Kreis Herford

Emotionaler Job: Arbeiten beim Corona-Bürgertelefon

In der Corona-Telefonzentrale des Kreises Herford sind seit Anfang März mehr als 7.500 Anrufe eingegangen. Noch immer klingelt täglich rund 50 Mal das Telefon.

Kathrin Beermann (l.) und Tanja Wrobel  sind für die Menschen im
Kreis Herford am Bürgertelefon im Einsatz. | © Patrick Albrecht/Kreis Herford

21.07.2020 | 21.07.2020, 10:34

Kreis Herford. Kann ich meine Geburtstagsfeier noch stattfinden lassen? Gelte ich als Risikopatient? Was mache ich, wenn ich aus einem Risikogebiet wieder einreise? Wo kann ich Soforthilfe beantragen?

Die Corona-Krise hat für die Bürger im Kreis Herford viele Fragen aufgeworfen. Das beweisen mehr als 7.500 Anrufe, die seit der Einrichtung Anfang März beim Bürgertelefon des Kreises eingegangen sind.

Die Zentrale für Fragen und Anliegen jeglicher Art, die mit dem Coronavirus und seinen Folgen zu tun haben, wurde zum Beginn der Corona-Pandemie im Kreis innerhalb von wenigen Tagen eingerichtet – obwohl sehr viel vorzubereiten war, wie etwa die passenden Räume, Rechner, Telefone und Personal zu organisieren.

60 Mitarbeiter des Kreises haben für das Bürgertelefon gearbeitet

In den ersten Wochen haben bis zu zehn Mitarbeiter gleichzeitig die Anrufe beantwortet. - © Patrick Albrecht/Kreis Herford
In den ersten Wochen haben bis zu zehn Mitarbeiter gleichzeitig die Anrufe beantwortet. | © Patrick Albrecht/Kreis Herford

Kathrin Beermann und Tanja Wrobel sind derzeit in Vollzeit für das Bürgertelefon eingeteilt. Von montags bis donnerstags stehen sie zusammen mit zwei Kollegen den Menschen im Kreis von 8 bis 16 Uhr und freitags von 8 bis 14 Uhr zur Verfügung. Noch vor wenigen Wochen waren hier wesentlich mehr Verwaltungskräfte im Einsatz:

Knapp 60 Mitarbeiter aus verschiedenen Bereichen der Verwaltung haben bislang für das Bürgertelefon gearbeitet – anfangs im Schichtsystem mit zehn Menschen von morgens 8 bis 12 Uhr, sowie nachmittags von 12 bis 16 Uhr. „Um jeden Bürger ausgiebig und kompetent beraten zu können“, erklärt Kreissprecher Patrick Albrecht. Auch am Wochenende war das Bürgertelefon von 10 bis 13 Uhr erreichbar.

Rund 350 Anrufe gingen im März täglich ein, im April waren es durchschnittlich 200, mittlerweile sind es im Schnitt noch knapp 50.

Beermann arbeitet eigentlich im Jugendgästehaus

„Während unserer Vier-Stunden-Schichten war die Schlagzahl extrem hoch. Jeder von uns war gefühlt ununterbrochen am Telefonieren“, erzählt Kathrin Beermann. Sie arbeitet eigentlich im Jugendgästehaus in Rödinghausen. „Für uns alle war das eine völlig neue Erfahrung. Meine Kolleginnen, Kollegen und ich mussten uns innerhalb kürzester Zeit sehr viel Wissen aneignen. Wir sind aber schnell in die Rolle hineingewachsen“, so Beermann. Bis heute gibt es vor jeder Schicht eine Dienstbesprechung, in der sich die Mitarbeiter austauschen und gegenseitig informieren.

Rund 5.500 der bislang 7.500 eingegangenen Anrufe wurden am Bürgertelefon selbst beantwortet. Alle Fragen, die dort nicht geklärt werden konnten, wurden an Fachpersonal im Kreishaus weitergeleitet und beantwortet. Oft waren es umfangreiche Fragen zu den Themen Kinderbetreuung, Hygiene, Gesundheit, Service und Jugendamt.

„Die Fragestellungen am Bürgertelefon ändern sich je nach den aktuellen Verläufen und Ereignissen“, meint Patrick Albrecht. Nachdem zu Beginn der Corona-Pandemie viele allgemeine Fragen gestellt wurden, ging es mit der Zeit viel um Reiserückkehrer, Schulschließungen und Kinderbetreuung. Auch Fragen zum Arbeitsrecht, Arbeitgeber- und Arbeitnehmerfragen sowie die Erstattung von Lohnausfällen häuften sich. Gleiches gilt für private und öffentliche Veranstaltungen sowie für Schutzausrüstungen und Hygienestandards.

Diese Themen interessierten die Bürger

Im ärztlichen Bereich wurde häufig gefragt, welche Verhaltensweisen nach einem Kontakt zu einer erkrankten Person empfohlen werden. Auch das Thema Reiserückkehrer rücke in der Ferienzeit wieder in den Fokus, so Albrecht. Angerufen hätten unter anderem Privatpersonen, Unternehmen, Vereine sowie verschiedene Arztpraxen.

Für Landrat Jürgen Müller ist das Bürgertelefon ein wichtiger Baustein im Krisenmanagement: „Wir haben seit Beginn der Corona-Krise ausgiebig über die Presse, unsere Internet-Seite und unsere sozialen Kanäle informiert. Um den Bürgerinnen und Bürgern auch im persönlichen Gespräch immer die bestmögliche Beratung zu bieten, haben wir das Bürgertelefon eingerichtet“, erklärt der Landrat.

Dass an den Hörern eine tolle Arbeit geleistet wird, unterstreicht Kreisdirektor und Krisenstabsleiter Markus Altenhöner: „Die Bürgerinnen und Bürger immer gut zu beraten, ist eine große Herausforderung, besonders weil Corona fast alle Lebensbereiche umfasst “, sagt Altenhöner.

Unsicherheiten und Ängste machen sich bemerkbar

Kathrin Beermann und Tanja Wrobel: „Wir machen hier keine einfache Sachbearbeitung. Wir sprechen mit Menschen, die ernsthafte Sorgen und Nöte haben und die auf unsere Informationen und unser Mitgefühl angewiesen sind“, so Beermann. „Besonders Anrufe von Angehörigen, die ihre Verwandten in den Pflegeheimen eine Zeit lang nicht besuchen konnten, haben mich sehr berührt“.

Die meisten Anrufenden seien nach wie vor freundlich. Bei vielen Menschen machten sich allerdings Unsicherheiten und Ängste bemerkbar, insbesondere in finanzieller und gesundheitlicher Hinsicht. „Da sind auch Menschen bei, die einfach mal Luft ablassen müssen und uns im Nachhinein sagen, dass wir ja eigentlich nichts für die Situation können“, erklärt Tanja Wrobel, die neben ihrer Arbeit beim Bürgertelefon im Katasteramt arbeitet und zusätzlich Vorsitzende der Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) ist. „Oftmals sind es jedoch auch Anrufer, die einfach froh sind, dass ihnen zugehört wird“, so Wrobel.

„Neben unserer fachlichen Beratung leisten wir auch viel zwischenmenschliche Arbeit“, so Kathrin Beermann. Eine Arbeit, die neben Fachwissen auch Empathie erfordert. Und eine Arbeit, „mit der wir uns auch persönlich weiterentwickeln“, sagt Beermann. Wir wissen, dass wir hier gebraucht werden und machen es deshalb auch gerne“.