
Herford. Hoch oben auf einem Laternenmast sitzt ein heimatloser Mensch und wartet. Ein eindringliches Bild, das heute an den Grenzen zu Europa aktueller ist denn je. Der spanische Künstler Fernando Sánchez Castillo übersetzt damit am Lübbertor ein Thema seiner Heimat: Die spanischen Exklaven Melilla und Ceuta liegen auf dem afrikanischen Kontinent und sind von hohen Zäunen und massiven Überwachungsanlagen umgeben.
Damit wird nach fünf Jahren das Kunstprojekt "5 Tore, 5 Orte" am Lübbertor fortgesetzt, das der ehemalige künstlerische Marta-Leiter Jan Hoet 2010 initiiert hatte (siehe Kasten). Dabei geht es darum, die fünf ehemaligen mittelalterlichen Stadttore, die heute vollständig verschwunden sind, wieder ins öffentliche Gedächtnis zu rufen. Dafür entwickeln fünf zeitgenössische Künstler aus fünf Kontinente ortsbezogene Skulpturenprojekte.

Schon vor mehr als einem Jahr besuchte der Madrider Künstler Herford auf Einladung von Marta und setzte sich mit der Geschichte der Stadt auseinander.
Marta-Leiter Roland Nachtigäller wählte den Spanier, der bereits 2006 mit einem eigenen Raum im Marta vertreten war, bewusst aus: "Castillo ist ein international anerkannter Künstler, der sich in historischen und politischen Zusammenhängen bewegt. Dabei beschäftigt er sich immer wieder mit der Frage nach der Funktion von Denkmälern. Mit kritischem Interesse hinterfragt er die Machtstrukturen in Gesellschaft und Geschichtsschreibung. Damit war er für mich geradezu ein Wunschkandidat für das Stadttor-Projekt."
Castillo, der das Projekt gestern gemeinsam mit Nachtigäller präsentierte, will einen etwa zehn Meter langen Laternenmast nutzen, den es schon gibt, der nach Auskunft des Baudezernenten aber nicht mehr gebraucht wird. Auf der Mastspitze wird eine in Bronze oder in Aluminium gegossene Figur sitzen, die in Richtung Lübberstraße, also stadteinwärts, schaut.
Oben wird auch eine Kamera angebracht, die Wetter- und Verkehrsbedingungen aufzeichnet. Diese Aufnahmen sollen live als Webcambilder auf der Internetseite der Stadt und von Marta verfolgt werden können.
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KOMMENTAR VON BARBARA GLOSEMEYER
Fertigung, Zeitplan und Kosten
- Gefertigt wird die Figur in der Nähe von Madrid von einem 3-D-Scanner. Diese Technik bietet dem Künstler aber nur ein Grundmodell. Die Feinarbeit liegt beim Künstler
- Modell für die Figur stand ein Mitarbeiter der 3-D-Scan-Firma. Er kommt aus Mali
- Die Figur ist etwas größer als lebensgroß. Ob sie mit Bronze oder Aluminium ummantelt wird, steht noch nicht fest. Die Statik stellt nach Auskunft von Nachtigäller kein Problem dar. Das wurde bereits geprüft
- Der Künstler will der Figur keinen Namen geben, um der Allgemeingültigkeit Ausdruck zu verleihen. Einen Namen für das Kunstwerk wird es aber geben
- Fertigstellung und Einweihung ist geplant für Frühjahr 2016
- Die Kosten von geschätzten 50.000 bis 80.000 Euro (laut Nachtigäller) übernimmt komplett ein Herforder Unternehmer, der anonym bleiben möchte. Laut Nachtigäller bot der sich selbst an, ein weiteres Tor zu finanzieren