Enger. Er war Mahner und Mittler - ein Mensch, der mit leisen Tönen überzeugen konnte. Und der sich bis zum Schluss unermüdlich eingesetzt hat: für Demokratie und Menschenrechte, für die Kinder und Jugendlichen in Enger, für den Kampf gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Nun ist Bernd Rammler nach langer Krankheit gestorben. Er wurde 64 Jahre alt.
Die jungen Menschen in der Widukindstadt - sie lagen ihm stets am Herzen. Über Jahrzehnte hat Bernd Rammler das evangelische Jugendzentrum „Zebra“ (früher „Teiloffene Tür“ - kurz: „ToT“) geleitet und die Jugendarbeit in der Kommune dadurch maßgeblich mitgeprägt.
1985, mit gerade mal 24 Jahren, war er als Jugenddiakon in der Widukindstadt angefangen. Und für ihn war eines stets wichtig: Im „ToT“ - und später im „Zebra“ - waren alle Jugendlichen willkommen. Gleich welcher Nationalität oder gesellschaftlicher Stellung.
Ehemaliger Bürgermeister: „Er war etwas Besonderes“
Engers ehemaliger Bürgermeister Thomas Meyer kannte Bernd Rammler seit Jahrzehnten. „Er war etwas Besonderes, ich habe ihn sehr geschätzt“, sagt er. Sein Tod mache ihn traurig.
In seiner Jugend, als er 18 oder 19 gewesen sei, sei er ebenfalls gern zu Besuch in der „ToT“ gewesen, berichtet Thomas Meyer. Schon damals habe Bernd Rammler „viel Engagement an den Tag gelegt und sich immer sehr eingesetzt - auch für die Jugendlichen, die vielleicht nicht so unterstützt wurden“. Er sei „unvoreingenommen auf die Menschen zugegangen“. Das Jugendzentrum sei immer ein „offenes Haus“ gewesen.
In den Räumen an der Ringstraße organisierte Bernd Rammler unter anderem Discos, zu denen in den 80ern bis zu 200 junge Leute kamen. Die Projekte des Jugendzentrums stellte er unter drei Säulen: „Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung“.
Die Ferienspiele in der ToT drehten sich darum schon früh auch um ernste Themen wie Umwelt oder Ausländerfeindlichkeit.
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2004 an Multipler Sklerose erkrankt
In den 90ern - als immer mehr Wähler ihr Kreuz bei rechten Parteien machten - gründete sich am Jugendzentrum zudem die „SOS Rassismus AG“. Und Bernd Rammler suchte auch das Gespräch mit jungen Skinheads. Auch wenn er die Überzeugungen der rechtsextremen Jugendlichen nicht habe akzeptieren können, sei es ihm immer wichtig gewesen, das „Menschsein“ seines Gegenübers zu akzeptieren, hatte der Jugenddiakon in einem NW-Gespräch im Sommer dieses Jahres berichtet. Ein wichtiges Projekt war für ihn auch die Aktion „Freies Essen für freie Kids“ oder das Streitschlichterkonzept „Energy Kids“.
2004 traf Bernd Rammler ein Schicksalsschlag. Bei ihm wurde Multiple Sklerose diagnostiziert. Und dennoch: Er ließ sich nicht unterkriegen. Selbst, als ihn die Krankheit deutlich zeichnete, setzte er sich engagiert für die Themen ein, die ihm am Herzen lagen.
In seinen letzten Jahren war es vor allem die Sorge über das Erstarken rechter Kräfte, die ihn umtrieb. Gemeinsam mit Jan Brockelt vom Jugendzentrum Kleinbahnhof rief er darum 2018 das „Engeraner Manifest“ ins Leben - eine Initiative (und bald wohl ein Verein) gegen jegliche Form von Populismus, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus.
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Neuer Bürgermeister: „Eine kluge, vermittelnde Stimme“
„Er war Begründer, Urvater und Namensgeber des ’Engeraner Manifests’ und er wird nicht in Vergessenheit geraten“, sagt Jan Brockelt. Sein Tod reiße eine große Lücke. „Bernd war ein Bindeglied: ein Mensch, der Menschen miteinander an einen Tisch bringen konnte.“ Er habe „argumentieren und gut überzeugen“ können. „Das hat ihn sehr ausgezeichnet.“ Er habe eine positive Ausstrahlung gehabt, „die ihresgleichen sucht“, sagt Jan Brockelt. „Er war eine Persönlichkeit.“
Auch Engers Bürgermeister Stefan Böske betont: „Ich habe ihn als kluge, vermittelnde Stimme kennengelernt.“ Sein Tod bestürze ihn. Sein Amtsvorgänger Thomas Meyer unterstreicht: Bernd Rammler habe „immer versucht, zu überzeugen“, nicht zu belehren. 2020 gab der Jugenddiakon nach 35 Jahren die Leitung des „Zebra“ ab, blieb dem Jugendzentrum aber als Coach für Kinder, Jugendliche und Erwachsene erhalten. Im Sommer dieses Jahres ging er offiziell in den Ruhestand.
Auf die Lage in der Welt schaute er zuletzt mit Sorge. Von den drei Säulen „Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung“ sei in der aktuellen Weltpolitik wenig zu sehen, hatte er im NW-Gespräch betont. Trotzdem hatte Bernd Rammler nach 40 Jahren Jugendarbeit und Arbeit für die Menschen einen Rat: „Bleibt menschlich“, sagte er. „Das wird viel zu oft vergessen.“