Ein Leben für die Jugendarbeit in Enger: Früherer Leiter des Zebra geht nach 40 Jahren

Enger. Diese Woche geht eine Ära zu Ende. Bernd Rammler hat das evangelische Kinder- und Jugendzentrum Zebra über Jahrzehnte geleitet und danach in den Räumen des Zentrums Coachings angeboten. Nach 40 Jahren endet sein Einsatz für die Jugendarbeit des Kirchenkreises. Mit der NW hat er über Eindrücke aus vier Jahrzehnten gesprochen - von Disconächten bis zu Diskussionen mit Rechtsextremen. Die 80er Jahre 1985 hat Bernd Rammler als Jugenddiakon mit 24 Jahren in der Widukindstadt angefangen. Ein &bdquo;Highlight“ der 80er-Jahre sei auf jeden Fall die Disco gewesen, die in den heutigen Räumen des Jugendzentrums an der Ringstraße organisiert wurde, erinnert sich Rammler. &bdquo;150 bis 200 Jugendliche kamen da freitagabends.“ Damals war das Zentrum noch unter dem Namen ToT (&bdquo;Teiloffene Tür“) bekannt. Nach dem Prinzip der Mitgestaltung seien einige Jugendliche auch direkt mit in die Organisation der Disco-Abende einbezogen worden. &bdquo;Zeitweise hatten wir bis zu 30 ehrenamtliche Mitarbeiter“, sagt Rammler. Die seien für den Ablauf, den Thekendienst oder auch die Musik zuständig und engagiert dabei gewesen. Zur Disco seien auch viele Jugendliche mit Migrationshintergrund gekommen, berichtet Rammler. Es habe viele Kontakte zu Jugendlichen gegeben, die in der zweiten Generation in Deutschland waren. Das beginnt, eine größere Rolle zu spielen, als die Folgen des Rückkehrhilfegesetzes von 1983 in der Jugendarbeit ankommen. Mit dem Gesetz, das die damalige Bundesregierung unter Kanzler Helmut Kohl verabschiedet hatte, sollte türkischstämmigen Bürgern ein finanzieller Anreiz gegeben werden, wieder in die Türkei zurückzukehren. Doch die Regierung habe nicht bedacht, wie stark sich die türkischen Jugendlichen mittlerweile in Deutschland sozialisiert hätten. Mit der Folge, dass &bdquo;schreckliche Briefe“ von diesen Jugendlichen ankamen, die nun in einer Heimat lebten, die sie nicht kannten. &bdquo;Das ging bis dahin, dass sie mit Suizid drohten.“ Von Enger aus organisierte Rammler einen Trip in die Türkei. Die Besucher aus der Widukindstadt hätten das Gespräch mit türkischen Familien gesucht, die Enger verlassen hatten. Sie wollten sie aufzuklären, unter welchen Bedingungen sie potenziell wieder nach Deutschland zurückkehren konnten, erklärt Rammler. Die 90er Alle Projekte des Jugendzentrums Zebra hätten immer unter drei Säulen gestanden, erklärt er: &bdquo;Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung.“ So hätten sich die Ferienspiele schon früh um ernste Themen wie Umwelt oder Ausländerfeindlichkeit gedreht. Auch die Touren ins Ausland mit Jugendlichen hätten sich an den &bdquo;drei Säulen“ orientiert - und erfreuten sich großer Beliebtheit, egal ob nach Galicien, Norwegen oder Finnland. &bdquo;Wir sind zum Beispiel nach Lappland gefahren, um Gold zu suchen“, erinnert sich Rammler. Gold haben die Jugendlichen zwar nicht gefunden, aber dafür sicherlich viel Spaß gehabt. In den 90ern wurde am Jugendzentrum auch die SOS Rassismus AG gegründet. Als damals immer mehr Wähler bei extrem rechten Parteien ihr Kreuz machten, wollte das Jugendzentrum klar anprangern: &bdquo;Die braunen Wurzeln keimen wieder“, sagt Rammler. Er erinnert sich noch daran, wie plötzlich eine Gruppe junger Skinheads im Jugendzentrum auftauchte. Ihr Anliegen: &bdquo;Ihr Linken habt die Jugendzentren, aber wir haben nichts!“ Auch wenn er die Überzeugungen der rechtsextremen Jugendlichen nicht habe akzeptieren können, sei es ihm immer wichtig gewesen, das &bdquo;Menschsein“ seines Gegenübers zu akzeptieren, sagt Rammler. So sei im Keller der Kirchengemeinde Pödinghausen zeitweilig ein Treff mit den rechtsextremen Jugendlichen entstanden. Durch das Programm habe es Aussteiger gegeben, sagt Rammler. Andere hätten bis heute rechtsextreme Ansichten. Lesen Sie auch: Mobbing und Suizidgedanken: Coach aus Enger berichtet von seiner Arbeit Die 2000er &bdquo;Jugend veränderte sich“, sagt Rammler. Und damit veränderte sich auch das Zielpublikum des Jugendzentrums - das sei nämlich jünger geworden. Computer, Handy und Digitalisierung spielten im Leben der jungen Leute zunehmend eine größere Rolle. &bdquo;In den 80ern war das Jugendzentrum ein Treffpunkt. Da wusste man: Da trifft man immer einen von seinen Leuten“, sagt Rammler. &bdquo;Das war nicht mehr so.“ So endete die Disco des Jugendzentrums in den 2000ern. Neu eingeführt wurde 2002 &bdquo;Freies Essen für freie Kids“. &bdquo;Weil viele Jugendliche ihr Schulessen nicht mehr bezahlen konnten“, berichtet Rammler. Unterstützung dafür gab es vom Generationentreff Enger und von Edeka Wehrmann. 2004 erfährt Rammler einen Schicksalsschlag: Bei ihm wurde Multiple Sklerose festgestellt. Die 2010er Der politische Aspekt seiner Arbeit holte Bernd Rammler Ende der 2010er-Jahre wieder ein. Um gegen den Rechtsruck und das Erstarken der AfD ein Zeichen zu setzen, war Rammler 2018 einer der Mitbegründer des Engeraner Manifests - zusammen mit Jan Brockelt von Engers anderem Jugendzentrum am Kleinbahnhof. &bdquo;Das entstand, weil ich es nicht mehr ausgehalten habe, die Dummschwätzer von der AfD im Fernsehen zu sehen“, sagt Rammler. Mittlerweile hätten mehr als 3.000 Menschen das Manifest für eine freie Gesellschaft unterschrieben - und aus dem Manifest ist eine feste Gruppe geworden, die im vergangenen Jahr unter anderem die Demos gegen Rechtsextremismus in Enger mit organisiert hat. Die 2020er 2020 gab Bernd Rammler nach 35 Jahren die Leitung im Zebra ab, blieb dem Jugendzentrum aber als Coach für Kinder, Jugendliche und Erwachsene erhalten. Dafür hatte er eine Ausbildung als Traumatherapeut gemacht. Damit versuchte Rammler, eine Lücke im Gesundheitssystem zu füllen. &bdquo;Es ist nicht akzeptabel, dass Eltern in Deutschland über ein Jahr auf einen Therapieplatz warten müssen“, sagt Rammler. Es gebe immer mehr Eltern, die Unterstützung bräuchten. Aufgrund seiner MS-Erkrankung saß Bernd Rammler mittlerweile im Rollstuhl, betreute aber während und nach Corona zahlreiche Menschen. Mit dem Coaching-Büro im Zebra ist nun Schluss. Von August an ist Bernd Rammler nicht mehr bei der evangelischen Kirche angestellt und geht offiziell in Rente. So geht nach knapp 40 Jahren eine Ära in der Engeraner Jugendarbeit zu Ende. Als Dank für seinen Einsatz wurde Rammler nun feierlich verabschiedet. Aufhören möchte der 64-Jährige trotzdem nicht. Er will sich nun als Coach selbstständig machen und weiter Menschen betreuen. Auf die Lage in der Welt schaut er derweil mit Sorge. Von den drei Säulen &bdquo;Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung“ sei in der aktuellen Weltpolitik wenig zu sehen. Trotzdem hat Bernd Rammler nach 40 Jahren Jugendarbeit und Arbeit für die Menschen einen Rat: &bdquo;Bleibt menschlich“, sagt er. &bdquo;Das wird viel zu oft vergessen.“ 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Herford

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