Tempolimit in Herford: Führt Tempo 30 sogar zu mehr Schadstoffen?

Herford. Spott und Hasskommentare in den sozialen Netzwerken zog der Herforder Bürger Jürgen Josting mit seiner Forderung an den Rat auf sich, im Herforder Stadtgebiet flächendeckend Tempo 30 auf den Straßen einzuführen. Der Verkehrsausschuss hat im Juni schon einmal den Antrag und die abschlägige Stellungnahme der Verwaltung zur Kenntnis genommen. Für die nächste Sitzung am 1. Oktober hat die Stadtverwaltung nun ihre Haltung mit den Stellungnahmen anderer Behörden untermauert, wonach der Antrag aus verkehrsrechtlichen Gründen abzulehnen sei. Zudem sei weder ein positiver noch ein negativer Einfluss von Tempo 30 auf den Klimaschutz in der Stadt wissenschaftlich belegbar. Polizei Die Kreispolizeibehörde weist in ihrer ablehnenden Stellungnahme auf Untersuchungen des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (Lanuv) hin, wonach solche Geschwindigkeitsbeschränkungen im Ergebnis zu einer deutlichen Verschlechterung der Luftqualität und einer deutlichen Steigerung der Immissionswerte führe. Tempo 30 sei auch Thema einer Dienstbesprechung von Verkehrsingenieuren der Bezirksregierungen und des Landesbetriebs Straßenbau NRW beim Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr gewesen. Den Bezirksregierungen sei empfohlen worden, auf die Anordnung von Tempo 30 als Maßnahme zur Luftreinhaltung zu verzichten. Die Ergebnisse der Verkehrsingenieur-Besprechungen seien für die Straßenverkehrsbehörden bindend. Landesbetrieb Straßenbau Der Landesbetrieb Straßenbau NRW selbst sieht die Einschränkung auf Tempo 30 nur als Mittel zur Entschärfung einer Gefahrenlage. Kreis Herford Der Kreis Herford weist auf die überörtliche Verkehrsbedeutung seiner Straßen hin und zweifelt Tempo 30 als geeignete Maßnahme gegen den Klimawandel an, ohne das aber zu begründen. Das Straßenverkehrsamt sieht Handlungsmöglichkeiten zum Schutz der Menschen vor Lärm und Abgasen nur unter Betrachtung der Gegebenheiten bestimmter Örtlichkeiten - nicht flächendeckend. Bezirksregierung Detmold Die Bezirksregierung Detmold rät, dass einhergehend mit einer Einrichtung von Tempo-30-Zonen auch das Erscheinungsbild der Straße so geändert werden sollte, dass die Autofahrer das Tempolimit akzeptieren. Außerdem müssten die Vorfahrtsregeln dort geändert werden. Klimaschutzbeauftragte Die Herforder Klimaschutzbeauftragte Laetitia Müller kennt sich widersprechende Aussagen zur Sinnhaftigkeit der Einführung von Tempo 30 in der Fläche. Während das Umweltbundesamt davon ausgeht, dass Tempo 30 durchaus zur Verminderungvon Lärm und Abgasen führen könne, sieht es, wie oben erwähnt, das Landesumweltamt gänzlich anders. Entscheidend sei am Ende, ob es einen flüssigen Verkehr gebe und Stillstandzeiten verringert werden könnten. Aber selbst dann fielen die Einsparungen gering aus. Antragsteller Der Antragsteller Jürgen Josting hat die Vorlage der Verwaltung an den Ausschussgelesen und vermisst die Bewertung der von ihm erwarteten Verringerung der Autofahrten bei Tempo 30. Er meint, dass Leute, die im Auto langsamer voran kommen als heute, eher auf umweltschonendere Verkehrsmittel wie Rad und Bus umsteigen. Tempo 30 bedeute zudem mehr Sicherheit insbesondere für den Radverkehr ohne den Bau teurer Radwege. Selbst aus Sicht der Autofahrer müsse eine Geschwindigkeitsreduzierung akzeptabler sein als Fahrverbote. Die Meinungen der Herfordergehen zu dem Thema auseinander. Aachen Interessant ist ein Blick nach Aachen. Dort hat der Rat jetzt unter dem Eindruck drohender Diesel-Fahrverbote mit großer Mehrheit die Einführung von Tempo 30 in der gesamten Innenstadt beschlossen. Auch hier ist die Maßnahme umstritten. Die Aachener Zeitung zitiert in ihrer aktuellen Berichterstattung das Gutachten eines Aachener Experten für das Landesumweltamt in Baden-Württemberg. Demnach produzieren Motoren bei Tempo 30 weniger Umweltgifte - aber nur, wenn starkes Beschleunigen und Abbremsen unterbleibe und der Verkehr konstant fließe - etwa bei einer perfekt grünen Welle. Das können sich die Aachener Redakteure aber für ihre Heimatstadt nicht vorstellen. Nach dem Gutachten ist die Wirkung von Tempo 30 auf Feinstaubemissionen aus dem Abgas und den Kraftstoffverbrauch je nach örtlichen Gegebenheiten unterschiedlich aber fast überall negativ.

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