien sind die Hauptmärkte. 85 Prozent werde exportiert, etwa 30 Prozent davon auf Containern verschifft. Hier machen sich die Auswirkungen der Pandemie bemerkbar. "Vorher hat ein Container 1.000 Euro gekostet, jetzt liegen wir bei 10.000 Euro." Auch den Ressourcenmangel Holz nimmt Poggenpohl wahr. "Noch hatten wir keinen Produktionsstopp, aber es fällt uns schwer, alles aufrecht zu erhalten." Damit habe die ganze Branche zu kämpfen. "Es ist ein weltwirtschaftliches Problem", sagt Christina Knorr, die seit Dezember in der Position Director Brand/Marketing ist. Sie kennt sich in der Luxusbranche bestens aus. Laut des Mediums Möbelkultur hat Knorr zuvor die nationale und internationale Positionierung von deutschen Manufakturen wie Montblanc, Meissen Porzellan und Glashütte verantwortet.

Meistgelesen