Herford. Welch ein Auftritt. Max Mutzke wurde wegen einer gerissenen Sehne im Rollstuhl an die Bühne geschoben. Folge einer Verletzung beim Fernsehkampf „Schlag den Star". Das war nach drei Songs. Da hatte die Band um die drei ebenso exzellenten wie tonal unterschiedlichen Trompeter Rüdiger Baldauf (Chef der Truppe), Joo Kraus (alter Hase und einstiger Teil des Duos Tab Two) sowie Lorenzo Ludemann (noch frisch im Musikgeschäft) gerade mit funky Soul und der Joo-Kraus-HipHop-Gesangsnummer „Leaves" für Lockerheit im voll besetzten Saal des Museums gesorgt.
Das Publikum sah Mutzke zuerst nicht, vernahm seine Stimme aber umso intensiver. Frisch und unverbraucht kommt sein Hit „Welt hinter Glas" rüber. Da taucht sein Hut über dem Bühnenrand auf und das Publikum beklatscht den Mann aus dem Schwarzwald frenetisch. Tatsächlich gelingt es ihm und der siebenköpfigen, top besetzten Band, die abgenudelte Ursprungsversion als gänsehäutige, bluesige Nummer neu zu interpretieren. Mutzkes Stimme ist nochmals gereift, schraubt sich mühelos in die dritte Oktave, bleibt sekundenlang dort oben haften und schiebt Gitarrist Bruno Müller mit einem Solo an, das sich gewaschen hat. Spätestens jetzt hat Max Mutzke das Publikum für sich gewonnen.
Blech-Dreigestirn spielt die Melodie wie eine Fanfare

Nachdem der Applaus abgeebbt ist wird es rockig mit dem Beatles-Klassiker „Come together". Das Blech-Dreigestirn spielt die Melodie wie eine Fanfare, Max gibt dem Song tonale Tiefe. Das Publikum merkt: hier ist pure Spielfreude am Werk. Keine Zeit zum Luftholen. Die Melodielinie kommt allen bekannt vor, doch klingt sie heute irgendwie anders. Ja, es ist „Just cant wait until tonight", Mutzkes ESC-Song, der ihn vor mehr als 15 Jahren ins Rampenlicht katapultierte. Mit Kopfstimme und machtvoll groovender Band geht es ab, das Auditorium klatscht, fast alle singen mit.
Pause für den Frontmann Mutzke. Rüdiger Baldauf legt den Michael-Jackson-Titel „They dont care about us" mit Ventil-Posaune zuerst als Balkan-Beat, dann als Countrynummer und schließlich als Reggaeversion an. Gleich hinterdrein der Jackson-Five-Hit „Dont blame it on the boogie”. Ein Song aus OWL, den einst Mick Jackson aus Paderborn schrieb. Gern, kurzweilig und lustvoll von Joo Kraus erklärt. Es folgt ein maues instrumentales „Back in the USSR". Mit Mutzkes erneutem Auftauchen nimmt der Abend wieder Fahrt auf.
Was folgt, ist „Bye bye", eine ergreifende Hommage an den vor wenigen Wochen überraschend verstorbenen Edo Zanki. Er war die graue Eminenz der deutschen Soul-Szene und Förderer unter anderem von Xavier Naidoo. Zanki war auch lange die Stimme in der Trumpet Night. Mutzke hat ihn beerbt.
Eine Spielwiese für den versiertesten deutschen Gitarristen
Tempo- und Genrewechsel: Joo Kraus legt eine deutschsprachige Version des George-Benson-Hits „Give me the night" hin. Übrigens geschrieben von Rod Temperton aus der Nähe von Worms. Eine Spielwiese für den wohl versiertesten deutschen Gitarristen Bruno Müller. Mit „Unsere Nacht", einem Lied gegen Hass, Intoleranz und religiösen Wahn sowie dem Appell für ein buntes Deutschland steuert das Programm dem Ende zu. Tatsächlich mit einer weiteren Überraschung: Claptons „Tears in Heaven" kann so gar nicht pathetisch klingen, nochmals zu Herzen gehen und rüberkommen wie eine von Hardrockern gespielte Ballade. Tiefe gewinnt der Song durch den Beistand dreier glasklarer Trompeten. Da verdrückt sich manch ein Besucher ein paar Tränen.
Bei Nils Landgrens „Stuff like that" wird es nochmals funky, bevor Mutzkes neuester Titel „Schwerelos" die restlos überzeugten Fans in die feucht-kühle Nacht entlässt. Ein denkwürdiger Abend.