Klimawandel: Warum Mini-Wälder leichter anzulegen sind, als gedacht

Mini-Wälder (Tiny Forests) sind Wälder, die im urbanen Raum auf sehr kleiner Fläche sehr dicht gepflanzt werden. Unter den für sie vorgesehenen Bedingungen wachsen sie rund fünf Mal schneller als konventionell gepflanzte Wälder. Wollten wir den gesamten CO2-Ausstoß aller Einwohner im Kreis Herford im Laufe ihres Lebens kompensieren, müssten wir kreisweit jedes Jahr rund 40.000 Quadratmeter Mini-Wälder pflanzen, wie die NW errechnet hat. So viele Flächen gibt es nicht, werden jetzt Landwirte, Stadtplaner und Entwickler von Baugebieten ausrufen. Doch sie denken falsch. Denn erstens geht es bei den Tiny Forests um Flächen, die sonst ungenutzt blieben. Dazu gehören solche zwischen zwei Fahrspuren, zwischen Straßen und Industrie-Bauten oder in den Schleifen der Autobahnauf- und -abfahrten. Zweitens soll das Anpflanzen der Bäume nur einer von vielen Beiträgen zum Klimaschutz sein. Es müsste also nicht alles, was wir an CO2 verursachen, mit Bäumen kompensiert werden. Drittens gibt es viele Menschen mit großen Privatgrundstücken, auf denen oft vor allem ökologisch minderwertiger Rasen wächst. Dabei reichen schon 200 Quadratmeter für einen Mini-Wald. Die Anpflanzung ist nicht allzu teuer, auf Dauer pflegearm und wird womöglich auch noch vom Land gefördert, sie muss also nicht allein öffentliches Anliegen bleiben. Viertens haben Tiny Forests viele weitere positive Wirkungen: Sie werten Flächen ökologisch auf, wachsen schnell, filtern Luft, binden Wasser im Boden, haben das Potenzial, Städte zu kühlen, sind Erosions- und Lärmschutz, erhöhen die Artenvielfalt, verbessern das Stadtbild und können der Naherholung dienen. "Was fehlt, ist die richtige Einstellung" Wer mit diesen Gedanken den Kreis durchquert, wird unendlich viele geeignete Flächen entdecken. Was fehlt, ist die richtige Einstellung. Deshalb sieht die Realität anders aus, und zwar auf allen Ebenen. Beispiel: Landesförderung für Alleen. Das ist eine völlig unsinnige Geldausgabe. Denn Alleen bestehen aus einer Reihe von Einzelbäumen, die wir in Zukunft bewässern müssen, damit sie überleben. Das nötige Wasser dafür werden wir bald nicht mehr haben. Beispiel: Straßenrandstreifen. Mehrere Meter tief mähen die Landesbetriebe jedes Jahr entlang der Landesstraßen. Zwar haben sie in diesem Sommer vielerorts die Streifen erstmals schmaler gehalten und später im Jahr gemäht als sonst. Aber kleinere Bäume könnten sie auch fast bis an den Asphalt heranwachsen lassen. Denn wozu braucht es zum Beispiel entlang der Herforder Umgehungsstraße eine fünf bis sieben Meter breite Brache? Gleiches an den Autobahnauf- und -abfahrten: Autofahrer, die mit überhöhtem Tempo aus der Kurve fliegen, sollen an keinem Baum zerschellen; deshalb stehen nur außerhalb dieser Flugschneisen einige Bäume. Doch auch der Klimawandel wird tödlich werden. Es wäre an der Zeit, dass der Gesetzgeber zwischen Verkehrssicherungspflicht und lebensbedrohlichen Klimafolgen neu abwägt, und zwar zugunsten der CO2-Bindung. Beispiel: Privatleute. Geh- und Radwege müssen begeh- und befahrbar bleiben. Ja. In der Vergangenheit gab es aber oft ein unerträgliches Gejammer um jeden Strauch, der über Grundstücksgrenzen auf öffentliche Wege ragte. Wie der Umgang des Bürgers mit der Natur ist, zeigt das Riesen-Angebot an Herbiziden und Insektiziden in Baumärkten - oder der Blick zum Nachbarn. Mancher macht es sich auch mit Schottergärten leicht, die eher an Gräber als an einen Garten erinnern. Wer keine Natur will, der sollte in eine Mietwohnung ziehen. Innenstädte und Wohngebiete können auch Fläche bieten Beispiel: Forstwirtschaft. In den Wäldern im Kreisgebiet sind seit Sommer 2018 Zigtausende von Bäumen abgestorben und gefällt worden. Dort könnte dichter Naturwald neu entstehen. Doch die Interessen der Waldbauern sind andere. Fällbare Baumbestände sind ihre Einnahmequelle, nicht die dicht bewachsenen, artenreichen Mischwälder, die aber gegen Insekten und Pilze resistenter sind. Beispiel: Innenstädte und Wohngebiete. Frisch asphaltierte Straßen, gepflasterte Bürgersteige, sauber verputzte Fassaden und kaum Bäume. Wer verfolgt hat, wie viele Bäume in den vergangenen Jahren aus Vorgärten und Innenstadten verschwunden sind, muss eigentlich erschrecken. Denn das wirkt nicht nur öde, weil sich die Straßen zunehmend aneinander angleichen. Wir brauchen das Grün in der Stadt auch: Vögel und andere Wildtiere fliehen in die besiedelten Gebiete, weil ihnen Monokulturen auf den Äckern den Lebensraum nehmen. Richtig gemacht haben werden wir es erst, wenn wir die Häuser hinter den Bäumen erahnen, statt beim Blick auf Wohnstraßen suchen zu müssen, ob wir überhaupt noch einen Baum entdecken. Seit Jahrzehnten gehen wir in die entgegengesetzte Richtung. Das muss ein Ende haben. Die Natur muss in die Städte zurück.

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