Herford

Forschungsprojekt: Wie zwei Herforder Brüder in den Weltkrieg zogen

Johann Budde hat 400 Feldpost-Briefe seiner Vorfahren durchgewälzt und mit seiner Arbeit den NRW-Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten gewonnen. Einige Erkenntnisse schockierten den 14-Jährigen.

Feldpost nach Herford: Die Briefe der Gebrüder Budde sind für den jungen Historiker ein reicher Fundus gewesen.  |

Peter Steinert
26.06.2019 | 26.06.2019, 11:45

Herford. Auf in den Kampf! Für Johann Buddes Urgroßonkel Ernst und seinen Urgroßvater Gerhard schien es vaterländische Pflicht mit Feuereifer in den Ersten Weltkrieg zu ziehen. Hoch zu Ross wollten sie den Feind bezwingen und als Helden in ihre Heimatstadt Herford zurückkehren.

Geschichtsträchtig: Die Grabstelle der Herforder Familie Buddeauf dem Alten Friedhof an der Hermannstraße, besucht von Johann Budde und seinem Vater Cord sowie Johanns Tante Gunilla. - © Peter Steinert
Geschichtsträchtig: Die Grabstelle der Herforder Familie Buddeauf dem Alten Friedhof an der Hermannstraße, besucht von Johann Budde und seinem Vater Cord sowie Johanns Tante Gunilla. | © Peter Steinert

„Ich war geschockt, dass die beiden Vorfahren ziemlich kriegsbegeistert waren", sagt der 14-jährige Johann Budde. Anhand von Briefen zwischen den Soldaten und der an der Bielefelder Straße bangende Mutter Elsbeth rekonstruierte er die damalige Zeit. Mit dieser Auswertung beteiligte er sich am Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten, gewann auf Landesebene und hat nun die Chance, als Preisträger auf Bundesebene Frank-Walter Steinmeier persönlich zu treffen.

Briefe aus Krisenzeiten

„Zwei Brüder im Ersten Weltkrieg. Briefe aus Krisenzeiten", nennt der Achtklässler des Friedrichs-Gymnasiums seine Arbeit, die Tante Gunilla Budde möglich machte, weil sie die in Sütterlin-Schrift verfassten Aufzeichnungen entzifferte.

Historisches Portrait: Ernst Budde - © Gunilla Budde
Historisches Portrait: Ernst Budde | © Gunilla Budde

„Die größte Herausforderung für den Jungen war zunächst die Lektüre des sehr umfangreichen Briefkonvoluts von fast 400 Seiten. Mit der Aufgabe, nicht nur zu lesen, sondern auch zu überlegen, welcher der Briefe er auswählen wollte, musste ich Johann nach einem ersten intensiven Vorgespräch allein lassen", sagt Gunilla Budde, die Professorin für Deutsche und Europäische Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg ist.

In Uniform: Gerhard Budde - © Gunilla Budde
In Uniform: Gerhard Budde | © Gunilla Budde

Johann Budde wertete nicht nur die Feldpost von Urgroßonkel und Urgroßvater aus, sondern auch die Briefe seiner Ururgroßmutter. „Elsbeth Budde hatte über 200 Briefe an ihre beiden Söhne geschrieben, die während des Krieges weiter getragen wurden und deswegen größtenteils erhalten geblieben sind. Das ist sehr außergewöhnlich", sagt die studierte Historikerin Gunilla Budde.

Für Essen und Unterkunft müssen die Soldaten selbst aufkommen

Johann Budde findet heraus, dass Urgroßonkel Ernst als Fahnenjunker im Einsatz war und damit einen höheren Rang beim Militär bekleidete. Trotzdem habe er in seiner Garnisonsstadt für Essen und Unterkunft selbst aufkommen müssen.

„Einen günstigen Mittagstisch haben wir noch nicht gefunden. Abends müssen wir im Kasino essen. Ich habe keine Ahnung, wie teuer es ist", schrieb Ernst an seine Eltern. Und später: „Das Leben ist viel teuerer als im Frieden. Schickt bitte sofort Geld, ich bin in scheußlicher Verlegenheit."

Anschaulich schilderte der Herforder später den Fronteinsatz in Frankreich: „Man kommt im Drecke um. Mein ganzer Körper ist von Wanzenstichen blutig. Mein Magen ist sehr beansprucht. Mal bekomme ich einen Tag nichts zu essen, mal esse ich mich für acht Tage satt. Alles durcheinander."

Am Wege lagen tote Pferde und die Eingeweide geschlachteter Ochsen

Die Grausamkeit des Krieges sparte Ernst Budde nicht aus: „Überall kamen wir an Massengräbern vorbei. Am Wege lagen tote Pferde und die Eingeweide geschlachteter Ochsen. Es stank entsetzlich." Über seinen ersten verstorbene Freund berichtet Ernst allerdings nur in knappen Worten: „Von Duai sind wir jetzt über Cambrai nach Hanbourdin vor Lille. Gestern im Gefecht gewesen. Fahnenjunker Willmer auf Patrouille erschossen."

Tante Gunilla ist angesichts der umfangreichen Arbeit voll des Lobes über ihren Neffen. Und wohl auch ein bisschen stolz. „Beeindruckt hat mich, dass er die Differenzierung der Krisenempfindung sehr früh erkannt hat und entsprechend auch den Fokus seiner Arbeit ausgerichtet hat."

Wie aus Begeisterung für den Krieg der Schrecken des Krieges wird, erlebten die beiden Vorfahren von Johann Budde am eigenen Leib. Ein Jahr nach Kriegsbeginn fiel Ernst Budde. Der später eingezogene und jüngere Bruder Gerhard Budde wurde im Jahr darauf verwundet.