Werbung auf Telekom-Schaltkästen: Stadt verliert Klage in Minden

Herford. Die Versorgung der Bevölkerung mit Internet und Telefon ist Teil der Grundversorgung. Die Stadt stellt Anbietern deshalb Flächen zur Verfügung, auf denen sie ihre Schalt- oder Verteilerkästen aufstellen können. Vor einiger Zeit kam es allerdings zu Ärger. Denn die Telekom vermarktet die grauen Schränke zu Werbezwecken. "Wir sind verpflichtet, der Telekom und anderen Unternehmen Schaltkasten-Plätze zur Verfügung zu stellen", sagte Baubeigeordneter Peter Maria Böhm kürzlich im Bau- und Umweltausschuss. "Die Telekom versieht sie jetzt mit Reklame und generiert Einnahmen." Das sehe er nicht ein. Der Ärger rührt daher, dass die Verwaltung versucht, Werbung in der Stadt zu reglementieren; die Telekom untergräbt jetzt aber dieses Bemühen, indem sie die Reklame einfach platziert. Die Verwaltung kann nicht nachvollziehen, dass sie öffentliche Flächen zur Verfügung stellen muss und dann kein Mitspracherecht darüber hat, was über den eigentlichen Zweck hinaus dort passiert. So stellte es Böhm im Ausschuss dar. Werbeflächen auf 360.000 Schaltkästen in mehr als 6.000 Gemeinden und Dörfern Hintergrund seiner Sorge ist, dass beispielsweise Bordelle für sich werben. Die Herforder würden sich mit ihrem Ärger dann natürlich an die Verwaltung wenden, sagt Böhm. Damit das auf den regulären Werbeflächen - beispielsweise Werbewände und Litfaßsäulen - nicht passiert, hat die Stadt mit dem Anbieter von Werbung einen Vertrag, in dem genau festgelegt ist, was er in Herford platzieren darf und was nicht. Nun sei die Telekom auf die Idee gekommen, die Schaltkästen zu vermarkten und mache dort, was sie will. Und von diesen Kästen gebe es mehrere hundert in der Stadt, sagt Böhm, darunter sind auch große, beispielsweise auf der Komturstraße, die fast Garagenformat haben. Bei denen, die auf städtischen Flächen stehen, will das Rathaus mitreden. Stehen die Kästen auf privatem Grund und Boden, kann es sowieso keinen Einfluss nehmen. Das Verwaltungsgericht Minden hat dem Bemühen der Stadt jetzt - vorläufig - einen Riegel vorgeschoben: Die Richter entschieden gegen die Stadt. Gegnerische Seite war im Verfahren allerdings nicht die Telekom, sondern die Rheinkultur Medien und Verlags GmbH. Das Unternehmen hatte sich die Nutzung der Telekom-Schaltkästen Ende 2016 vertraglich gesichert, sagt ihr Geschäftsführer, Klaus Peter Weber. Er wolle nur das ihm zustehende Recht nutzen. Die Stadt erwägt, das Verfahren weiter zu betreiben Nach Webers Angaben bietet das Unternehmen Werbeflächen auf rund 360.000 Schaltkästen in mehr als 6.000 Städten, Gemeinden und Dörfern an, zuletzt allerdings nicht mehr in Herford: Wegen des Rechtsstreits hatte die Rheinkultur in der Werrestadt auf die Werbung verzichtet. Er habe die Kunden, die womöglich von der Stadt angegangen worden wären, nicht verärgern wollen, sagt Weber. Anlass für die gerichtliche Auseinandersetzung war ein Schreiben, das die Stadt Herford der Solinger Firma im Mai 2018 geschickt hat. Darin wies sie auf die erforderliche Sondernutzungsgenehmigung für Werbung hin und forderte, da diese nicht vorliege, die bereits angebrachte Werbung zu entfernen. Andernfalls drohe ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000 Euro je plakatiertem Schaltkasten. Die Rheinkultur klagte gegen die Zwangsgeldandrohung. Vor der Verhandlung am Verwaltungsgericht Minden kürzlich hatte sich im Februar schon das Oberverwaltungsgericht in Münster im Eilverfahren mit der Angelegenheit beschäftigt. Es entschied: Nur wenn die angebrachte Werbung Passanten und Verkehrsteilnehmer im öffentlichen Raum behindere, sei sie unzulässig. "Hinter solchen Diskussionen stecken oft wirtschaftliche Interessen" Im Verfahren in Minden ging es viel um Ästhetik von Werbung und die Frage der fehlenden Mitbestimmung der Stadt. Webers Anwalt, Alexander Truß, hat allerdings die Erfahrung gemacht, dass hinter solchen Diskussionen wirtschaftliche Interessen stecken: So genannte Stadtpächter mieten die Werbeflächen, um sie selbst zu nutzen, sagt Truß. In Herford bleiben die Schaltkästen grau. Ab und zu verschönert sie - mit Genehmigung - ein Graffiti- oder anderer Künstler, manchmal auch ein Kindergarten. Eine Stadt kann nach Truß' Ansicht die Werbung aber nicht grundsätzlich verbieten. Dort, wo es beispielsweise eine Satzung gebe, die Reklame reglementiere, hole die Rheinkultur natürlich eine Sondernutzungsgenehmigung ein. Der Anwalt hält es aber für nicht zulässig, wenn die Stadt an anderer Stelle über die Baugenehmigung hinaus, die für Werbung ab einer gewissen Größe erforderlich ist, zusätzlich eine Sondernutzungsgenehmigung verlangt. "Werbung ist ein Gewinn für beide Seiten" Werbung sei außerdem ein Gewinn für beide Seiten, meint Truß. Er verweist auf Berlin, wo auf Schaltkästen "17 Lagen Plakate" kleben, und auf Leipzig, wo vor allem Rechte ihre Schmierereien auf den Verteilerschränken hinterließen. Zudem ermögliche die Rheinkultur nicht werblichen Interessenten die Flächen auf Schaltkästen mit zu nutzen - "im vorher abgesprochenen Rahmen". Kindergärten, zum Beispiel, die auf ein Sommerfest hinweisen wollten. Oder der Stadt, wenn sie für Stadtfeste werben will. Die Verwaltung will jetzt die schriftliche Begründung des Urteils aus Minden abwarten. Danach beginnt die Widerspruchsfrist. Böhm zufolge erwägt die Stadt, das Verfahren weiter zu betreiben. Ein Urteil von höchster Instanz könnte auch für alle anderen Kommunen in Deutschland von Interesse sein. Denn das Urteil aus Minden ist das erste zu Werbung auf Schaltkästen. Weber will in Herford nicht plakatieren, solange kein rechtsgültiges Urteil vorliegt.

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