Massenschlägerei in Herford: Erster Prozess gegen sechs Männer

Herford. Die Steinstraße in Herford am 24. Mai 2019. Am späten Nachmittag kommt es hier unterhalb des Deichtorwalls zu einer Massenschlägerei. Rund 30 bis 40 Männer, die weitaus meisten von ihnen Mitglieder zweier kurdischer Familien, prügeln aufeinander ein. Schlagstöcke, Holzprügel, ein Metallrohr und ein Dönermesser haben sie dabei und auch eine Gaswaffe wird eingesetzt. Erst ein ziviler Ermittler der Polizei, der früh vor Ort ist, schafft es, die Auseinandersetzung zu stoppen, als er mit gezogener Pistole die Schläger zwingt, sich auf den Boden zu legen. Knapp zwei Jahre später versucht das Schöffengericht, die Hintergründe der Massenschlägerei aufzuarbeiten. Sechs beteiligte Männer, im Alter zwischen 55 bis 28 Jahren, müssen sich im Saal 309 verantworten. &bdquo;Erwachsene Männer aus zwei Familien, die sich kloppen – das ist unwürdig, das geht gar nicht", macht Richterin Alea Blöbaum später im Prozess deutlich. Drei der Schläger kommen im Verfahren – strafrechtlich gesehen – aber mit einem blauen Auge davon. Was die Angeklagten sagen Sagen wollen die meist in Herford lebenden Angeklagten zu den Vorwürfen nichts. Bedrohung und Körperverletzung wird ihnen vorgeworfen. &bdquo;Mein Mandant möchte nichts sagen", so der Standardsatz der Strafverteidiger. Doch wo liegt der Grund für die Auseinandersetzung? Die Verhandlung liefert bisher nur einen schemenhaften Überblick. Fünf vom Gericht geladene Zeugen sind nicht gekommen. Die Situation schaukelt sich offenbar über einen längeren Zeitraum immer weiter auf, bis schließlich die 30 bis 40 Männer aufeinander losgehen. &bdquo;Wir haben vor dem Friseur gestanden, da ist der Streit entstanden, einer hat den anderen über fast 20 Minuten beleidigt", berichtet ein Zeuge, der mit einem Mitglied einer der Familien befreundet ist und gegen den ebenfalls ermittelt wurde. Der eine möge den anderen halt nicht. Schließlich habe ein anderer Mann zugeschlagen. Ein Taxifahrer – nach den Schilderungen des Zeugen offensichtlich einer der sechs Angeklagten (48) – habe später noch aus seinem Kofferraum Schlagstöcke geholt, die auch eingesetzt worden seien. Festnahmen am Tatort Gegen 17 Uhr sind die ersten Polizisten in Zivil vor Ort. Die zunächst noch auf sich allein gestellten Beamten wollen aus Sicherheitsgründen auf Verstärkung warten. Als klar wird, welche Waffen die Schläger einsetzen wollen, entschließen sie sich, einzugreifen. Immer mehr Polizisten aus dem Kreis werden an der Steinstraße zusammengezogen. Das Areal wird bis 19 Uhr abgeriegelt. Vier Männer werden festgenommen und mit Handschellen in eine Zelle des Gewahrsam der Polizei gebracht. Die Ermittlungen beginnen, bei mehreren Beteiligten wird durchsucht. Die Staatsanwaltschaft erhebt im vergangenen Jahr Anklage. Doch wegen Corona verzögert sich das Gerichtsverfahren. Im Laufe des Prozesses am Dienstagmorgen entscheidet das Gericht, die Strafverfahren gegen vier der Beteiligten gegen Geldauflagen wegen geringer Schuld einzustellen. Drei der Männer waren zwar an der Massenschlägerei beteiligt, haben aber allein Mitangeklagte verletzt, so die Staatsanwaltschaft. Ein Student aus Minden muss 1.000 Euro zahlen, ein anderer junger Mann, der eigentlich in der Gastronomie arbeitet und zurzeit Kurzarbeitergeld erhält, kommt mit 300 Euro davon, ein weiterer Beteiligter, der von Hartz IV lebt, muss 400 Euro berappen. Die meisten Geldauflagen fließen an die Frauenberatungsstelle und damit an den Neubau des Herforder Frauenhauses. Das Verfahren gegen die anderen drei weiteren Schläger geht hingegen weiter. Weil aber am Dienstagmorgen ein Dolmetscher fehlt, wird das Verfahren ausgesetzt und wird dann an einem neuen Termin auch neu starten. Offenbar sind die Beteiligten um Schadensbegrenzung bemüht. &bdquo;Beide Familien haben sich eine Woche später zusammengesetzt. Eine Feindseligkeit gibt es nicht mehr", so Strafverteidiger Lutz Klose unter Verweis auf seinen Mandanten. Schlägerei am Westring Bereits im Juli 2018 hatten ebenfalls auf der Steinstraße rassistische Beleidigungen eine Massenschlägerei mit rund 40 jungen Männern ausgelöst. Die beiden Parteien – auf der einen Seite junge Männer kurdischer Herkunft und Männer aus Nordafrika – standen sich teils mit abgebrochnen Flaschenhälsen gegenüber, so die Polizei, die schließlich die Gewalt stoppen konnte. Bei einer späteren Hausdurchsuchung wurde eine Machete gefunden. Kurz nach der Schlägerei an der Steinstraße gab es eine weitere Massenschlägerei nahe des Westrings – hier ging die Polizei dem Verdacht nach, ob Personen von der Steinstraße auch am Westring mit dabei waren. Und erst im vergangenen Jahr gab es eine Messerstecherei an der Diebrocker Straße. Hier gehören die beiden Gruppen zwei rivalisierenden kurdischen Familien an.

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